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Faktencheck GriechenlandRotzfrech gelogen

Nach dem Scheitern der Verhandlungen wurde Erstaunliches behauptet, vor allem von der EU. Manches stimmt schlicht nicht.

Tsipras will abstimmen lassen, obwohl die Angebote so gut waren? Ganz so stimmt das nicht. Foto: dpa

BRÜSSEL/FREIBURG taz | Offiziell gibt es keinen Vorschlag der Gläubiger an Griechenland mehr. Die Verhandlungen seien von Athen einseitig abgebrochen worden, das letzte Angebot sei daher nicht mehr gültig, sagte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem am Samstag.

Dennoch will Premier Alexis Tsipras über den letzten Vorschlag aus Brüssel abstimmen lassen. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker behauptet, die Gläubiger hätten Tsipras ein 35 Milliarden Euro schweres Investitionspaket angeboten.

Was stimmt denn nun? Was stand wirklich im Verhandlungspaket von Freitag? Dijsselbloem schweigt. Juncker hingegen, der sich um eine Verständigung in letzter Minute bemühte, hat starke Thesen in die Welt gesetzt.

Behauptung Nr. 1: Der Vorschlag enthielt „ein Wachstumsprogramm mit 35 Milliarden Euro speziell für Griechenland.“

Dafür findet sich kein Beleg. Die Offerte unter dem schönen Titel „A new start for growth and jobs“ war nicht Teil der Verhandlungen mit der Troika, sondern sollte offenbar nach dem Ja aus Athen hinzugefügt werden. Glaubt man den Dokumenten, die die Bundesregierung dem Bundestag zur Zustimmung geschickt hat, so handelt es sich auch nicht um ein Griechenland-Paket. Vielmehr geht es um förderfähige Zuschüsse, die alle EU-Länder bekommen können.

Behauptung Nr. 2: Griechenland muss seine Renten nicht kürzen.

Das ist eindeutig falsch. Schon die Rahmenvereinbarung der Gläubiger von Anfang Juni, die im Kanzleramt in Berlin ausgehandelt worden war (mit Juncker, ohne Tsipras) sah Einsparungen im Rentensystem in Höhe von einem Prozent der Wirtschaftsleistung vor.

Juncker hat sich zwar dafür eingesetzt, dies ohne direkte Kürzungen etwa bei den kleinsten Renten zu machen. Doch in den “Prior actions“, die die EU-Kommission selbst ins Internet gestellt hat, ist von einem sofortigen Abbau eines Solidaritätszuschlags (EKAS) die Rede. Auch die geforderte zügige Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 ist eine – wenn auch indirekte – Rentenkürzung.

Behauptung Nr. 3: Es waren Erleichterungen bei den griechischen Staatsschulden geplant.

In den Dokumenten findet sich davon keine Spur. Vor allem Berlin sperrte sich bis zuletzt gegen die Forderung nach einem Schuldenschnitt oder einer Umschuldung. Mehr als vage Verweise auf eine alte, nie umgesetzte Zusage der Eurogruppe von 2012, über die „Tragfähigkeit“ der Schulden zu reden, wollten die Gläubiger nicht machen.

Am deutschen Nein zu einer spürbaren Entlastung bei den Schulden hat sich bisher offenbar nichts geändert. Von einem „Kompromiss“, von dem Juncker sprach, kann also keine Rede sein. Bestenfalls hätte Tsipras noch einige kleine Details an dem Deal verändern können. Am Samstag müsse Schluss sein, warnte Kanzlerin Angela Merkel. Doch anstatt dieses Ultimatum zu erfüllen, wählte Tsipras die Flucht nach vorn – und setzte sein Referendum an. (ebo)

Kann Athen gegen einen Euro-Ausschluss klagen?

Finanzminister Giannis Varoufakis hat angekündigt, Griechenland werde sich mit allen rechtlichen Mitteln gegen einen Ausschluss aus der Währungsunion wehren. Insbesondere müsse die Europäische Zentralbank (EZB) zusätzliche Notkredite gewähren.

