piwik no script img

Familie von Abschiebung bedrohtKeine Duldung für Mutter und Tochter

Der Familie des ehemaligen DDR-Vertragsarbeiters Pham Phi Son aus Chemnitz droht weiter die Abschiebung. Nur der Vater erhielt die Zulassung.

Hoa Nguyen, Tochter Emilia und Pham Phi Son, eine vietnamesische Familie aus Chemnitz Foto: Sebastian Willnow/dpa

Berlin taz | Die Familie des ehemaligen DDR-Vertragsarbeiters Pham Phi Son aus Chemnitz ist so stark von Abschiebung bedroht wie noch nie. Als die dreiköpfige Familie letzten Freitag die Ausländerbehörde Chemnitz aufsuchte, um ihre Duldung zu verlängern, bekam lediglich der 65-jährige Familienvater das gewünschte Papier.

Er lebt seit 1987 in Sachsen. Die Behörden hatten ihm 2017 das Aufenthaltsrecht entzogen, weil er länger als die erlaubten sechs Monate Urlaub in Vietnam machte. Seine 2017 eingereiste Frau und die im selben Jahr geborene Tochter bekamen keine Duldung. Die beiden wurden nach Aussagen der Familie stattdessen aufgefordert, auszureisen und erhielten die Kontaktdaten einer Rückkehrberatungsstelle. Für den Fall, dass sie nicht ausreisen, drohte die Ausländerbehörde mit Abschiebung. Diese hätte ein Einreiseverbot für Deutschland zur Folge.

Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat bestätigte der taz die Informationen. Ihm liegen alle Dokumente vor. „Die Ausländerbehörde würdigte mit der Duldung die lange Aufenthaltszeit des Familienvaters. Sie spricht der Familie aber die Familieneigenschaft ab. Dem liegt ein überholtes Familienbild zugrunde“, sagt Schmidtke. Son und seine Frau Hoa Nguyen haben in Vietnam lediglich nach traditionellem Ritual die Ehe geschlossen, nicht standesamtlich.

Beide haben aber die Elternschaft für die gemeinsame Tochter anerkannt und sie leben zusammen. Hoa Nguyen selbst sagt: „Wir gehören doch als Familie zusammen.“ Auch die Landtagsabgeordnete Jule Nagel (Linke) lehnt Abschiebung und Familientrennung ab, sagt sie der taz. Flüchtlingsratssprecher Schmidtke spricht von der Absicht einer „grundgesetzwidrigen Familientrennung.“

Jederzeit Abholung durch Bundespolizei möglich

Das Arbeitsverbot für die Frau konnte nur durch anwaltliche Intervention abgewendet werden. Beide Elternteile arbeiten in einem sächsischen Gastronomiebetrieb, der Seniorenheime mit Essen beliefert. Sie werden dort dringend benötigt. Beide haben auch kürzlich ihre Deutschprüfungen abgelegt, allerdings auf den niedrigen Niveaus A1 und A2.

Hoa Nguyen besucht einen weiteren Kurs, um ihr Deutsch zu verbessern. Schmidtke kritisiert, dass sich die Ausländerbehörde hier keinen Zentimeter bewege, obwohl die Familie von ihr geforderte Integrationsleistungen, wie den Sprachtest und den unbefristeten Arbeitsvertrag, „gegen erhebliche Widerstände gebracht hat“.

Die Familie versuche die Verweigerung der Duldung mit Hilfe ihrer Anwältin rechtlich anzufechten, sagt der Flüchtlingsratssprecher, „aber Frau und Tochter können jede Nacht von der Bundespolizei abgeholt werden.“ Eine Abschiebung des Mannes ist derzeit nicht möglich, weil die vietnamesische Botschaft in Berlin seinen Pass nicht verlängert.

Dreimal an die Härtefallkommission gewandt

Die Ausländerbehörde Chemnitz hatte der Familie im März geraten, sich wegen eines Bleiberechtes erneut an die Sächsische Härtefallkommission zu wenden. Dessen Vorsitzender, der CDU-Hardliner Geert Mackenroth, hatte allerdings gegenüber der in Chemnitz erscheinenden Tageszeitung Freie Presse angedeutet, dass es dort gar nicht zu einer erneuten Befassung des Falls kommen könnte.

Die Familie hatte sich schon drei Mal an die Härtefallkommission gewandt. Zweimal war der Antrag abgelehnt worden, einmal hatte der Vorsitzende abgelehnt sich damit zu befassen, weil er keine neuen Fakten sah.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Hier www.openpetition.de/phamphisonbleibt



    wird die Sache auch noch mal erläutert (und wan kann eine Petition unterschreiben. Odrr teilen...

  • Soso - die sächsische Härtefallkommission ! Moralisch und empathisch blind auf drei von zwei Augen. Vermutlich heißt sie deswegen auch so. Da kommen die härtesten Fälle rein. Widerliches Auch-Deutschland.

  • Das Gefühl sich für das Land zu schämen dessen Pass mensch hat ist unaangenehm und hinterlässt zusätzlich dieses miese Gefühl der Hilflosigkeit.

  • Wir sind ja ein soooo sympathisches Volk.

    • @tomás zerolo:

      Ja.

      》...sich wegen eines Bleiberechteserneut an die Sächsische Härtefallkommissionzu wenden. Dessen Vorsitzender, der CDU-Hardliner Geert Mackenroth, hatte allerdings gegenüber der in Chemnitz erscheinenden TageszeitungFreie Presseangedeutet, dass es dort gar nicht zu einer erneuten Befassung des Falls kommen könnte《

      Mackenroth hat diese Kommission allem Anschein nach fest im Griff, entscheidet alleine, womit sie sich befasst - wan kann das nur als behördlichen und parlamentarischen Sadismus bezeichnen, das Gegenteil dessen, was eigentlich Sinn einer Härtefallkommission sein sollte.

      Mutter und kleine Tochter gegen ihren Willen in Vietnam, der Vater hier - nach über 30 Jahren wegen einer Bagatelle (zu lange, krankheitsbedingt, ausser Landes) - nur geduldet.

      Unmenschlich, in schlechtester deutscher Tradition.

  • Der Amtsschimmel wiehert widerlich!🤮GRRR🤢

  • Es ist so bedrückend. Unsere "Werte" werden rein bürokratisch verwaltet. Und eine Portion Rassismus ist ganz gewiss dabei - was man von christlicher Nächstenliebe nun wirklich nicht sagen kann...