Expertin über Umgang mit AfD in Kommunen: „Es braucht klare Abgrenzung“
Wie umgehen mit der AfD in Kommunalparlamenten? Die Demokratieberaterin Anne Mehrer rät auch dort zu klarer Haltung – und mehr Solidarität mit Angefeindeten.
taz: Frau Mehrer, die AfD gab sich auf ihrem Parteitag in Magdeburg über weite Strecken unverhohlen rechtsextrem, Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang sieht verfassungsfeindliche Positionen. CDU-Chef Friedrich Merz plädierte dagegen zuletzt, zumindest kurzzeitig, für einen pragmatischeren Umgang mit der AfD in der Kommunalpolitik. Was halten Sie von dem Vorschlag?
Anne Mehrer: Natürlich nichts. Die AfD ist eine Partei mit einer antidemokratischen Agenda und das spielt sie auch in der Kommunalpolitik aus. Wer Mitglied dieser Partei ist und deren weltanschauliche Kampfansagen an demokratischen Institutionen und an eine liberale, offene Gesellschaft teilt, der geht für diese Partei nicht in die Kommunalpolitik, um dort ausschließlich Sachpolitik zu machen. Diese Person wird an gegebener Stelle immer auch AfD-Positionen einbringen, also rassistische, abwertende und geschichtsvergessene Positionen. Daher braucht es auch in der Kommunalpolitik eine klare Abgrenzung.
Sie beraten in Sachsen lokale Akteure im Umgang mit Rechtsextremen. Wie ist Ihre Erfahrung? Gibt es diese Brandmauer? Oder wird nicht längst mit der AfD kooperiert?
Tatsächlich ist eine Zusammenarbeit mit der AfD in den Kommunen längst Alltag. Dafür gibt es viele Beispiele. Wir erleben das in Sachsen im Grunde seit 2019, seit die AfD bei den Kommunalwahlen breit in die Stadt- und Gemeinderäte gewählt wurde, teils als zweit- oder drittgrößte Kraft. Vereinzelt gab es diesen „Pragmatismus“ auch schon bei der NPD. Auch da hieß es, dass doch Kommunalpolitik vor allem Sacharbeit für die Menschen vor Ort sei und nichts mit Ideologie und der großen Parteipolitik zu tun habe. Aber das stimmt natürlich nicht.
Die Politikwissenschaftlerin ist Mobile Beraterin beim Kulturbüro Sachsen. Sie berät Vereine, Kirchengemeinden oder die Kommunalpolitik zu Interventions- und Präventionsstrategien gegen Rechtsextremismus.
Aber im Kommunalen geht es doch tatsächlich um Kindergärten, Radwege oder die Feuerwehrsanierung.
Aber auch das sind doch hochpolitische Entscheidungen, die rückgebunden sind an bestimmte Vorstellungen von Gesellschaft – und die sind bei der AfD eben demokratiefeindlich. Wenn ich da anfange zu unterscheiden zwischen sogenannter Sach- und Ideologiepolitik, normalisiere ich letztlich auch die Politikangebote der AfD.
Auch wenn die AfD die Feuerwehr sanieren will?
Der AfD geht es nie nur darum. Wir dürfen nicht vergessen, dass sich die Partei als Bewegungspartei versteht mit dem Ziel, das Land grundsätzlich zu verändern – zurück zu einer autoritären Gemeinschaft ohne Gleichheit aller hier Lebenden. Auch die Kommunalvertretungen werden instrumentell genutzt, um demokratiefeindliche Haltungen salonfähig zu machen, als Selbstinszenierung einer Protestpartei gegen „die da oben“ und letztlich, um ihren Machtanspruch auszubauen. Und es ist ja auch nicht so, dass es in der Kommunalpolitik mit der AfD ohne Konfliktlinien zugeht. Aktive Kommunalpolitikerinnen berichten uns immer wieder, wie wenig konstruktiv und wie diffamierend die AfD in den Kommunalvertretungen auftritt. Wer nicht in ihr Bild passt, wer sich für Jugendarbeit, Geflüchtete oder Marginalisierte engagiert, ist schnell Bedrohungen und Anfeindungen ausgesetzt. Da ist es wichtig, dass die demokratischen Stadt- und Gemeinderäte mehr Solidarisierung mit den Betroffenen zeigen, deutlich und öffentlich.
Was also raten Sie demokratischen Kommunalpolitiker*innen, wenn die Rettung des Jugendclubs nur mit AfD-Stimmen möglich ist?
Grundsätzlich vorab: Mir ist keine Kommunalvertretung in der Bundesrepublik bekannt, in der die Demokrat*innen weniger als 50 Prozent der Stimmen vereinen. Auch wenn es bei bestimmten Fragen große Konfliktlinien unter den Parteien und Wählergemeinschaften gibt – man kann sich bei wichtigen Themen zusammenraufen und ist überhaupt nicht auf AfD-Stimmen angewiesen. Dass die AfD am Ende Anträgen der Demokrat*innen zustimmt, wird sich kaum verhindern lassen.
