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FDP-ParteitagBangen um den schwarz-gelben Traum

Die Liberalen sind angeschlagen. Doch Christian Lindner versucht sie auf dem FDP-Parteitag als einzige Rettung vor Schwarz-Grün in Szene zu setzen.

Optimistische Liberale: Auf dem Parteitag träumt die FDP von der Regierungsbeteiligung Foto: Michael Kappeler/dpa

Potsdam taz | Am Anfang donnern dröhnende Gitarrenriffs durch die Metropolishalle in Potsdam. Der Sound ist übersteuert, die Blitzlichtwellen erinnern an Rockkonzerte. Von dem aufmunternden Text sind nur Fetzen zu verstehen. „Ändern wir jetzt die Politik, bevor es 2029 die Falschen tun“, steht in riesigen schwarzen Lettern auf gelbem Hintergrund. Die FDP also als letzte Ausfahrt vor der AfD-Mehrheit? Die FDP mag es zwei Wochen vor der Wahl dramatisch.

„Es geht um mehr als Wirtschaft und Migration. Es geht um alles“, heißt es im Leitantrag. Diese Pathosformel hat einen Doppelsinn. In den Umfragen dümpelt die Partei bei 4 Prozent. Wolfgang Kubicki sieht die Liberalen vor einem Endspiel. Wenn die Partei an der Fünfprozenthürde scheitere, werde sie „über kurz oder lang aufhören zu existieren“, so der FDP-Vize in der Welt am Sonntag.

Dieses Szenario beschäftigt manche. Am Rande des Parteitags sagt ein Funktionär, anders als im Endspurt zur Bundestagswahl 2013, als die FDP aus dem Bundestag flog, hätten bislang keine Mitarbeiter im Genscher-Haus gekündigt. Immerhin.

Die Lage ist schwierig. Parteichef Christian Lindner ist geschwächt, seit Teile der Fraktionsspitze ihm bei den Migrationsanträgen im Bundestag die Gefolgschaft verweigerten. Die FDP-Spitze betont zwar, die gesamte Partei wolle eine restriktivere Einwanderungspolitik. Doch Fraktionsvize Konstantin Kuhle, Vertreter des so­zial­liberalen Flügels, trug den Kurs, für das Zustrombegrenzungsgesetz mit der AfD im Bundestag abzustimmen, nicht mit – wie 22 andere liberale Mitglieder des Bundestags. Gespalten in einer zentralen Frage kurz vor der Wahl – schlechtes Timing.

Merz stichelt gegen FDP

Und dann kracht es auch noch im bürgerlichen Lager. Union-Kanzlerkandidat Friedrich Merz ätzte, dass „4 Prozent 4 Prozent zu viel für die FDP“ seien – ein Frontalangriff auf die Existenz der Liberalen. In Potsdam beschwor Kristina Schröder, Ex-CDU-Familienministerin, schwarz-gelbe Gemeinsamkeiten. Union und FDP müssten zusammen „woke Deutungsmacht“ bekämpfen. Es müsse nicht so sein, dass „die FDP gewinnt, was die Union verliert“ – und vice versa. Die FDP müsse Nichtwähler mobilisieren. Doch das klang nach Wunschdenken. In der Union spielt Schröder machtpolitisch keine Rolle mehr. Im schwarz-gelben Lager herrscht zwei Woche vor der Wahl eher Krieg als Kampf.

Christian Lindner stichelt in Potsdam am Ende einer umjubelten Rede zurück. Friedrich Merz werde als Kanzler ein „Fall für betreutes Regieren“. Dass Merz Mehrheiten mit der AfD in Kauf genommen habe, zeige dessen Grenzen. Denn eine wünschenswerte härtere Migrationspolitik könne sowieso nur die neue Bundesregierung durchsetzen. „Welche Berater hat Friedrich Merz?“, fragt Lindner. Außerdem habe Merz mit den Migrationsanträgen im Bundestag dafür gesorgt, dass Mi­gration Wirtschaft als Thema Nummer eins im Wahlkampf verdrängt habe.

Dass die FDP in der Frage im Bundestag gespalten war, erwähnte der FDP-Chef nicht. Zudem ließ der FDP-Chef die bekannten liberalen Thesen Revue passieren. Nur die FDP werde die Wirtschaft wieder in Schwung bringen. Viele würden in Deutschland „Arbeit für die lästige Unterbrechung der Freizeit“ halten. Robert Habeck, Lieblingsfeind der FDP, sei „die größte Wachstumsbremse in dem Land“.

Lindner erneuerte die Ansage, die FDP werde keinesfalls mit den Grünen regieren. Nur wer FDP wähle, verhindere eine drohende schwarz-grüne Regierung, die dem irrlichternden Merz zuzutrauen sei. „Die entscheidende Frage ist: Lindner oder Habeck im Kabinett?“, ruft Lindner in den Saal in Postdam. Die liberalen Delegierten springen begeistert auf. Mit dieser Formel scheint der FDP-Chef die Partei hinter sich zu versammeln. Dass eine schwarz-gelbe Mehrheit am 23. Februar ein Wunder wäre, interessiert in diesem Moment nicht.

