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FDP stützt Kolonialismus-ForschungHamburger Kaufmannssünden

Alexander Diehl
Kommentar von Alexander Diehl

Opposition gewitzt: Ausgerechnet die Kaufmannspartei FDP gibt sich beim kolonialen Erbe aufklärungswilliger als Hamburgs rot-grüner Senat.

Drei Bronzen aus aus dem ehemaligen Königreich Benin in Westafrika, 2018 ausgestellt im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Hamburg hat eine schwierige koloniale Vergangenheit. Die Hansestadt profitierte wirtschaftlich von Handelswaren, die unter Zwangsarbeit und Sklaverei hergestellt wurden. Hanseatische Kaufleute unterstützten die Etablierung deutscher Kolonien maßgeblich.“

Nanu! Haben sie da an der Elbe endlich die immer wieder angekündigte kritische Kommentierung hinbekommen für ihr absurd großes Bismarck-Denkmal? Nicht doch – gesagt (beziehungsweise geschrieben) hat diese radikalen Sätze jetzt der FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Sami Musa. Ja, Sie haben das richtig gelesen: einer von zwei derzeit im Hamburger Parlament sitzenden Liberalen.

Nun geht es in solchen Hohen Häusern nur selten um anlasslose, grundsätzliche Wahrheitsfragen, dafür umso öfter um des Parlaments nobelste Aufgabe, ja, sein „Königsrecht“: darüber zu entscheiden, was die öffentliche Hand wofür ausgibt. Eine fehlende Finanzierungszusage nämlich stiftet den Anlass für Musas Ausflug in die postkoloniale Rhetorik: Er bemängelt, dass die durch den Handel reich gewordene Stadt – genauer: der rot-grüne Senat – sich bislang nicht dazu durchringen kann, die Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe“ auf solide Füße zu stellen. Es wirke, als sei deren Gegenstand den zuständigen Behörden, also der für die Kultur sowie jener für die Wissenschaft, „unangenehm“, so Musa. Und weiter: „Wir fordern eine Weiterfinanzierung der Forschungsstelle, die im weltweiten Vergleich herausragende wissenschaftliche Arbeit leistet.“

Wertschätzung ja, Geld nein

Die Hamburger FDP-Bundestagsabgeordnete Ria Schröder sekundierte: „Die Forschungsstelle betreibt wichtige wissenschaftliche Arbeit und bemüht sich auch um eine breite Vermittlung an die Öffentlichkeit“, erklärte die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion. Und verlangte, „die Finanzierung sicherzustellen, um Deutschlands und Hamburgs führende Rolle in diesem Bereich zu erhalten“.

Der Hinweis auf eine möglicherweise Schaden nehmende Außenwirkung öffnet in Hamburg viele Türen – normalerweise. Woran hakt es hier? Musa hat schon mehrfach zu erfragen versucht, wie die Landesregierung es hält mit der Zukunft der Forschungsstelle – das macht sonst allenfalls mal die Linksfraktion.

Ende Januar erst beantwortete der Senat eine seiner entsprechenden Anfragen – beziehungsweise er antwortete eigentlich nicht: Musas insgesamt neun Punkten begegnete man mit einer länglichen Bemerkung etwa dazu, dass die Kulturbehörde derzeit doch eine „Senatsstrategie“ mit dem Titel „Hamburg dekolonisieren!“ vorbereite. Auch setze man sich ja „auf Bundesebene für eine Verstetigung“ ein. Ach ja, zudem sei die Forschungsstelle doch auch sehr gut im Einwerben von Drittmitteln.

„Ich bin der FDP sehr dankbar, dass sie das Thema aufgreift“, sagte am Dienstag vergangener Woche der Leiter der Forschungsstelle, der Historiker Jürgen Zimmerer. Immer wieder habe der Senat zwar seine Wertschätzung für die Forschungsstelle geäußert und ihr „eine Schlüsselrolle für die zukünftige Aufarbeitung des kolonialen Erbes“ sowie von bis zu zehn Millionen Objekte aus kolonialen Kontexten zugewiesen. Bloß, eben, das mit dem Geld.

Zimmerer beziffert „einen doch sehr überschaubaren Finanzbedarf von einer halben bis einer Dreiviertel Million Euro“ – und klingt geradezu versöhnlich, wenn er sagt: „Hamburg hat nicht nur ein Problem mit dem kolonialen Erbe, es hat auch eine Lösung.“ Um seine ­Forschungsstelle würden „uns andere Städte ­beneiden“.

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Alexander Diehl
Redakteur taz nord
Wollte irgendwann Geisteswissenschaftler werden, ließ mich aber vom Journalismus ablenken. Volontär bei der taz hamburg, später auch mal stv. Redaktionsleiter der taz nord. Seit Anfang 2017 Redakteur gerne -- aber nicht nur -- für Kulturelles i.w.S.
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