Fahrgastrechte bei der Bahn: Eine desolate Situation
Anträge auf Erstattung des Fahrpreises bei Verspätung darf man nun online stellen. Aber kundenfreundlich wird die Bahn damit noch nicht.
E s ist schon ein arges Missverhältnis: Vier von fünf Kund:innen, so sagt es die Deutsche Bahn selbst, buchen ihr Ticket mittlerweile online – über die Website oder per App. Aber null von fünf Kund:innen können bislang auf diesem Weg Erstattungsansprüche geltend machen, wenn sich mal wieder eine Weiterfahrt auf unbestimmte Zeit verzögerte. Null von fünf Kund:innen? Nein. Denn natürlich haben in den vergangenen Jahren Start-ups die Marktlücke erkannt.
Der Deal: Die Kundin kann ihren Erstattungsantrag online über den Dienstleister einreichen. Der bekommt eine Provision und die Kundin spart sich das Ausdrucken zu Hause oder das Anstehen im Reisezentrum. Diese Firmen werden ab Juni wohl weniger zu tun haben. Dann nämlich, so hat es die Bahn am Montag mitgeteilt, können Fahrgäste ihre Anträge direkt online einreichen.
Fast fühlt sich das an wie eine kleine Revolution. Sie darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Situation in Sachen Fahrgastrechte insgesamt weiterhin ziemlich desolat ist. Zum Beispiel im europaweiten Zugverkehr. Wer durch verschiedene Länder reist und dabei aufgrund einer Verspätung einen Anschlusszug in einem anderen Land verpasst, darf sich mindestens auf lange Diskussionen und E-Mail-Korrespondenzen einstellen.
Und ab 2024 wird es noch ein Stück schlechter: Dann können sich europäische Bahnunternehmen in noch mehr Fällen auf „höhere Gewalt“ berufen. Zum Beispiel bei extremen Wetterbedingungen, die ja gerade häufiger zu erleben sind. Für die jüngst beschlossenen Verschlechterungen waren übrigens maßgeblich die EU-Mitgliedsstaaten verantwortlich, das EU-Parlament wollte mehr Rechte für Fahrgäste.
Das Problem ist: Jede Hürde, jede daraus resultierende schlechte Erfahrung hält Menschen davon ab, die Bahn zu benutzen. Und das ist klimapolitisch eine Katastrophe. Denn auch wenn es manche Partei noch nicht verstanden hat: Bahnfahren muss, auch auf Langstrecken, innerhalb Europas zum Standard werden. Und an diesem Ziel müssen sich auch die Rechte der Bahn-Nutzer:innen messen lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern