Extremwetter bei der Fußball-EM: Klimakrise rein ins Stadion!
Das Gewitter beim EM-Spiel zwischen Deutschland und Dänemark zeigt, wie Extremwetter den Fußball beeinflusst. Aber niemand redet über die Klimakrise.
Rauschende Sturzbäche, die vom Dach des Dortmunder Stadions hinabgehen; zwei Dänen, die selbstvergessen unter den Wasserfällen tanzen, und Ordner:innen, die versuchen, die Wassermassen mit Besen in den Gully zu schieben: Das Gewitter samt Hagel beim Spiel der Deutschen gegen Dänemark hat die Bilder des Spieltags geliefert. Erstmals bei diesem Turnier hat ein Gewitter für eine Spielunterbrechung gesorgt. Und für eine, man kann das so nennen, Machtdemonstration.
Es war, wir erinnern uns, nicht der erste Starkregen, der diese Euro heimgesucht hatte. Beim Spiel der Türkei gegen Georgien, auch in Dortmund, mussten gleichfalls Fanzonen geschlossen werden, kämpften Ordner:innen vorab gegen Wassermassen und war die B1 teils überflutet. Zum Glück für die beiden Teams klarte es kurz vor dem Spiel auf.
Weniger Glück hatten die Spieler bei Slowakei gegen Rumänien. Sie kickten in sintflutartigem Regen, der das Spiel derart verlangsamte, dass die Kugel mitunter in Pfützen liegen blieb. Auch hier wäre ein Abbruch zu rechtfertigen gewesen: In der 57. Minute hatte ein naher Blitzeinschlag mit Donnerknall das ganze Stadion für einen Moment zum Schweigen gebracht.
Hochwasserjahr 2024
Nun ist es nicht ratsam, aus dieser Häufung allzu reißerische Klimakatastrophen-Schlagzeilen zu stricken. Spätestens seit Donald Trump gilt die freundliche Erinnerung, dass Wetter nicht Klima ist. Aber ein Zusammenhang ist glasklar: Die mittlerweile deutlich höheren Durchschnittstemperaturen durch die Klimakatastrophe führen dazu, dass die Atmosphäre mehr Wasserdampf speichern kann und sich mehr Wolken bilden. Regenfälle werden dadurch sowohl immer häufiger als auch intensiver, es kommt somit zu einer massiven Zunahme von Starkregen, Überschwemmungen und Extremwetterlagen.
Das aktuelle Hochwasserjahr hat das erneut eindrücklich demonstriert. Und die Klimakrise hat den Fußball vielleicht selten so sichtbar für alle erreicht wie bei dieser Euro, bei diesem machtvollen Auftritt von Blitz und Donner und Wassermassen, die ein Millionenspiel stillstehen ließen.
Erstaunlich ist, wie wenig das in der Beurteilung stattfindet. Das ZDF war während der Übertragung gezwungen, 25 Minuten Starkregenpause zu füllen. Statt zumindest die Klimakrise als solche zu benennen, plauderten Katrin Müller-Hohenstein und ihre Gäste improvisiert über die Bauernweisheiten von Christoph Kramer zu Unwettern („Das dauert nicht lange“), bestaunten das „unglaubliche Spektakel“ der Regenfälle, die fröhlichen Fans und scherzten über den „Wettergott“, er möge sich demnächst freundlicher zeigen. So ist das mit der Erderwärmung – im Fußball ist man oft noch beim Wettergott. An Selbstvergessenheit steht er tanzenden Fans unter Wasserbächen in nichts nach.
Wetter als Entertainment
Das Spiel gegen Dänemark gibt einen Vorgeschmack darauf, auf wie vielfältige Weise die Klimakatastrophe künftig Einfluss auf den Fußball nehmen wird. Dieser Einfluss ist durchaus auch sportlicher Natur: Die Deutschen konnten die Auszeit in der 35. Minute besser gebrauchen als die gerade im Aufwind befindlichen Dänen, und der schwere Rasen sorgte im Anschluss für wesentlich mehr hohe Bälle als im Regelfall.
Bei der Partie Slowakei gegen Rumänien zwang der Sturzregen die Teams, beim Spielstand von 1:1 auf Verwaltung statt Offensive zu setzen. Ohne den Zwischenfall wäre, wer weiß, womöglich noch ein Treffer gefallen – und hätte ein anderer Gruppenteilnehmer im Achtelfinale gestanden.
Vorläufig geht das Gewitter eher als Entertainmentfaktor in die Historie des deutschen Achtelfinales ein. Medien zitieren es als zusätzlichen Beleg für das wilde, dramatische Spiel. Es ist höchste Zeit, anders über Regen zu sprechen. Auch über geschlossene Stadiondächer, Sicherheit für Fans in Fanzonen und mehr wird man reden müssen. Sollte Extremwetter noch öfter diese Euro berühren, bietet das durchaus eine aufklärerische Chance: wenn nämlich die Realität in Sturzbächen über Europas liebstes Spiel hereinbricht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag