FDP zieht Bremer Haushalt vor Gericht: Keine Subvention fürs Klima
Bremens FDP will gegen neue Schulden im laufenden Haushalt vor Gericht ziehen: Klimawandel begründet keine Notlage, so die Argumentation.
Und doch versucht die FDP an diesem Donnerstag die Bürgerschaft für ihren Haushalt vor den Staatsgerichtshof zu ziehen: Zu viele Schulden habe die rot-grün-rote Koalition gemacht, und das mit Segen der CDU als größter Oppositionspartei. Die Begründung der neuen Schulden mit der Klimakrise sei nicht verfassungskonform.
Weil die FDP eine echte Normenkontrollklage wie damals die CDU nicht einreichen kann, versucht die kleinste Oppositionspartei stattdessen, ein Organstreitverfahren anzumelden – die Minderheit in der Bürgerschaft klagt dabei gegen die Bürgerschaft selbst.
Offensichtlich hatte die Koalitionsregierung diese Art Verfahren nicht auf dem Schirm. Ob das Verfahren vor Gericht tatsächlich durchgeht, steht noch nicht fest – der Antrag wird erst am Donnerstagnachmittag eingereicht. Ein von der FDP selbst in Auftrag gegebenes juristisches Gutachten hatte der Partei aber offenbar gute Chancen eingeräumt.
Seit 2020 war jedes Jahr Krise
Tatsächlich besteht der aktuelle Haushalt mit seinen 5,7 Milliarden Euro Gesamtvolumen zu 1,3 Milliarden aus neuen Schulden. Dabei ist Bremen durch Schuldenbremse und Sanierungshilfegesetz eigentlich dazu verpflichtet, ab 2020 keine neuen Schulden mehr zu machen.
Faktisch hat diese Sperre noch nie gegriffen: 2020, da begann die Coronapandemie und Bremen argumentierte als eines der ersten Länder mit einer außergewöhnlichen Notlage. Für die sind in der Schuldenbremse Ausnahmen verankert. Bremen durfte seinen milliardenschweren Bremenfonds zur Abmilderung der Krise aufnehmen. Seitdem war jedes Jahr Ausnahme – und Krisenjahr: Corona, Ukraine, und eben auch: Klimakrise.
Den Krisenhaushalt von 2023 wollte die CDU nach dem verschärfenden Verfassungsgerichtsurteil nicht mehr durchgehen lassen und legte Klage ein. Entschieden ist noch nicht. Der Gefahr einer neuen Klage wollte man für 2024 entgehen – und holte die größte Oppositionspartei fürs Schuldenmachen einfach mit an Bord. In einem Deal einigten sich die drei Koalitionspartner SPD, Grüne und Linke mit der CDU im März auf die Aufnahme eines Sondervermögens von 450 Millionen Euro für den klimagerechten Umbau der Wirtschaft.
Besonders die Subventionen für den Umbau des Stahlwerks auf Wasserstoff und diverse andere Wasserstoffprojekte in Bremen und Bremerhaven sollten damit finanziert werden. Begründet wurde die Kreditaufnahme mit der Klimakrise. Die Koalition schützte ihren Haushalt, die CDU konnte sich staats- und vor allem wirtschaftstragend zeigen. Außerdem bekam die CDU für den Deal vom Wirtschaftsressort die Zusage für die Bereitstellung neuer Gewerbegebiete.
Zu den 450 Millionen Euro kamen weitere Schulden, etwa für die Finanzierung des Klinikverbundes Gesundheit Nord (Geno) und Geld für die angeschlagene Straßenbahn. Für diese zusätzlichen Schulden, begründet sind sie mit den Nachwirkungen der Coronakrise und mit dem Ukrainekrieg, gab es keinen Deal – die CDU zeigte sich empört und droht seit Monaten mit der Prüfung einer Klage.