Ein Ausschluss Griechenlands aus der Euro-Zone wäre grundsätzlich unzulässig. Dagegen könnte Griechenland erfolgreich klagen. Ein solcher Ausschluss ist aber nicht geplant, weshalb die Klageankündigung Varoufakis’hier reine Rhetorik ist.

Griechenland könnte aber gezwungen sein, eine Ersatzwährung einzuführen, wenn die EZB die Versorgung griechischer Banken mit Euro einstellt. Auch gegen eine solche Entscheidung der EZB könnte Griechenland beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) klagen. Jüngst hat der EuGH entschieden, dass auch die unabhängige Zentralbank rechtlicher Kontrolle unterliegt, ihr jedoch ein „weites Ermessen“ eingeräumt.

Die EZB hat die Regeln zur Gewährung von Notkrediten bereits weit zugunsten Griechenlands ausgelegt. Konservative EZB-Kritiker halten die jüngsten Notkredite der EZB gar für rechtswidrig. Es besteht wohl kein griechischer Anspruch darauf, dass die EZB weiter Übergangskredite gewährt, wenn sie die griechischen Banken nicht mehr für zahlungsfähig hält. (chr)

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36 Kommentare

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  • Kalkulierter Wahnsinn?

     

    DieEU-Kommission, Bundesregierung und IWF Europa in den Ruin treiben

    Im Kampf um die Zukunft Griechenlands und der Eurozone sind die Masken gefallen. Immer deutlicher zeichnen sich die hässlichen Konturen eines Europas ab, das seine demokratischen Hüllen abstreift. Die „Verhandlungen“ der letzten Wochen und Monate haben unmissverständlich gezeigt, wer im europäischen Haus das Sagen hat, wer die Bedingungen diktiert, wer der Souverän ist. Die Bevölkerungen Europas sind es nicht. Wenn Christine Lagarde, Mario Draghi und Jean-Claude Juncker einem Alexis Tsipras gegenüber stehen, dann ist der Grieche, wie die Journalistin Ulrike Herrmann kürzlich treffend bemerkte, mit drei Figuren konfrontiert, die keine oder nur eine äußerst klägliche demokratische Legitimation besitzen.

    Quelle: Kontext

  • Vielen Dank für diesen Faktencheck! Als ich am Montag Juncker im Deutschlandfunk hörte, dachte ich schon, dass etwas nicht stimmt.

     

    Liebe Redaktion: Wäre es möglich, einen ähnlichen Faktencheck zu der häufig geäußerten Behauptung möglich, die Griechen wären getroffenen Vereinbarungen der Geldgeber nicht nachgekommen? Wenn es sogar schon einen entsprechenden Artikel gibt, würde ich mich über einen Link freuen.

    • Bruno , Moderator
      @Sisyphos:

      Danke für den Hinweis, wir haben ihn weitergeleitet.

       

      Grüße, Bruno

  • Griechenland ist schon längst bankrott. Griechenlands Staatsbankrott bedeutet nichts anderes, als das ein Land seine Schulden nicht mehr bedienen kann.

     

    Griechenland kann nicht immer neue Schulden machen, um alte Schulden abzulösen. Aber genau das ist der Fall, Schulden die 2010 aufgenommen wurden, waren eben nicht, für die Rentner, Krankenschwestern usw. sondern um die Forderungen Französischer, Deutscher und andere internationale Banken zu begleichen. 95% der sog. Hilfsgelder gingen nicht an Griechenland, sondern an die Banken im Ausland.

     

    Die Kürzungspolitik Brüssels, hat doch erst zu dieser Krise geführt. Die Schulden wuchsen von 120% auf über 180% der Wirtschaftsleistung, ca. 30% Arbeitslosigkeit, jeder zweite Jugendliche ohne Arbeit, 3 Mio. ohne Krankenversicherung, und die Mehrheit der westlichen Medien in Europa unterstützen medial Brüssel dabei mit der Friss oder Stirb" Politik? Man könnte das Problem ganz schnell lösen, aber ich habe den Eindruck man will hier ein Exempel statuieren, "eine linke Regierung darf in Europa kein Erfolg haben?"

