Expirat Lauer über Indymedia-Verbot: „Die Seite wird woanders auftauchen“
Das Verbot der Webseite ist richtig, sagt Ex-Pirat und jetzt SPD-Genosse Christopher Lauer. Aber es sei falsch begründet und so nicht umsetzbar.
taz: Herr Lauer, CDU-Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat linksunten.indymedia verboten. Wie finden Sie das?
Christopher Lauer: Ich halte das für richtig, aber in der Form, wie das geschehen ist, für nicht umsetzbar.
Wieso nicht?
Das Bundesinnenministerium hat Indymedia einfach zum Verein erklärt und diesen Verein dann verboten. Da könnte man auch Facebook zum Verein erklären und verbieten.
Warum halten Sie ein Verbot dennoch für richtig?
In meiner Zeit als innenpolitischer Sprecher der Piratenfraktion habe ich beim Senat zu dem Thema eine Anfrage gestellt: Ob bekannt ist, dass Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden selbst Beiträge auf linken Internetseiten wie Indymedia verfassen?
33, war innenpolitischer Sprecher und ein führender Kopf der Berliner Piratenfraktion von 2011 bis 2016. Seit vergangenem Jahr ist Lauer Mitglied der SPD.
Polizisten und Verfassungsschutzmitarbeiter also?
Auch Beamte vom Staatsschutz, verdeckte Ermittler beziehungsweise V-Personen. Zu letzteren beiden wurde mir natürlich nicht öffentlich geantwortet. Ansonsten konnte der Senat das nicht ausschließen. Mir ist kein Fall bekannt, aber es hat mich einfach interessiert.
Warum sollten sich Polizisten bei Indymedia austoben?
Indymedia rühmt sich, nicht wissen zu wollen, wer da was postet. Das ist die ideale Plattform nicht nur für Sicherheitskräfte, sondern für jedermann.
Klingt ein bisschen nach Verschwörungstheorie.
Dass beim Berliner Verfassungsschutz NSU-Akten geschreddert werden, klingt auch nach Verschwörungstheorie, ist aber so passiert.
Dann erläutern Sie bitte noch mal Ihre Theorie.
Die Schwierigkeit bei Ermittlungen, zum Beispiel wegen Autobrandstiftung, ist doch die: Alle Beweise sind verbrannt. Deshalb greift die Polizei so oft zu Maßnahmen wie der Funkzellenabfrage. Die Ermittler verfügen über ein immenses Tatwissen. Es ist ganz einfach, bei Linksunten ein Bekennerschreiben in wirrem linken Duktus zu veröffentlichen. Bekennerschreiben mit Details werden ja als besonders authentisch angesehen.
Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) hat das Verbot der linksextremistischen Internetseite "linksunten.indymedia.org" begrüßt. Geisel sprach am Freitag von einem Schritt in die richtige Richtung und betonte in einer Erklärung: "Linksextreme nutzen die Seite, um Angriffe und Anschläge zu planen und sich danach dort entsprechend zu rühmen. In Berlin wissen wir dies nur allzu gut." Auf der Internetseite seien Politiker, Firmen und Polizisten bedroht worden. Geisel fügte hinzu: "Das Verbot trifft die Richtigen. Warum es allerdings erst jetzt kommt, obwohl der Verein schon seit Jahren extremistisch wirkt, muss man sich schon fragen."
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte das Verbot am Freitagmorgen mit dem Kampf gegen Extremismus begründet. "Es darf keine Rückzugsräume für Extremisten von links und von rechts geben - weder außerhalb noch innerhalb des Internets", sagte der Minister einen Monat vor der Bundestagswahl. (dpa)
Aber was wäre das Motiv?
Darüber muss ich nicht spekulieren. Und es muss ja nicht mal die Polizei sein: Versicherungsbetrüger brennen ihr Auto ab, weil die Firma kurz vor der Insolvenz steht und veröffentlichen ein Bekennerschreiben bei Indymedia. Nazis fackeln ein Auto ab und schieben es Linken in die Schuhe.
Ist das Verbot für die Sicherheitsbehörden nicht eher ein Schuss ins eigene Knie?
Natürlich. Für viele Beamte ist Indymedia die einzige Quelle, um sich über die linke Szene zu informieren.
Der Server steht angeblich in Frankreich. Wie lange wird es dauern, bis sich linksunten.indymedia neu im Netz formiert hat?
Sollte der Server tatsächlich in Frankreich stehen, wird es über ein europäisches Rechtshilfeersuchen einfach möglich sein, ihn abzuschalten. Ich denke nur, dass die Seite schnell wieder woanders auftauchen wird. Der Effekt wird gleich null sein, und Thomas de Maizière hatte noch mal kurz vor der Wahl ein bisschen Show gehabt.
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