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FDP-Generalsekretärin über Lehrergehalt„Die Besten der Besten belohnen“

Die FDP möchte Lehrer nach Leistung bezahlen. Auch wer an Brennpunktschulen arbeitet, soll profitieren, sagt FDP-Generalsekretärin Nicola Beer.

Zahlt es sich für mich aus? Das fragen sich viele Lehrkräfte, meint Nicola Beer Foto: dpa
Anna Lehmann
Interview von Anna Lehmann

taz: Frau Beer, die FDP will Lehrkräfte nach Leistung bezahlen. Wollen Sie Noten vergeben?

Nicola Beer: Ich glaube, dass die Schulleitungen ein sehr gutes Gefühl dafür haben, welche die Lehrkräfte in ihren Kollegien sind, auf die sie sich 100-prozentig verlassen können. Und welche die sind, bei denen häufig andere einspringen müssen oder die Entwicklungsbedarf haben. Das sind Dinge, die in einem normalen Unternehmen ebenfalls in die Bezahlung einfließen.

Wie misst man Lehrerleistungen?

Im Schulbetrieb liegen viele Daten vor, zum Beispiel aus den Vergleichsarbeiten, die in verschiedenen Fächern durchgeführt werden. An diesen Daten müsste interessieren, welche Entwicklungsverläufe Schüler nehmen. Eine derartige Langzeitevaluation wäre ein wichtiger Parameter.

Wenn Schüler sich verschlechtern gibt’s Abzüge für die Lehrerin?

Das kann man sicher nicht eins zu eins übernehmen, aber man kann es einbeziehen. So wie weitere Parameter, zum Beispiel die Bereitschaft, in einer Brennpunktschule zu unterrichten und sich besonders großen Herausforderungen zu stellen.

Lehrer an Schulen mit vielen Schülern aus Hartz-IV-Haushalten sollten besser verdienen als Studienräte am Gymnasium im Villenviertel?

Mit dem Bildungsgang hat das nichts zu tun. Aber es ist schon ein Unterschied, ob ich im Villenviertel in einer Oberstufe unterrichte, oder ob ich versuche, Kindern an einer Grundschule im Brennpunkt eine feste Grundlage für den weiteren Bildungsweg zu geben. Wir sollten grundsätzlich wegkommen von einem starren Laufbahnrecht – je länger ich dabei bin, desto besser werde ich bezahlt.

Haben Sie schon ein Modell erarbeitet?

Wir sprechen gerade mit Erziehungswissenschaftlern als Grundlage für so ein Modell.

Glauben Sie, dass das bei den Lehrkräften gut ankäme?

Bild: Laurence Chaperon
Im Interview: Nicola Beer

Nicola Beer,48, ist seit 2013 Generalsekretärin der FDP. Von 2012 bis 2014 war sie hessische Kultusminis­terin. Im Deutschen Bundestag ist Beer derzeit Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung.

Ja. Ich glaube, dass es der Frustration vieler Lehrkräfte entgegenwirken könnte. Gerade die, die sich besonders reinknien, hier noch eine Arbeitsgemeinschaft betreuen, dort noch eine Aufgabe übernehmen und immer mit auf Klassenfahrt gehen. Ich erlebe, dass sich viele von diesen Lehrkräften nach ein paar Jahren fragen: Zahlt es sich für mich aus? Nein, dann lasse ich es.

Zurzeit werden Lehrer an Gymnasien am besten bezahlt, an Grundschulen verdienen sie weniger, und am wenigsten verdienen Erzieher. Müsste man das nicht angleichen?

Nicht als Regelbesoldung. Es gilt, ein System zu entwickeln, dass die Besten der Besten belohnt. Es kann ja nicht sein, dass eine ausgezeichnete Grundschullehrerin weniger verdient als ein schlechter Mathematiklehrer in der Oberstufe.

Haben Sie schon berechnet, was das kostet?