    • @heino Ewerth:

      Die Gelder gehen zwar um die Schulden bei den Banken zu vergleichen, die Schulden, die Griechenland in der Vergangenheit gemacht hat. Man sollte Tatsachen schreiben, Griechenland hat Geld geliehen, kann nicht zurückzahlen, und will, dass andere für die Schulden auskommen, Punkt.

      • @Tenedor Alfonso:

        Hier geht es nicht um Moral, denn hätten die Gläubiger bei der Londoner Schuldenkonferenz 1953 genau so gedacht wie Sie, wäre Deutschland noch heute ein Entwicklungsland.

         

        Die Mehrheit der Bürger in Griechenland sind jedenfalls nicht dafür verantwortlich gewesen, wie sonst ist es möglich das trotz Krise einige immer reicher geworden sind, während gleichzeitig immer mehr verarmen? Denn wie kann es sein, das die Euro Staaten nicht bereit waren, Griechenland dabei zu helfen das Vermögen ab einer gewissen größe reicher Griechen im Ausland einzufrieren? Weshalb sollen weiter Rentner dafür Einbußen hinnehmen. Wieso haben Banken überhaupt Kredite an Griechenland vergeben, obwohl sie nicht kreditwürdig waren? Weil Anleger Rendite wollen, da spielt Moral eh keine Rolle.

         

        Wenn Griechenland zu den gleichen Konditionen, wie einst Deutschland 1953, geholfen wird, dann wäre die Krise schon längst beendet. Aber man will die Krise, denn nur in der Krise kann man die drastischen Kürzungen durchsetzen.

    • @heino Ewerth:

      "95% der sog. Hilfsgelder gingen nicht an Griechenland, sondern an die Banken im Ausland."

       

      Nochmal, der Anteil der Hilfgelder, die an die Banken flossen wurde schon vorher in Griechenland verkonsumiert.

       

      Wenn Sie einen Konsumwunsch haben, den Sie über einen Kredit finanzieren und anschließend kommt eine dritte Person, die den Kredit für Sie an die Bank zurückzahlt. Wer hat dann konsumiert? Sie oder die Bank?

      • @Dhimitry:

        Es ist schon sehr schwierig, wenn viele Deutsche so wie auch Sie, in Kategorien wie Moral, Anstand, und sprechen, um eine Ökonomische Katastrophe zu beenden.

         

        Ausgerechnet viele in Deutschland, vergessen woher sie einmal kamen, und wem sie es zu verdanken hatten, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen, moralisch jedenfalls nichts dazu gelernt im Gegenteil. Macht es vielen Deutschen eigentlich Spaß, die Menschen in einem Land die am Boden liegen noch leiden zu sehen, welche die Allermeisten nicht dafür verantwortlich sind? Ausgerechnet viele Deutsche sollten es eigentlich noch nicht vergessen haben?

         

        Friss oder stirb, Griechenland

        Die Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF hat der griechischen Regierung die Pistole auf die Brust gesetzt. Die Gläubiger wollen Athen dazu zwingen erneut Renten zu kürzen, die Löhne zu begrenzen und die Mehrwertsteuer massiv zu erhöhen. Eine Sondersteuer auf besonders hohe Gewinne wurde dagegen abgelehnt.

