Fachkonferenz zur Demokratieförderung: Für eine wehrhafte Demokratie
Mit einer Fachkonferenz nimmt die Ampel am Mittwoch die Arbeit an einem Demokratiefördergesetz auf. Verbände und Expert:innen stellen Forderungen vor.
Im Sommer letzten Jahres hatte die SPD ein entsprechendes Gesetzesvorhaben für gescheitert erklärt, der Grund war Widerstand aus der Union. Nach dem Regierungswechsel legten die Ministerien im Februar ein Positionspapier vor und starteten das Beteiligungsverfahren.
Ziel dieses Gesetzes ist es, Extremismus zu bekämpfen und Projekte vom Bund zu finanzieren. Ausschlaggebend waren vor allem rechtsextreme Anschläge, die in den vergangenen Jahren zugenommen haben. Während staatlich finanzierte Förderungen bislang nur für eine Legislaturperiode galten, soll mit dem Gesetz eine langfristige Perspektive für überregionale Projekte geschaffen werden.
Verbände wollen Forderungen diskutieren
Cornelia Lotthammer vom Violence Prevention Network begrüßt diese Entwicklung: „Wir fordern eine langfristige Absicherung der fachlichen Expertise“, sagte sie der taz. „Bislang konnte man bei zivilgesellschaftlichen Trägern die Expert:innen nicht halten, wenn ein Projekt zu Ende ging.“ Die Organisation ist tätig in der Extremismusprävention und der Deradikalisierungsarbeit.
Zur Situation von radikalisierten Strafgefangenen erklärt Lotthammer, dass es wichtig sei, „überregionale Strukturen auch für Personen ohne intrinsische Ausstiegsmotivation“ zu schaffen. So sei Tertiärprävention von Strafgefangenen notwendig – also auf Menschen zugehen, die noch kein Interesse haben, ihre Ideologie zu verlassen. Eine dritte Forderung ist die Qualitätssicherung: eine Nachbetreuung für Strafgefangene, damit sie nach ihrer Entlassung nicht sich selbst überlassen werden.
Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, die sich gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus einsetzt, betont die Wichtigkeit der Stärkung einer „wehrhaften Demokratie“. Der taz sagte er, dass die Demokratie stärker gegen Angriffe verteidigt werden müsse – und dass er Ministerien in diesem Kontext „sehr passiv“ erlebe.
Betroffene mehr einbeziehen – und zwar dauerhaft
Er fordert, marginalisierte Menschen und Betroffene von rechter Gewalt in Diskussionen einzubeziehen: „Wir brauchen eine neue Form von Bürgerbeteiligung, damit wir von vornherein Partizipation mitdenken“, so Reinfrank. Außerdem soll es ein gesetzliches Recht auf Förderung geben. Laut Reinfrank fehlt es bislang vor allem an Geld für zivilgesellschaftliche Projekte: „Wir brauchen aber eine Demokratieinfrastruktur, und die ist nicht verhandelbar.“
Als dritten Punkt fordert er eine dauerhafte Beteiligung der Zivilgesellschaft. „Es kann nicht sein, dass wir anfangs gefragt werden, im Nachhinein aber nur Ministerien entscheiden. Die Wissenschaft und Expertise muss viel früher miteinbezogen werden.“ Die Verabschiedung des Gesetzes ist bis zum Jahresende geplant.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Die Wahrheit
Glückliches Jahr