Fake News auf Facebook: Fakten für die Bubble

Die Historikerin Charlotte Jahnz widerlegt für ZDFinfo Verschwörungstheorien und falsche Darstellungen. Das Videoformat heißt „Aluhut ab“.

Ein Mann in Alufolie eingewickelt

Besser gleich ganz einwickeln, nicht dass was Ungewolltes durchdringt Foto: photocase/ausdemweltall

Merkel ist Hitlers Nichte und die Bundesrepublik Deutschland kein souveräner Staat. Hillary Clinton leitet einen Pädophilenring. Und die Regierungen kontrollieren unsere Gedanken mithilfe von Chemtrails, also mit giftigen Kondensstreifen von Flugzeugen. In der virtuellen Welt sind Verschwörungstheorien und falsche Geschichtsfakten so verbreitet wie Nacktbilder. Was tun? Gegenhalten oder ignorieren?

Charlotte Jahnz war immer für das Gegenhalten. Die 28-jährige Historikerin stürzte sich schon als Studentin von ihren privaten Facebook- und Twitter-Accounts in die Diskussion, um etwas gegen Verschwörungstheorien und Geschichtsverfälschung zu tun.

2014 wurde sie für das Projekt „digitalpast“, in dem sie und ihre Kollegen über die Reichspogromnacht twitterten, mit einem Nachwuchspreis der Nachrichtenagentur dpa ausgezeichnet. Nun hat sie zusammen mit ZDF Digital ein Format entwickelt, das auf der Facebook-Seite von ZDFinfo ausgespielt wird: „Aluhut ab“.

Die Idee für das Format kam den Verantwortlichen letztes Jahr, erzählt Lea Deusch, Social-Media-Managerin bei ZDFinfo: „Wir kümmern uns im Social-Media-Team auch um das Community-Management von ZDFinfo. Da stoßen wir bei unseren Recherchen auf viele fragwürdigen Kommentare.“

Metallfolie gegen Telepathie

Die Aluhutmetapher im Titel geht auf eine Geschichte von Julian Huxley aus dem Jahr 1927 zurück. Damals beschrieb Julian Huxley, Bruder des berühmten Aldous Huxley, in „The Tissure-Culture King“, wie sich sein Protagonist mit Kappen aus Metallfolie gegen Telepathie schützt.

ZDFinfo ist Teil des digitalen Programmangebots des ZDF und wie ZDFneo ein Spartenprogramm. Der Sender ist seit Oktober 2011 über Satellit erreichbar. „Aluhut ab“ ist insofern ein interessantes Konzept, als es zeigt, dass auch das Social-Media-Team eines Senders eigene, sinnvolle Formate zum Gesamtkonzept beitragen kann.

Es geht um die Unentschlossenen, die mitlesen, aber nichts dagegen sagen

Deusch und Jahnz kennen sich von früheren Dreharbeiten. Jahnz hat Neueste Geschichte an der Universität Bonn studiert und ist mittlerweile als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Max-Weber-Stiftung in Bonn beschäftigt. Sie wurde in der Vergangenheit immer wieder als Expertin befragt. Nun also „Aluhut ab“.

In den bereits produzierten Clips werden vor allem die NS-Zeit und die DDR thematisiert, also relativ neue historische Ereignisse, die stark ideologisch aufgeladen sind und die Identität der Deutschen bis heute prägen. Zu diesen Ereignissen gebe es die meisten Verklärungen und Falschdarstellungen, sagen die Macherinnen, ganz einfach weil deren Deutung – oder Umdeutung – das Weltbild der Menschen bis heute beeinflusst.

„Früher war alles besser“

Die Aufklärungsvideos von „Aluhut ab“ werden in unregelmäßiger Abfolge und ausschließlich auf der Facebook- und Twitterpage von ZDFinfo gepostet – immer wenn es thematisch zum Programm von ZDFinfo passt.

Die Videos sind kurz, meist unter zwei Minuten: Jahnz liest einen Tweet oder ein Posting vor und erklärt, was daran falsch ist und warum. Wenn jemand ein Bild von Hitler postet und behauptet, die Deutschen wären vor dem Zweiten Weltkrieg mit ihm an der Macht glücklicher gewesen als heute, verweist sie dar­auf, dass es bereits 1933 die ersten Boykottaktionen gegen jüdische Geschäfte gab und die Gewaltenteilung da schon abgeschafft war.

Jahnz reagiere, so sagen die beiden, in den Videos spontan. Das kann man sehen: Manchmal guckt sie erst kurz verdutzt angesichts dessen, was sie da liest. Doch anstatt wild draufloszureden oder die Person lächerlich zu machen, bleibt die Historikerin ruhig und sachlich. Fast schon ein bisschen spröde ruft sie ihr historisches Wissen ab – und das gefällt nicht jedem: Unter einigen Videos beschweren sich User über die Art, wie sie ihr Wissen präsentiert. „Sie ist keine Presenterin, sie ist Fachfrau“, sagt Deusch dazu. „Das wollen wir in der nächsten Folge ein bisschen besser aufarbeiten.“

Das letzte Video wurde auf Facebook 16.648 aufgerufen – bei 85.000 „Gefällt mir“-Angaben. 45 Kommentare finden sich dort – viele aus der rechten Ecke: Jahnz sei ein dummes, antideutsches Huhn, ist dort zu lesen. Sie habe keine Ahnung, weil ihr die Lebenserfahrung fehle. Und lügen würde sie sowieso – die Großeltern hätten etwas ganz anderes erzählt.

Reicht das?

„Wenn wir so was lesen, fragen wir im Community-Management nach: In welchen Punkten denn?“, sagt Lea Deusch. „Da kommt aber keine Antwort mehr, weil es keine Argumente gibt, weil es geschichtliche Fakten sind.“ Auch Jahnz mischt sich ein und beantwortet Fragen oder reagiert auf Vorwürfe.

Aber reicht es, einfach Fakten zu benennen, um Verschwörungstheorien zu widerlegen? Kommt „Aluhut ab“ bei den richtigen Leuten an? Deusch sieht es positiv: „Wenn der ganze Freundeskreis glaubt, dass Merkel Stasi-Agentin war, ist es natürlich schwer, jemanden davon zu überzeugen, dass das nicht stimmt.“ Doch gerade die kritischen Kommentare unter den Videos würden zeigen, dass die Botschaft auch bei den Verschwörungstheoretikern ankomme. „Es durchbricht ihre Bubble. Das ist schon der erste Erfolg.“

Charlotte Jahnz hat noch eine andere Zielgruppen im Blick: „Es geht um die Unentschlossenen, die mitlesen und sich nicht trauen, etwas zu sagen. Oder die, die sich nicht sicher sind, ob das, was da steht, nicht vielleicht doch stimmt.“

Seit Januar sind zwei Folgen der Serie gelaufen, am 14. Mai ist die Veröffentlichung einer weiteren geplant. Bis zum Ende des Jahres sollen noch drei weitere veröffentlicht werden. Möglicherweise werden noch neue Folgen gedreht. Da legen sich die beiden Macherinnen bislang nicht fest.

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