        Die aufgezwungene Kürzungspolitik hat Griechenland bereits tief in die Krise getrieben. Kein Industrieland hat seinen Haushalt in wenigen Jahren so stark zusammenstreichen müssen. Mit verheerenden Folgen: Die Wirtschaft schrumpfte um ein Viertel, die Einkommen um ein Drittel, die Armut explodierte, die Arbeitslosigkeit verdoppelte sich und der Schuldenberg wurde immer größer. Die geforderten Maßnahmen würden die Krise verschärfen und bieten keinerlei Entwicklungsperspektive. Will man die Krise lösen, oder die totale Unterwerfung Griechenlands von Institutionen die nicht gewählt sind, dass nenne ich dann eine Diktatur. Die Demokratie ist in Europa tot! Alleine die einseitige mediale Propaganda, kann ich nur noch als katastrophal bezeichnen.

        • @heino Ewerth:

          "Will man die Krise lösen, oder die totale Unterwerfung Griechenlands von Institutionen die nicht gewählt sind, dass nenne ich dann eine Diktatur. Die Demokratie ist in Europa tot! Alleine die einseitige mediale Propaganda, kann ich nur noch als katastrophal bezeichnen."

           

          Jaja, die üblichen Phrasen.

           

          Die richtige Antwort auf meine Halbwahrheit wäre übrigens diese hier gewesen:

           

          "Die drei von mir genannten Institutionen haben, wie bereits gesagt, 90 Prozent der Hilfsgelder in Höhe von über 240 Milliarden Euro in die Rettung der griechischenPrivatbanken gesteckt. Dieses Geld kam den Gläubigern zugute. Gläubiger dieser Privatbanken waren übrigens auch deutsche und vor allem französische Banken. Dort ist das Geld hingeflossen. Warum konnte man die griechischen Banken nicht einfach pleitegehen lassen? Dann hätten die Großgläubiger und Großaktionäre eben zahlen müssen, weil sie sich einfach verzockt haben, und man hätte den Bürgerinnen und Bürgern und den kleinen und mittelständischen Unternehmen ihre Guthaben erstatten können. Das hätte man machen können. Das wäre ein vernünftiger Weg gewesen."

           

          Da hat der Gysi recht. Verkonsumiert wurde das Geld aber trotzdem in Griechenland!

  • Nach der Ukraine-Berichterstattung nun also die Griechenland Problematik. Warum wundert sich eigentlich noch jemand über den "Lügenpresse" Vorwurf?

     

    Sind der dt. Presse- und Medienrat nur Plazebos?

    • @phan:

      Das liegt daran, dass Realitäten sehr unterschiedlich interpretiert werden können. Ein überführter Lügner ist bisher nur der Varoufakis!

  • Juncker hat meines Wissens nach ebenfalls behauptet, die griechische Regierung hätte sich einer höheren Besteuerung der Reichen des Landes verweigert. Gibt es hierzu verlässliche Infos? Bei Wikipedia kann man nachlesen, dass der Stellenabbau bei der griech. Finanzpolizei mitverantwortlich dafür sei, dass z.B. die Lagarde-Liste bisher nahezu ohne praktische Konsequenzen geblieben ist. Der IWF (oder die Troika?) soll ferner härtere Maßnahmen gegen die wenigen superreichen Familien(clans) in Griechenland abgelehnt haben, da sich diese zu negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirken würden. Gibt es dazu belastbare Erkenntnisse, außer das diesbezüglich bisher nichts geschehen zu sein scheint? Es wird ja offenbar gelogen, dass sich die Balken biegen. Verwunderlich finde ich die diesbezügliche Untätigkeit der Regierung Tsipras aber in jedem Fall.

  • Griechenland ist überschuldet. Aber das gilt auch für Deutschland oder Frankreich.

    Die Banken hatten gut verdient an den griechischen Schulden. Vor 5 Jahren hätten die Banken die Verluste tragen müssen - da wurde aber Griechenland "gerettet" in dem die anderen Staaten die Schuldtitel den Banken abgekauft haben. Nicht Griechenland sondern die Banken sind damals gerettet worden.

