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Blockade auf dem Rücken von Mie­te­rn

Ein Gesetzentwurf für einen verbesserten Mieterschutz lässt auf sich warten. Warum? Er hängt im FDP-geführten Justizministerium fest. SPD und Grüne sind empört, schließlich brauchen Mie­te­r*in­nen dringend Entlastung. Auch beim umstrittenen Thema Indexmieten tut sich nichts

Schöner wohnen in der Mietwohnung: für viele Menschen bald nicht mehr erschwinglich Foto: Rupert Oberhäuser/imago

Von Jasmin Kalarickal

Eigentlich sollte der Gesetzentwurf für einen besseren Mieterschutz längst da sein. Die Zeiten dafür wären günstig, denn die Mieten steigen ungebremst. Laut einer Analyse des Immobilienportals Immowelt sind die Mieten in Berlin seit November 2022 um 27 Prozent gestiegen. Doch um Mie­te­r*in­nen zu entlasten, passiert leider wenig.

Im politischen Berlin rumort es seit geraumer Zeit, dass Justizminister Marco Buschmann (FDP) den Gesetzentwurf zu einer Mietrechtsnovelle aktiv zurückhält, weil er auf eine Einigung bei der Vorratsdatenspeicherung hofft, wo er mit der SPD-Innenministerin Nancy Faeser im Clinch liegt. Sprich: Mieterschutz nur gegen Datenschutz. Ausbaden müssen das offenbar die Mie­te­r*in­nen in Deutschland. Dabei ist das Kapitel zum Mieterschutz im Koalitionsvertrag der Ampel ohnehin recht überschaubar. Ein bundesweiter Mietendeckel, den sich SPD und Grüne hätten vorstellen können, war mit der FDP nicht umsetzbar.

Kappungsgrenze

Was gilt derzeit:

Generell dürfen Vermieter bestehende Mieten bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erhöhen. Sie müssen dabei aber einiges beachten. Damit Mie­te­r*in­nen nicht überfordert werden, gibt es die sogenannte Kappungsgrenze. Sie soll verhindern, dass Mieten in zu kurzer Zeit hochschnellen. Eine Miete darf demnach innerhalb von drei Jahren nicht mehr als 20 Prozent steigen. Dort wo Wohnraum besonders knapp und der Mietmarkt als sehr angespannt gilt, dürfen die Mieten nur um 15 Prozent in drei Jahren steigen. Die Landesregierungen können für die Dauer von fünf Jahren bestimmen, welche Wohnlagen als angespannt gelten. Mieterhöhungen aufgrund von Modernisierungen sind aber zusätzlich möglich.

Was ist geplant:

Im Koalitionsvertrag der Ampel ist vereinbart, die Kappungsgrenze in angespannten Märkten von 15 auf 11 Prozent zu senken.

Vereinbart sind nur drei Dinge: Erstens sollte die Kappungsgrenze in Gegenden mit Wohnraummangel von 15 Prozent auf 11 Prozent gesenkt werden. Das bedeutet: Mieten in angespannten Märkten dürfen innerhalb von drei Jahren nicht mehr als 11 Prozent steigen. Zweitens sollte die Mietpreisbremse bis zum Jahr 2029 verlängert werden. Drittens sollen qualifizierte Mietspiegel gestärkt und für Gemeinden über 100.000 Ein­woh­ne­r*in­nen verpflichtend werden. Zur Berechnung sollen die Mietverträge der letzten sieben Jahre herangezogen werden. Derzeit sind es sechs Jahre.