Dieses Zusammenraufen gelingt aber eben nicht immer.
Gerade bei so einer wichtigen Frage wie der stark eingekürzten und unterversorgten Kinder- und Jugendarbeit im ländlichen Raum ist es an den demokratischen Stadt- und Gemeinderäten, gemeinsam aktiv zu werden und mehr Räume zu schaffen mit guter pädagogischer Begleitung. Im Übrigen machen wir in Sachsen eher die Erfahrung, dass die AfD wenig Interesse an Jugendarbeit hat und sich eher hervortut, soziokulturelle Zentren und Räume für Jugendliche zu beschneiden und deren Förderung infrage zu stellen, als hier konstruktiv mitzuwirken. Generell sind die Demokrat*innen in den kommunalen Vertretungen gut beraten, sich schon im Vorfeld intern zu verständigen, wie sie mit der AfD umgehen wollen, mit deren Anträgen und der Wahl von Ausschüssen und kommunalen Gremien. Das schafft auch Handlungssicherheit.
Kann das nicht auch wieder der AfD für eine Opferrolle nutzen, wenn die demokratischen Parteien so geschlossen auftreten?
Es bleibt zentral und wichtig, dass die demokratischen Parteien untereinander kontrovers diskutieren, Meinungsverschiedenheiten gehören zur Demokratie. Aber es gibt Grenzen: Dort, wo Menschengruppen ausgegrenzt und diffamiert werden, wo demokratische Institutionen abgelehnt und bekämpft werden oder wo Verschwörungserzählungen echte Kritik ersetzen. Und die Kommunalpolitik muss aufpassen, sich von der AfD nicht eine Agenda bestimmen zu lassen, wo am Ende nur noch übers Gendern gesprochen wird und nicht mehr Themen der Daseinsvorsorge und des Zusammenlebens bearbeitetet werden. Das würde dann nicht nur den politischen Diskurs verderben, sondern den der ganzen Gemeinde.
Und dennoch kooperieren einige Kommunalpolitiker*innen längst mit der AfD.
Ich gebe zu, dass die Konfrontation keine leichte Aufgabe ist: Die Engagierten in der Kommunalpolitik sind Ehrenamtliche, die sich in eine große Themenvielfalt einarbeiten müssen und oft unter großem Druck Entscheidungen treffen müssen. Dazu gibt es wenig Handlungsspielräume aufgrund klammer kommunaler Kassen. Auch sind die demokratischen Parteien im ländlichen Raum oft schwach aufgestellt: wenige Mitglieder, wenige Austauschräume, wenige Menschen, die sich überhaupt kommunalpolitisch engagieren wollen. Auf dieser Grundlage in die Konfrontation zu gehen, ist herausfordernd – aber auch unabdingbar.
Sehen Sie denn eine breitere Bereitschaft, dass Kommunalpolitiker*innen das tun wollen?
Zu uns in die Beratung kommen ja die, die eine Bedrohung sehen und dagegen ansteuern wollen. Aber es stimmt, viele andere sehen diese Bedrohung nicht. Umso wichtiger ist es, diejenigen Mandatsträger zu unterstützen und handlungsfähig zu machen, die offen sind und die mit den antidemokratischen Themen in der Kommunalpolitik umgehen müssen. Und von denen gibt es immer noch sehr viele, auch im ländlichen Raum. Denen hilft die aktuelle Debatte gar nicht.
Warum?
Weil es mehr Rückhalt braucht, gegenüber der AfD klar und deutlich zu bleiben. Und weil wir lieber über die Stärkung von demokratischen Gemeinderäten und kommunalpolitischen Handlungsräumen sprechen sollten, über Mitsprache- und Mitwirkungsmöglichkeiten der Einwohner*innen, als uns an der AfD abzuarbeiten. Die große Frage ist doch: In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Mit einer Politik, die inklusiv ist und auf alle Menschen im Gemeinwesen ausgerichtet? Oder mit einer Klientelpolitik für dominante Gruppen?
Die AfD-Anhänger*innen wollen offenbar genau diese Klientelpolitik.
Ich glaube, dass viele andere das aber nicht wollen, diese übergeordnete Frage auch erkennen und sich letztlich daran stoßen, wenn die AfD etwa vor Ort ein seit Jahren bestehendes soziokulturelles Zentrum schließen will. Und es geht doch auch um handwerklich gute Kommunalpolitik. Diese Selbstbeschreibung als Kümmerer vor Ort, das löst die AfD ja überhaupt nicht ein. Ich wüsste nicht, wo sich die Partei in den letzten Jahren als besonders innovativ und für die Belange der Menschen vor Ort erwiesen hätte. Auch das bemerken die Leute.
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