    Nun nutzen die EU die Schuldtitel um von der griechischen Regierung "Reformen" zu verlangen, die in keinster Weise demokratisch legitimiert sind und auch häufig keinen Bezug zum Schuldenabbau haben. Statt Abgaben für die Reichen wird dort eine Mehrwertsteuerverdoppelung auf Nahrungsmittel und eine Rentenkürzung verlangt. Viele Griechen arbeiten - wenn sie denn Jobs haben - für deutlich weniger als den deutschen Mindestlohn.

    Wenn die EU die Bekämpfung der Korruption und eine gerechte Besteuerung fordern würde, wäre das eine andere Sache. So profitieren Goldman Sachs & Co gleich doppelt:

    Erst einmal lassen sie sich ihre Schuldtitel von der EU abkaufen als ob Griechenland kein Kreditproblem hätte. Dann lassen sie die EU den Griechen eine Politik aufzwingen, bei der staatliche Güter für winzige Beträge ausverkauft werden.

    • @Velofisch:

      "Statt Abgaben für die Reichen wird dort eine Mehrwertsteuerverdoppelung auf Nahrungsmittel und eine Rentenkürzung verlangt."

       

      Laut dem Prior Action Papier soll die Mwst. auf Grundnahrungsmittel bei 13% liegen. Der Mwst-Satz für Medikamente sogar nur bei 6%.

       

      Dazu werden in dem Papier die Schließung von Steuerschlupflöchern, die Anpassung der Vermögenssteuer, die Anhebung der Unternehmenssteuer, die Einführung einer Luxussteuer, sowie die Einführung einer unabhängigen Steuerbehörde gefordert!

       

      "Wenn die EU die Bekämpfung der Korruption und eine gerechte Besteuerung fordern würde, wäre das eine andere Sache."

       

      Das tut die EU!

       

      Woher nehmen Sie Ihre Informationen?

    • @Velofisch:

      Bilanzielle Überschuldung allein bedeutet noch keine Pleite, solange die Leistungsfähigkeit stimmt. Zahlungsunfähigkeit hingegen beweist, dass genau die nicht mehr gegeben ist - zumindest nicht in Relation zu den aufgebauten Verpflichtungen.

       

      Zu den Banken: Sicher würde eine Zahlungseinstellung Griechenlands kurzfristig eher den Geldgebern schaden als den griechischen Staatsfinanzen. Langfristig aber wäre der Schaden für die Griechen höher, da sie sich damit wirtschaftlich isolieren und wertvolles Vertrauen verlieren würden. Ihr Geld wäre nichts mehr wert, und fremdes Geld leihen könnten sie sich auch nicht - ähnlich wie die DDR in den 80ern, nur ohne industrielle Basis. Die Banken zu entlasten, war schon deshalb vernünftig, weil die sonst bei allen Sanierungsbemühungen zusätzlich noch am Tisch gesessen hätten.

       

      Dritter Punkt: Können Sie beziffern, welcher Nettoerlös sich ergäbe, wenn der griechische Fiskus tatsächlich zahlungsunwilligen "Reichen" nun mit hohen, aber noch vertretbaren Belastungen und einer entsprechend wirksamen - also aufwändigen - Beitreibung zuleibe rücken würde? Meine Prognose wäre, dass es sich dabei um ein mühsames Projekt handelt, das zunächst gar keinen und allenfalls langfristig einen Profit abwerfen kann.

       

      Das soll beileibe nicht heißen, dass man es besser lassen sollte. Es hindert ja auch niemand Tsipras daran, das parallel in Angriff zu nehmen. Nur muss sich die Troika in ihren Forderungen nun einmal an ihre Aufgabe halten, und die ist eben nicht die Korrektur sozialer Ungleichgewichtungen oder rechtsstaatlicher Mängel in Griechenland sondern die Schaffung von Liquidität.

  • Bei Renten sparen und Renten kürzen ist ein großer Unterschied. Ein späterer Eintritt in den bezahlten Ruhestand ist noch keine Rentenkürzung aber eine Ausgabenkürzung für Renten. Griechenland kann sich die aktuellen Ausgaben für Renten nicht leisten. Das trifft auch auf andere EU-Länder zu, die das Rentenalter heraufgesetzt haben. Bitte wasche mich, aber mach mich nicht nass, funktioniert eben nicht.