Die Preise explodieren. Jetzt drohen auch noch enorme Mieterhöhungen

Juristisch sind diese drei Vorhaben in der Umsetzung nicht sehr komplex. Dennoch lässt die Mietrechtsnovelle auf sich warten. Das Justizministerium plane „demnächst einen Gesetzentwurf vorzulegen“, heißt es auf Nachfrage. Dabei sagte das Ministerium bereits im Oktober 2022 zur taz, dass es „mit Hochdruck“ daran arbeite, bis Ende des Jahres einen Entwurf vorzulegen. Selbst Kanzler Olaf Scholz verkündete im Oktober 2022, am Bündnistag für bezahlbaren Wohnraum, vor laufenden Kameras, dass der Justizminister die vereinbarten Vorhaben im Mietrecht „noch in diesem Jahr vorlegen“ werde. Aber auch das Wort des Kanzlers scheint nicht viel wert zu sein. Die Frist ist jetzt zweieinhalb Monate überschritten. Interessant ist: Auf die Frage, ob ein fertiger Gesetzentwurf zurückgehalten werde, gibt es kein Dementi des Justizministeriums. Stattdessen nur den Verweis auf eine Aussage des Justizministers in einem Interview mit dem Tagesspiegel. „Wenn sich alle Seiten an den Koalitionsvertrag halten, können wir insgesamt zügig vorankommen“, sagte Buschmann darin. Bei den Koalitionspartnern wächst die Ungeduld. „Mich ärgert zunehmend, dass sich der Bundesjustizminister weigert, die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags umzusetzen“, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete Zanda Martens der taz. Sie betont die Dringlichkeit: „Die Zeit vergeht, die Mieten steigen – beides lässt sich nicht wieder zurückdrehen.“ Das Hinauszögern schade nicht nur „Ansehen und der Stimmung in der Koalition“, gravierender seien die Folgen „für die Menschen in diesem Land, denen bei explodierenden Preisen jetzt auch noch Mieterhöhungen oder gar Wohnungslosigkeit drohen“. Ähnlich sieht es die Grünen-Bundestagsabgeordnete Hanna Steinmüller: „Es ist falsch, bereits getroffene Vereinbarungen von anderen Gesetzesvorhaben abhängig zu machen“, kritisierte sie gegenüber der taz. Offenbar geht sie davon aus, dass der Justizminister Tauschhandel betreibt. Wie Martens drängt Steinmüller auf eine schnelle Umsetzung der Koalitionsvorhaben.

Mietpreisbremse

Was gilt derzeit:

Die Mietpreisbremse bezieht sich auf Neu- oder Wiedervermietungen. Wenn ein Mietvertrag in einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt abgeschlossen wird, darf die Miete bei Vertragsabschluss die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um 10 Prozent übersteigen. Die Landesregierungen legen fest, wo ein angespannter Wohnungsmarkt vorliegt. Die Mietpreisbremse gilt bislang bis 2025. Sie wird aber wegen zahlreicher Ausnahmen bemängelt. Zum Beispiel gilt die Mietpreisbremse nur für Gebäude, die erstmals nach dem Oktober 2014 bezogen wurden. Oder: Wenn eine Wohnung umfassend modernisiert wurde, kann die Mietpreisbremse auch ausgehebelt werden.

Was ist geplant:

Die Mietpreisbremse soll bis zum Jahr 2029 verlängert werden.

Doch derzeit ist nicht klar, ob der Justizminister überhaupt alle vereinbarten Vorhaben umsetzen will. Auf Nachfrage, was neu geregelt werden soll, nennt sein Ministerium die Verlängerung der Mietpreisbremse bis 2029, die Senkung der Kappungsgrenze und dass „Gemeinden über 100.000 Einwohner dazu verpflichtet werden, einen qualifizierten Mietspiegel zu erstellen“. Was aber fehlt: dass zur Berechnung von Mietspiegeln die Mietverträge der letzten sieben Jahre herangezogen werden sollen anstatt wie derzeit sechs.

Indexmietverträge

Was gilt derzeit:

Seitdem die Inflation stark steigt, stehen die Indexmietverträge in der Kritik. Sie sind aber kein neues Phänomen. Die Miethöhe wird nach dem Verbraucherpreisindex berechnet, der jährlich vom Statistischen Bundesamt erhoben wird. Die Miete korreliert also mit der Inflation. Eine Erhöhung kann einmal pro Jahr vonseiten der Ver­mie­te­r*in­nen durch eine schriftliche Ankündigung erfolgen. Theoretisch kann die Miete bei sinkender Inflation auch abgesenkt werden, das muss aber aktiv vonseiten der Mie­te­r*in­nen eingefordert werden. Aus Sicht von Mie­te­r*in­nen gibt es einen Vorteil: Modernisierungskosten können nicht wie bei herkömmlichen Mietverträgen auf die Miete umgelegt werden, außer es handelt sich um gesetzlich vorgeschriebene Modernisierungen. Besonders kritisch ist aber ein Punkt: Bei der Festlegung der Ausgangsmiete gilt zwar die Mietpreisbremse. Im weiteren Verlauf gibt es aber keine weitere Begrenzung der Miethöhe – auch die Kappungsgrenze gilt nicht für Indexmietverträge.