Nun kommt ihr die FDP zuvor. Alle neuen Schulden, die mit Coronapandemie und Ukrainekrieg begründet werden, lässt die FDP in ihrer Klage außen vor – die Erfolgsaussichten dafür wären offenbar gering gewesen. Aber ausgerechnet den Teil, den die CDU mit abgesegnet hat, die Klimaschutzprojekte für Stahlwerk und Wasserstoff, hält sie für verfassungswidrig.
Die Begründung: Mit dem Klimawandel und den nötigen Gegenmaßnahmen könne man keine außergewöhnliche Notlage begründen. „Der Klimawandel ist nicht plötzlich über uns gekommen, sondern ist schon seit ein paar Jahren bekannt“, so FDP-Fraktionsvorsitzender Thore Schäck. Die Klimakrise, so wird durch ein Rechtsgutachten impliziert, das die FDP in Auftrag gegeben hat, ist bei aller Dringlichkeit doch politisches Alltagsgeschäft.
Thore Schäck, Fraktionsvorsitzender FDP Bremen
In Wirklichkeit steht im Artikel 115 des Grundgesetzes zur Schuldenbremse nichts dazu, dass eine Krise plötzlich auftreten muss, um Schulden zu begründen – nur „außergewöhnlich“ muss sie sein. Aber auch im Bremer Finanzressort weiß man: „Es ist nicht ganz neu in der Weltgeschichte, dass Krisen und Leid auftreten“, so Ressortsprecher Matthias Makosch im Mai dieses Jahres gegenüber der taz. „Wir müssen immer akribischer argumentieren, warum etwas eine Notlage ist. Und nach einiger Zeit muss man davon ausgehen, dass eine Krise zum Normalzustand wird.“
Dennoch, für 2024 gibt man sich im Ressort auch angesichts des bevorstehenden Antrags auf ein Organstreitverfahren zuversichtlich: „Der Krisenbezug der einzelnen Maßnahmen wird detailliert in den Ergänzungsmitteilungen zum Haushalt begründet.“ In der Tat wird dort jede Ausnahme von der Schuldenbremse en détail mit einer Krise in Verbindung gebracht – 1.300 Seiten lang sind die Ergänzungsmitteilungen.
Was aber passiert, wenn das Gericht den Antrag trotzdem annimmt? Was, wenn es am Ende entscheidet: Die Begründung für den Kredit war nicht verfassungsgemäß? Die FDP sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, die Zukunft des Bremer Stahlwerks aufs Spiel zu setzen – die Umstellung auf Wasserstoff wäre ohne die Millionenunterstützung von Bund und Land wohl schwer zu stemmen.
„Wir wollen ohnehin keinen Subventionswettkampf“, sagt dazu Schäck. „Wenn sich eine Umstellung lohnt, dann lohnt sie sich irgendwann auch ohne Förderung.“ Bisher hat sich das Stahlwerk trotz Förderzusage noch nie klar zu der Investition in Bremen bekannt. Sollte Bremen sich dennoch entscheiden, bestimmte Projekte zu unterstützen, solle es das Schritt für Schritt über 20 Jahre oder mehr tun – „Das ist dann auch aus dem Haushalt finanzierbar.“
Doch ob es überhaupt so weit kommen würde, ist mehr als fraglich: Denn ein Organstreitverfahren hat nicht die gleichen Folgen wie eine Normenkontrollklage. Die Klage kann dazu führen, dass das angegriffene Gesetz für nichtig erklärt wird – das ist beim Organstreitverfahren nicht der Fall.
„Sollten wir mit unserer Auffassung recht behalten, würde der Haushalt nicht für nichtig erklärt werden“ so Marcel Schröder, Rechtsexperte der FDP. „Es würde lediglich festgestellt werden, dass die Bremische Bürgerschaft das Haushaltsrecht des Parlaments verletzt hat. Rein theoretisch könnte der Senat dann immer noch sagen, er zieht den Haushalt so trotzdem durch.“ Ein derart offener Verfassungsbruch sei aber „noch nie vorgekommen“, so Schröder.
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