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14 Kommentare

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  • Mal sehen ab wann die FDP nun Geschichte sind. Noch sind sie ja auch in ein paar Landesparlamenten vertreten.



    Hoffentlich sind diesmal alle Versicherungsbeiträge der



    Mitarbeiter bezahlt.



    Diese FDP braucht so gut wie keiner.

  • Wer von Lindner beim Regieren betreut werden will oder muss, braucht keine Opposition mehr.



    Ich habe seit längerem den Heimkinositz mit Popcorn vorbereitet.



    Es wird politisch nicht weiterführend, aber amüsant.

    • @aujau:

      👍👍

  • Schon lustig, wie Schwarz-Gelb gepredigt wird, und selbst bei 10% für die FDP keine Regierungsmehrheit hätte... ja, der Christian und die Mathematik...

  • Ich denke:



    Wenn Herr Lindner nach der Wahl nach Hause geht, wäre das gut für das Land, dass noch immer auf die Erklärung an Eides statt von ihm wartet, keine Kenntnis vom D-Day Konzept zum Sturz der Ampel gehabt zu haben.

  • „Sich gemeinsam geil finden" taz.de/Selfie-von-...-und-FDP/!5800695/



    Oder lieber doch allein?



    Friedrich Merz ist so gemein. 😭

    • @starsheep:

      Jetzt mal nicht übertreiben, da war früher mehr Lametta. Sie waren bestimmt auch nicht unentschieden im hitzigen Diskurs der Achtziger.



      Gegen den Altmeister der Beschimpfungen ist der Sauerländer ein Waisenknabe.



      "Seine Redekunst hatte den bayerischen CSU-Chef Franz Josef Strauß zu einer Art politischen Popstar werden lassen. Als er 1980 für die Unions-Parteien Helmut Schmidt herausforderte und Kanzler werden wollte, bespielte er die großen Hallen, Plätze und sogar Fußballstadien. Wo sich nicht zuletzt seine Gegner versammelt hatten und lautstark „Stoppt Strauß“ skandierten."



      Bei fr.de



      Das war ein megastarker Wahlkampf und ein Höhepunkt der Politisierung der Jugend.

      • @Martin Rees:

        Kurz vor meinem 18. Geburtstag war die Wahl.



        "Kanzler Strauß - dann wandr ich aus."



        "Stoppt Strauß solange es noch geht."



        Und nicht zu vergessen das Poster mit den Zitaten.

        • @aujau:

          Lindner stoppt Lindner. Wer stoppt Merz?



          Schwarz/Gelb bedeutet das Schleifen von Klimaschutz, Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz, Umweltschutz, Naturschutz und Tierschutz. Sie nennen es „Bürokratieabbau“. Prüfung der Einhaltung von Regeln nennen sie „Kontrollwahn“. Sie setzen auf „Selbstverpflichtung“. Und die regelt der Markt.

  • "Bangen um den schwarz-gelben Traum"

    Korrektur:



    Bangen vor dem schwarz-gelben Albtraum

  • Na gut, Linder wollte es wissen. Lieber schlecht regieren als nicht regieren funktioniert nicht. Jedenfalls nicht für die FDP. Interessant sind doch die Verluste der Ampelparteien:



    SPD: von 25.7 auf 16.0, 38%



    Grüne: von 14.7 auf 12.0, 18%



    FDP: von 11.4 auf 4.0, 65%.

    Das heisst doch, dass im Wesentlichen die Grünen von der Ampel "profitiert" bzw den Kurs der Ampel bestimmt haben. Und das hat der FDP überhaupt nicht gut getan. Eine klare Abgrenzung wäre notwendig, aber ob dafür 2 Wochen ausreichen das wage ich zu bezweifeln.

  • Wer erneut auf die FDP hereinfällt, dem ist nicht mehr zu helfen.

  • Ein FDP Parteitag wie er sein soll - voller Plattitüden - einfach nur HOHL 🤑

  • Irendwie irrlichtern schwarz und gelb gerade mächtig umher. Da werden mit einer Inbrunst die einzig möglichen Koalitionspartner verunmöglicht, so als spielten die realen Machtoptionen keine Rolle.



    Die cdu immerhin kann sich sicher sein, dass nach der Wahl kein Weg an ihr vorbeiführt, aber Koalitionsoptionen gibt es nur wenige, bei der fdp schon mal gleich gar keine.



    Aber einer Partei, die sich von einem Möchtegern a la Lindner durch die Manege zerren lässt, ist nicht mehr zu helfen.



    Dass ein Vorsitzender, der die fdp so in Umfragetiefs geführt hat, ihr alle Machtoptionen verbaut hat, unangefochten Vorsitzender bleibt, ist schon bemerkenswert.



    Anscheinend glaubt Lindner kaum noch ein Wähler seine "Anpacken"-Werbung, hat er doch bisher eigentlich nur blockiert und Fundamentalopposition betrieben.