  • 6G
    6175 (Profil gelöscht)

    Auch in der taz gab es seit 2010 manche Artikel, die extrem einseitig gegen Griechenland gerichtet waren (und die Grünen stimmten ja, wie bekannt, immer mit der Austeritäts-Regierung Merkel). Seit einiger Zeit ist das Verständnis für Syriza und die verarmende griechische Bevölkerung gewachsen - schön! Syrizas Chance wäre allerdings gewesen, daß weit, weit mehr Medien, Menschen, Gruppen das lange vorher durchschaut hätten, was Merkel, Lagarde, die "Institutionen" wollten und wollen. Varoufakis' blog beschrieb das seit 2009... Es gab nicht mal laute Kritik an solch unsäglichen Artikeln wie dem von Jurek Skrobala als "style-Analyse", immer schön im postmodernen Zeitstil, gegen Varoufakis. Europa hat Griechenland im Stich gelassen, und wir in Deutschland, dessen Regierung die übelste Politik weitgehend bestimmte, hat eine zu schwache Opposition. Leider...Merkel orientiert sich auch noch nicht um, das wäre Syrizas einzige Chance gewesen, ihre opportunistischen Dreher...

  • Ach jee ...

     

    In die Strukturreform der ehemaligen DDR sind weniger als 500 Mrd Eur geflossen.

     

    Mehr als 500 Mrd Eur bislang nach Griechenland seit dem Beitritt in die EU-Währungsunion. Was -ausser heißer Luft- wurde bislang zum Wohlergehen des Landes administrativ umgesetzt - nüscht.

     

    Positiv, die zu Beginn der Feriensaison immer wieder neu erfundene Gastfreundschaft.

  • es ist so unglaublich peinlich was Deutschland u. die EU mit Griechland macht. Auf Englisch gibt es ein Spruch "what your goverment does to other countries it will eventually do to you".

    • @ichmitmigationshintergrund:

      "what your goverment does to other countries it will eventually do to you".

       

      Der Spurch funktioniert hier anders herum. Die Bevölkerung in Deutschland hat das Modernisierungsprogramm namens Agenda 2010 bereits hinter sich. Daher nun auch die Vehemenz, mit der viele Deutsche strukturelle Reformen in Griechenland verlangen.

  • Ich verfolge die Interviews und Redebeiträge seit längerem. Schon lange ist klar, dass die Aussagen der beiden Seiten nicht überein stimmen, nicht überein stimmen können. Wer warum und in welchem Umfang die Unwahrheit sagt, ist nahezu unmöglich herauszufinden, den "Blöd-Leser" wird es auch kaum interessieren.

     

    Doch dann gilt die Geschichte des Schwiegersohnes mit Einser-Diplom, Chefposten und allseitiger Beliebtheit. Seine einzige Schwäche, er nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau.

     

    Dazu passt das Trommelfeuer aller großen Medien. Im Nebensatz macht Schäuble allerdings schon deutlich, dass es ihm um die Wahlen in Spanien geht.

  • Ja, ich hoffe auch, dass Alexis Tsipras durchhält und das griechische Volk denen die Stirn zeigt, die glauben sie seien im Recht und hätten Recht, nur weil sie via finanzieller Mittel das Sagen haben.

    Vor allem wäre es mal bitter notwendig, dem deutschen Finanzminister und seiner Vertrauten aus Frankreich, die den IWF anführt, zu sagen, dass er nicht in eigener Machtvollkommenheit arbeitet, sondern als gewählter Politiker, der nicht nach seinem Gutdünken zu entscheiden hat, sondern er Schaden vom deutschen Volk abzuwenden hat. Und ein GREXIT würde dem deutschen Steuerzahler alles in Allem teuer kommen.

    • @Der Allgäuer:

      Haben sie dafür auch einen Beweis?