Was ist geplant:

Im Koalitionsvertrag steht nichts dazu, damals war das Problem aber noch nicht so drängend. SPD und Grüne fordern eine Regulierung der Indexmietverträge. Auch der Bundesrat hat von der Bundesregierung

gefordert. Das Bundesjustizministerium sieht derzeit keinen Handlungsbedarf.

Letzteres mag detaillistisch klingen, ist aber wichtig: Denn die Berechnungsmethode des Mietspiegels ist entscheidend, wie schnell die Mieten steigen können. Ein längerer Berechnungszeitraum hat einen dämpfenden Effekt auf die Mietpreisentwicklung, denn ältere Mietverträge sind in der Regel auch günstiger. Die SPD wollte in ihrem Wahlprogramm den Betrachtungszeitraum auf acht Jahre erweitern, die Grünen sogar auf 20 Jahre. Sieben Jahre waren der Kompromiss mit der FDP. 2022 hat das Bundesjustizministerium das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung beauftragt, in einer Simulationsrechnung zu erörtern, welchen Unterschied eine Erweiterung auf sieben Jahre machen würde. Das Resultat, das der taz vorliegt, besagt, dass eine Erweiterung auf sieben Jahre nur einen sehr geringen mietdämpfenden Effekt hätte. Das Justizministerium sei bereit, ganz darauf zu verzichten, heißt es aus Ministeriumskreisen. Offiziell heißt es von einem Sprecher aber, dass man dazu keine Angaben machen könne.

Schonfristregelung

Was gilt derzeit:

Laut Gesetz gibt es bei einer fristlosen Kündigung eine Schonfristregelung. Das heißt: Wenn eine Mie­te­r*in innerhalb von zwei Monaten die Mietschulden begleicht, wird die fristlose Kündigung unwirksam. Bei einer ordentlichen Kündigung gibt es diese Schonfristregelung aber nicht – das wird schon seit Langem als Gesetzeslücke kritisiert.

Was ist geplant:

Im Koalitionsvertrag wird das Thema Schonfristzahlungen aufgegriffen, allerdings sehr schwammig: „Um die Ursachen drohender Wohnungslosigkeit zu beseitigen, werden wir das Mietrecht, insbesondere dort, wo Schonfristzahlungen dem Weiterführen des Mietverhältnisses entgegenstehen, evaluieren und entgegensteuern.“

Auf Nachfrage beim Justizministerium, ob eine Veränderung geplant ist, heißt es, dazu könne man derzeit keine Angaben machen.

Es gibt noch einen weiteren Punkt: die Indexmieten. Es handelt sich dabei um spezielle Mietverträge, die an die Inflation gekoppelt sind und die unbegrenzt steigen können. Der Deutsche Mieterbund berichtet, dass vor allem in den Metropolen die Zahl der Indexmietverträge bei den Neuvermietungen rasant ansteigt. Überraschend ist das nicht: mit der hohen Inflation sind sie für Ver­mie­te­r*in­nen besonders lukrativ. Die Kritik an Indexmietverträgen ist enorm. Der Bundesrat, das Bundesbauministerium, die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen sowie der Deutsche Mieterbund sehen akuten Handlungsbedarf. Auch die Landesjustizministerin von Baden-Württemberg, Marion Gentges (CDU), hat den Bundesjustizminister aufgefordert zu handeln. Die Linkspartei geht noch weiter und möchte Indexmieten ganz verbieten. Und überraschend ist: Selbst die Berliner CDU hat sich für ein Verbot von Indexmieten ausgesprochen.

„Anstatt aber eine der vielen Lösungsmöglichkeiten aufzugreifen, bleibt der Minister untätig. Obwohl die Kosten der Vermieter nicht in diesem hohen Maße steigen, lässt der Minister sie weiter kassieren“, kritisiert SPD-Politikerin Zanda Martens. Trotz Kritik gibt sich das Bundesjustizministerium unbeirrt: Es sieht derzeit keinen Handlungsbedarf.

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