Nein. Aber wir glauben, dass man gesamtgesellschaftlich mehr in Bildung investieren muss, also auch in die Besoldung. Das ist ja auch die Debatte, die wir im Zusammenhang mit der Grundgesetzänderung führen werden. Uns Freien Demokraten reicht es eben nicht, wie von der Groko vorgeschlagen, nur in Beton zu investieren, sondern wir wollen auch in Qualität investieren.

Nächste Woche wird die Grundgesetzänderung im Bundestag debattiert. Eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat ist die Voraussetzung, damit 3,5 Milliarden Euro in die Digitalisierung der Schulen gesteckt werden. Klappt das?

Ich habe sehr große Hoffnung, dass das geschieht. Aber die Groko muss dazu endlich ins Gespräch mit den Oppositions-Fraktionen kommen, allein hat sie nicht genug Stimmen. Wir haben zusammen mit den Grünen dazu schon Verbesserungsvorschläge gemacht.

Soll der Bund sich langfristig in der Bildung engagieren?

Ich glaube, es ist notwendig, dass Bund und Länder gemeinsame Zielperspektiven entwickeln und mit einem gemeinsamen Geldtopf Prioritäten setzen.

Verbindliche Bildungsziele bundesweit?

Wir haben ja schon gemeinsame Bildungsstandards – die werden nur nicht umgesetzt. Die Grundgesetzänderung sollten wir auch dafür nutzen, sie gemeinsam endlich überall in Deutschland durchzusetzen.

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10 Kommentare

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  • Frau Beer ist vollkommen weltfremd.

    Das "Gefühl" der Schulleitung soll also eine Grundlage für die Bewertung von LehrerInnen sein? Aha.

    Vergleichsarbeiten fallen oft deshalb unterschiedlich aus, weil die Lerngruppen von der Leistungsfähigkeit her durchaus sehr unterschiedlich sein können, auch wenn natürlich guter Unterricht einiges erreichen kann.

    Und nur weil ich an einer Brennpunktschule arbeite, heißt das noch lange nicht, dass ich für diese Klientel besonders geeignet bin und also zwangsläufig für diesen Umstand belohnt werden sollte.

    Typisches FDP-Gerede, eine Partei, die die Ökonomisierung aller Lebensbereiche immer weiter vorantreiben will.

  • Ich kann dem Vorschlag grundsätzlich etwas abgewinnen, einige Details lehne ich aber ab.



    Im Lehrerkollegium an einer Schule verdient nicht jeder gleich. Übernimmt jemand mehr Aufgaben/Verantwortung (beispielsweise Oberstudienrat) geht damit auch ein höherer Lohn einher. Warum nicht einer Lehrperson, die ihre Aufgabe/Verantwortung gewissenhafter/besser übernimmt, eine finanzielle Belohnung zukommen lassen?



    Es geht auch ohne (wie bisher), und trotzdem geben sich die Lehrer*innen große Mühe an unseren Schulen. Persönliche Ziele und eigener Wille fördern ja durchaus auch die Motivation. Aber ab und zu ist da schon jemand frustriert dazwischen, weil sie/er mehr macht, sich mehr reinkniet und oft nicht mal ein Schulterklopfen rauskommt.



    Eine gute Lehrperson bekommt im Vergleich zu einer durchschnittlichen Lehrperson eine finanzielle Belohnung - ich finde das hört sich gut an. Das soll aber nicht heißen, dass die durchschnittliche Lehrperson weniger kriegt. Ich will das schon als Zusatz, als Belohnung verstanden haben!

    Die Details:



    Noten sind nicht das richtige Mittel, Noten sind nicht ansatzweiße objektiv. Noten richten sich (das ist bewiesen) nach Geschlecht, Körpergewicht, Schriftstil, Herkunft bzw. Name, Wetter(!) etc.



    Ich befürchte, dass Noten heutzutage oft ausdrücken "wie gut hast du etwas auswendig gelernt und konntest es wie die x Male davor auch in der Klassenarbeit verwenden", und kein Maßstab ist, wie gut ein*e Schüler*in eine Sache analysieren, eine Logik abstrahieren und wiederverwenden kann.

    Warum nicht die Schüler*innen bei der Evaluation miteinbeziehen? Um die geht es ja schließlich. Aber nicht fragen "welche Lehrperson magst du?", sondern inwiefern konnte dir die Lehrperson etwas beibringen.



