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FDP bei der BundestagswahlLindner kündigt Rückzug an

Laut Hochrechnungen könnte die Partei den Einzug in den Bundestag verpassen. Parteichef Lindner kündigt für diesen Fall persönliche Konsequenzen an

Etwas kleinlaut: FDP-Chef Lindner nach den ersten Prognosen Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Berlin taz | Gebannte Stimmung bei der FDP: Nach den Hochrechnungen am Abend droht die Partei knapp an der Fünfprozenthürde zu scheitern. Mit 4,8 Prozent der Stimmen würde sie den Einzug in den Bundestag verpassen. Bei der ersten Prognose um 18 Uhr ging trotzdem ein Jubelschrei durch die Parteizentrale in Berlin, denn zunächst wurde die FDP bei genau 5 Prozent gesehen. Bis spät in die Nacht harrten die Liberalen aus, ob sich das Blatt noch wendet.

Für Christian Lindner ist das knappe Ergebnis der FDP enttäuschend. „Es ist eine Niederlage für uns Freie Demokraten“, sagte er, als er kurz nach 19 Uhr die Bühne betrat. Die FDP habe zu wenige Menschen erreicht und habe weder die Erfolge aus der Ampel noch den Austritt aus der Regierung gut verkaufen können. „Heute Abend werden wir noch starke Nerven behalten müssen.“

Lindner kündigte seinen Rückzug an, sollte die FDP aus dem Bundestag ausscheiden. Am Montag könne seine politische Laufbahn enden, sagt er in der ARD, sollte sich das schlechte Ergebnis bestätigen. „Dann ist mein Führungsanspruch erloschen.“

Der Wahlkampf für ihn glich einem Ritt auf der Rasierklinge. In dem Umfragen lagen die Liberalen zuletzt stets zwischen 3,5 und 5 Prozent. Für den Parteichef ist das Wahlergebnis nicht zuletzt auch karriereentscheidend: Lindner, der die Partei seit mehr als elf Jahren führt und streng nach seinem wirtschaftsliberalen Profil ausgerichtet hat, stand am Sonntag selbst mit zur Wahl. 2021 erzielte die FDP noch 11,5 Prozent.

Ein direkter Nachfolger ist nicht in Sicht

Mit Lindners Rückzug würden die Probleme für die FDP erst so richtig losgehen, denn ein direkter Nachfolger fehlt. Namen, die für den Fall seines Rückzugs immer wieder genannt werden, sind der stellvertretende Fraktionschef Konstantin Kuhle, der parlamentarische Geschäftsführer Johannes Vogel, sowie die prominente Europapolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann.

Lindner führte den Wahlkampf aus einer geschwächten Position. Er brachte die Partei in Schwierigkeiten, als er einem restriktiven Migrationsgesetz der CDU mit AfD-Stimmen im Bundestag zur Mehrheit verhelfen wollte, doch große Teile seiner Fraktion ihm bei der Abstimmung die Gefolgschaft verweigerten. Gesellschaftlich liberalere Abgeordnete wie Kuhle und Vogel lehnten diesen Kurs ab, was als offener Bruch bewertet wurde.

Das Ende der Ampel hatte dann für einige in der FDP einen faden Beigeschmack. Obwohl etwa die Hälfte der Basis das Ende der Regierung wünschte, herrschte Unzufriedenheit mit der Kommunikation der Parteiführung. Diese soll die Ampelregierung seit dem Herbst gezielt hintertrieben und den Bruch provoziert haben. In Folge der „D-Day-Affäre“ trat FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zurück.

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16 Kommentare

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  • Die gute Nachricht: Querulanten wie Lindner und Wagenknecht dürfen nach Hause gehen.

  • Ich würde mir Jens Teutrine als Parteichef wünschen. Wenn man dem zuhört versteht man was eigentlich unter Liberalität zu verstehen ist. Wenn echte Liberale wie er (es gibt auch noch einige ) andere sich gegen die Klientelisten und Egomanen durchsetzen könnten, wäre diese Partei definitiv meine Wahl.

  • Ein kleiner Sonnenstrahl am braun verhangenen Wahlhimmel: Die Parteien des Grosskapitals ( West) und des russischen Faschismus in Deutschland ( BSW) sind raus.



    Darauf einen Hopftensteiner! Cheers, Chrissi! Und tschüß!