      Ich meine jeder - egal ob konservativ oder nicht - sagt das ein GREXIT unabsehbare Folgen HABEN KÖNNTE.

      Und sie wissen schon, dass finanziell ein "Durchfüttern" billiger wird als ein GREXIT - wow.

       

      Im übrigen handelt Herr Schäuble nicht nach Gutdünken sondern - Umfragen nach - im Sinne des deutschen Volkes.

  • Die Politiker haben den Finanzspekulanten Garantien für ihre Gewinne gegeben, sonst hätten sie die sogenannte Hilfe ja auch direkt von der EZB an den griechischen Staat und nicht über den Umweg der Banken auszahlen können. Es geht ja auch gar nicht mehr um die Kreditsummen an sich, die sind längst zurückgezahlt, sondern nur noch um Zins, Zinseszins und diverse Gebühren der Kreditinstitute.

     

    Ist doch klar, wenn man einem Freund 10 Euro leihen will, so gibt man sie ihm doch nicht direkt, wär' ja gelacht…

    Man gibt sie ihm natürlich über den Umweg mehrerer Kreditverleiher, sodass der Freund auch dann noch ein Vielfaches der 10 Euro Schulden bei denen hat, wenn er die 10 Euro längst zurückgezahlt hat.

  • Na, ja, liebe taz, ganz so schwarz-weiß ist es aber auch nicht:

    Behauptung 1:

    Dass sich dafür kein Beleg findet, ist korrekt. Allerdings verschweigt Ihr, dass dies ein Angebot der EU alleine war, das IWF und EZB (auch wenn sie es sicher wohlwollend zur Kenntnis genommen haben) nichts angeht, und deshalb auch nicht Gegenstand der Verhandlungen war.

    Behauptung 2:

    Für 2015 war erstmal nur eine Kürzung von 1/4 bis max. 1/2 % vorgesehen. Was Ihr hier aber verschweigt, ist der letzte Absatz des §4 der "List of prior actions". Da steht nämlich drin, dass auch jede andere Maßnahme zulässig sei, wenn sie fiskalisch ähnliche Effekte habe, und die vorgeschlagenen daher ausschließlich als "default" zu verstehen sind. M.a.W: Man hat der Regierung hier durchaus einen gewaltigen Gestaltungsspielraum gegeben.

    Behauptung 3:

    Auch das ist zwar im Kern richtig: In den Dokumenten findet sich kein Hinweis, und ein offizieller "Schuldenschnitt" war politisch für die meisten Gläubiger ausgeschlossen. Ihr verschweigt hier allerdings, dass es (zugegeben: was man so hört!?) durchaus Nebengeräusche gegeben hat, dass der "Schuldendienst" durch entsprechende Zentralbanktricks auch einigermaßen abgefedert hätte stattfinden können. Das hätte natürlich niemals offiziell in das Dokument gedurft - weil: nach allen Regeln der Währungsunion verboten. Wir können uns aber glaube ich sicher sein, dass man da durchaus einen diskreten Weg hätte finden können.

     

    Wie gesagt: Auch Ihr habt zwar nicht gelogen, aber doch auch ein paar nicht ganz unwesentliche Punkte weggelassen. ;-)

  • 7G
    7964 (Profil gelöscht)

    Die Art und Weise wie "Erwachsene" hier miteinander umgehen erinnert mich stark an den Ton im Kindergarten, über den bereits Drittklässler erhaben die Nase rümpfen.

    • @7964 (Profil gelöscht):

      Hier im Forum? Allerdings.

    • @7964 (Profil gelöscht):

      dem kann mal voll zustimmen wenn man überlegt, woeviel Stunden von allen möglichen Leuten da verhandelt wurde, wieviel Energie, Zeit aufgewendet wurde, greift man sich an den Kopp , aber vorsicht man könnte sich verbrennen, alos ich seh mir in Zukunft keine GR DEbatten mehr an man käme sonst in Versuchung nach Brüssel, Berlin oder Athen zu fahren und dort den Leuten den Arsch versohlen!