    Schwierig und aufwendig, aber möglich.



    Oder eine Fremdevaluation (eine Person kommt zur Schule und bewertet die Lehrpersonen)?



    Da gibt es durchaus Möglichkeiten.

  • 9G
    99663 (Profil gelöscht)

    es ist ein ganz wunderbare idee, schulen ökonomisch wie unternehmen zu behandeln. ich würde gerne auch fdp-politikerInnen nach leistung bezahlen. schlecht für frau beer, da müsste sie nächsten monat was in die bundeskasse einzahlen. man könnte fast meinen, die dame hätte bwl bei einem dieser neuerdings von lidl gesponserten profs gehört.

  • Wirklich verblödendes Klientel-Gerede von Frau Beer. Leider.

  • Wenn wir den Grundgedanken des Kulturerbejahr der Europäischen Union Sharing Heritage 2018 folgen stellt sich die Frage nach der Beteiligung des Bundes an der Bildung nicht wirklich.

    Die Art und Weise der chancengleichen Bildungswege entscheidet über die Stabilität und die Weiterentwicklung einer Demokratie, dies ist in unserem Land genauso.

    Wir benötigen dringend einen öffentlichen Wettbewerb der Erziehungskunst im 21.Jahrhundert, eine Renaturierung der Bildung die wiederum eine Renaturierung im Denken und Handeln des Parlament voraussetzt. Es ist Zeit das es in den Köpfen der Regierung endlich "Klick" macht und sie selber ihre sozial- und bildungspolitischen Konzepte und Alternativen für Deutschland auf den Tisch legen.

  • Wenn sie in der Lage wäre, zu begreifen, was objektive Maßstäbe sind, und sie sich selbst ernst nimmt, müsste die FDP sich für so einen Flachschiss nun eigentlich selbst die Gelder kürzen ...

    • @Hanno Homie:

      Meine Stimme haben Sie! :-)

  • Irgendwie habe ich nicht das Gefühl, dass diese Berufsgruppe Probleme mit der Bezahlung hätte?



    Sinnvoller wäre es doch, mehr Personal einzustellen, damit der sich die Arbeitslast auf mehr Schultern verteilen kann.



    Dieses Gerede von dem Lehrpersonal, dass gefühlt alles am Laufen hält ist doch widerlich und öffnet Machtmissbrauch alle Tore.

  • Ohje, da ist das gespenst wieder.

    Schulleiter sind hocherfreut einzelne kolleginnen anhand von aeussert weichen kriterien hervorheben zu muessen. Ist gut fuers klima. Denn es wird wieder regeln geben, zb nur 1 pro jahr. Aber ein jahr aussetzen geht auch nicht, dann wirft es ein schlechtes bild auf die schule.

    Keine gute idee, denn die kriterien koennen nicht objektiviert werden.

    • @fly:

      "Die Kriterien können nicht objetiviert werden"

      Die Kriterien selbst können schon objektiv formuliert werden - also welche Faktoren bzw. Eigenschaften machen eine gute Lehrperson aus (Methodenvielfalt, vorbereiteter Unterricht, etc.). Die persönliche Beziehung zwischen Lehrperson und einzelner Schüler scheint dabei am größten ins Gewicht zu fallen.

      Ich stimme Ihnen zu, dass es nicht die Meinung der Schulleitung sein sollte, da diese sicherlich nicht allzu objektiv die Kriterien für eine Lehrperson einschätzen können. "Die Lehrerin hat immer so ausgefallene aufwendige Ideen und mischt mir zu sehr meine ruhige Schule auf!"

      Das Lehrerkollegium hat eine Sicht, die Eltern spielen auch eine Rolle, und warum nicht vor allem die Schüler*innen fragen? Aber nicht "Welche*n Lehrer*in magst du?", sondern mehr in die Richtung "Hast du bei Lehrerin x verstanden, was am Sachverhalt y so faszinierend ist?".



      Auwendig, aber das scheitert nicht am Unmöglichen.