  • Die Bedeutung der FDP-Niederlage kann man kaum überschätzen. Wäre die FDP reingekommen, so hätte dies die Regierungsbildung enorm erschwert, außerdem wäre natürlich eine Regierung mit FDP-Beteiligung dabei herausgekommen - was das anschließende Regieren ebenfalls enorm erschwert hätte. Schwein gehabt, Deutschland!

    Was die FDP selbst betrifft: Sie hat jetzt die Chance, sich zu erneuern. Möglicherweise findet sie ja doch noch zurück zu altem Glanz, auch wenn das nicht sonderlich wahrscheinlich ist.

  • Na ja, um Lindner brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Der hat bestimmt bereits den einen oder anderen gut dotierten Beratervertrag in der Tasche...

  • Ich bin kein FDP Fan.



    Aber das ist, zusammen mit der Wählerwanderung zur "afd" kein gutes Zeichen für unsere Demokratie.

  • "Lindner, der die Partei seit mehr als elf Jahren führt und streng nach seinem wirtschaftsliberalen Profil ausgerichtet hat, stand am Sonntag selbst mit zur Wahl."



    Wirtschaftsliberal ist auch die Union in weiten Teilen, Bürgerrechte vertreten auch andere und die anderen "ancienten" liberalen Kernthemen sind ebenfalls besetzt und vertreten.



    Ein unverlässlicher Partner für Merz wäre das letzte gewesen, was Deutschland nach vorn bringt.



    Merz waren die wenigen Prozentpunkte der FDP so egal, dass er und Linnemann das auch öffentlich noch verkündet hatten.



    Die Verluste der FDP gehen zu erheblichen Teilen auf den unrühmlichen Abgang in der Ampelkoalition zurück. Das ist Lindners Handschrift gewesen.



    Diesmal nicht Zünglein an der Waage:



    Aus dem Archiv



    "Er wurde Vorsitzender, als die Freien Demokraten um fast jeden Preis in die Bundesregierung zurückdrängten, und er sah sich Bundestagswahlen konfrontiert, deren Konstellation ein Höchstmaß an taktischem Opportunismus und ein Niedrigstmaß strategischer Grundsatztreue zu verlangen schien."



    Quelle spiegel.de ❗1962 über Erich Mende

  • Konnten keine Reserven mehr anwerben nach der “offenen Feldschlacht“. Man liebt den Verrat, aber man hasst den Verräter.

  • Oh, wie schaaade! Oh, wie schaaAade...

  • Ich wette der ist schneller im Bundestag zurück als das eine neue Regierung steht...🙊



    Als ehemaliger Finanzminister muss er ja keine Karenzzeit einhalten, oder?



    Thematische Nähe zu - sagen wir mal Lobbyist für Porsche - besteht da ja nicht...😂



    Das einzige was sich für Lindner wechselt ist der Eingang auf dem Konto, der dürfte sich fulminant erhöhen...

  • Der Chefstewart verläßt das versenkte Schiff....Und versucht im Meer des Geldes zu schwimmen....



    Denn der Herr Lindner sich jetzt zu den Rentnern gesellt, die mit viel zu großen Wohnmobilen die Straßen Europas unsicher machen, glaubt ja wohl niemand.



    Vielleicht fingert der Herr Merz ja etwas mit seinen alten Kontakten bei Blackrock...so wie er damals seine Polit-Kontake bei dem Verein zu Geld gemacht hat.



    Die Variante sich wie ehemals ein Adelinger Ex-Minister über den großen Teich aus dem europäischen Rampenlicht an eine Universtiät/Think Tank abgeseilt hat, dürfte angesichts der neuen Lage in den USA wohl nicht mehr zur Verfügung stehen...Zuviel Migrationsvordergrund.

  • Ja bitte. Und bitte auch nie wieder in der Politik auftauchen.

  • Und Tschüss.

  • Mitleid? Null. Lindner hatte eine Gestaltungs-Chance. Anders als Wissing & Co. in Rheinland-Pfalz hat Lindner es versemmelt und verrannte sich immer weiter in



    - Destruktion



    - Auto-Retro



    - Selbstdarstellung.



    Der FDP acht Jahre außerparlamentarisch zur Regeneration.

    Lindner wird jetzt noch ein paar Monate so genannte "Reden" für gutes Geld halten, dann gönne ich ihm Hausmann-Dasein, das hoffentlich erfolgreicher sein wird.

  • Man kann nur froh sein, dass Gerhardt Baum das nicht mehr mit ansehen muss. Mich würde interessieren, wer die 4,7 % sind.

  • Deutschlands frechster Arbeitsloser.