  • Die Hauen-und-Stechen-Union , ...und Juncker ihr passender Kommissionspräsident . Tsipras' Ankündigung des Referendums war kaum raus , da hat Juncker schon die im Artikel aufgeführten drei Behauptungen gelogen ... äääh ... in die Öffentlichkeit gebracht . Hinterfotzige Propaganda Richtung Griechenland zwecks Verhinderung eines Erfolges des Referendums .

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Wenn mich mein Bauchgefühl noch nicht verlassen hat, ruderte Merkel auf dem CDU-Geburtstag mittels kryptischer Bemerkungen verbal zurück.

    Die Last einer wie auch immer gearteten historischen Schuld am griechischen Desaster will sie offenbar nicht tragen wollen.

    Das lässt hoffen.

    • @571 (Profil gelöscht):

      Das habe ich gemeint mit meiner Bitte, das Hirn zu nutzen und nicht das Herz oder den Bauch. Die Hoffnung nämlich trügt. Frau Merkel ist verzichtbar. Genau so verzichtbar wie Griechenland. Aus Sicht jener Leute, meine ich, die uns zu manipulieren versuchen. Wenn Mama Merkel die "historische Schuld" nicht tragen will, die Sie erkennen, lieber KlausK, dann nur, weil sie sie überhaupt empfindet. Das tun Leute wie Herr Gabriel oder Herr Schäuble schon längst nicht mehr. Die sind bereits vollkommen abgestumpft vom jahrzehntelangen Pokerspielen. Wenn Merkel geht, werden ihr Leute folgen, die keine Skrupel haben. Darauf kann man natürlich hoffen. Muss man aber nicht. I prefere not to. Enttäuschungen sind schließlich nichts, was ich in Massen sammeln möchte um sie mir ins Regal zu stellen.

    • @571 (Profil gelöscht):

      Hahaha, als ob es Merkel - raffiniert und skrupellos, wie sie seit jeher ist - nicht locker hinkriegen würde, Griechenland vor die Hunde gehen zu lassen und gleichzeitig den Schwarzen Peter jemand anderem zuzuschieben...

       

      Spaßvogel!

  • Die Verhandlungen kommen jetzt erst richtig in Fahrt. Bislang war alles nur Vorgeplänkel und die Rhetorik, auch die Lügenmärchen, werden noch zunehmen. Ich wünsche Tsipras die notwendige Kraft und das Durchhaltevermögen um sich gegen das Diktat der Finanzwelt zu stellen. Wir alle sollten den Griechen dankbar sein, dass sie mit ihrem Opfer einen Anfang gegen dieses inhumane Wirtschaftssystem setzen.

     

    Den Kern der Sache hat wohl der spanische Ministerpräsdent Rajoy auf den Tisch gelegt. Er sagte gestern, dass Spanien gegen die Finanzspekulanten gewappnet sei. Davor haben unsere europäischen Politiker Angst, denn diesen sind wir mittlerweile hilflos ausgeliefert. Die Lösung des Problems wird nicht in der Verarmung ganzer Volkswirtschaften liegen, sondern in der Zügelung der Finanzbranche.

    • @robby:

      Das sehe ich ganz ähnlich. Wobei ich mir bislang nicht vorstellen kann, dass die Politiker, die wir gerade haben, der schwierigen Aufgabe, die Finanzbranche zu zügeln, gewachsen sind.

       

      um Teil verstehe ich das sogar. Wenn man tagtäglich hautnah dran ist an Leuten, die keinerlei Skrupel haben, ganze Volkswirtschaften in den Ruin zu treiben um des eigenen Vorteils willen, dann macht das sicherlich nicht wenig Angst. Und wer viel Angst hat, der lässt ja so manches einfach laufen...

    • @robby:

      Ist es denn nicht die EZB die gegen die Finanzspekulanten vorgeht?