Expertin über UN-Entwicklungsziele: „Nur ein Bruchteil der Billionen“
Die UN wollen bis 2030 den Hunger bekämpfen – ein weiter Weg. Expertin Lisa Sachs sagt, was bei der Entwicklungshilfe schiefläuft.
taz: Frau Sachs, 2015 haben die UN 17 Entwicklungsziele vereinbart, die bis 2030 erreicht werden sollen, die Bekämpfung von Hunger etwa. Im Vorfeld der Vollversammlung kam der Sustainable Development Goals Summit zusammen, um sich mit diesen Zielen zu befassen. Denn die Halbzeitbilanz fällt ernüchternd aus. Wo liegt im aktuellen System das Problem bei der Finanzierung von Entwicklungshilfe?
ist Direktorin beim Forschungsinstitut Columbia Center on Sustainable Investment mit Sitz in New York.
Lisa Sachs: Wie US-Finanzministerin Janet Yellen bereits sagte: „Experten schätzen den Finanzierungsbedarf auf Billionenhöhe, und wir haben bisher mit Milliardenbeträgen gearbeitet.“ Die reichen Länder haben lediglich finanzielle Unterstützung in Milliardenhöhe zugesagt und diese Zusagen sind bis jetzt nicht einmal umgesetzt worden.
Was noch?
Darüber hinaus, und das ist entscheidend, verfügen die meisten armen Länder über ein schlechtes Kreditrating. Infolgedessen sind diese Länder mit kurzen Laufzeiten und hohen Zinssätzen für Staatsanleihen konfrontiert. Private Kapitalmärkte können und werden wichtige SDG (Sustainable Development Goal)-Investitionen nicht zu angemessenen Bedingungen finanzieren. Stattdessen treiben die vielen Kredite diese Länder noch tiefer in kurzfristige, illiquide und teure Schulden.
Wie können arme Länder diese Schuldenfalle umgehen?
Bei den aktuellen großen Schuldenkrisen in armen Ländern handelt es sich in fast allen Fällen um Liquiditätskrisen, da die Länder nicht in der Lage sind, bestehende Schulden mit langen Laufzeiten und niedrigen Zinssätzen zu verlängern. Eurobonds und bilaterale Kredite haben kurze Laufzeiten und treiben Länder in Liquiditätskrisen. Die Schuldenstände wären bei langen Laufzeiten und niedrigen Zinssätzen tragbar und beherrschbar, insbesondere wenn die Finanzierung auf Bildung, Gesundheitssysteme, Infrastruktur und andere öffentliche Investitionen mit hoher langfristiger Rendite ausgerichtet ist.
Was für Reformvorschläge gibt es, um die Finanzierung für Entwicklungshilfe zu verbessern?
Länder müssen in der Lage sein, mehr Kredite aufzunehmen, und zwar zu besseren Konditionen. Dies erfordert eine Überarbeitung des Rahmens zur Schuldentragfähigkeit des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. Dieser hindert die Mitgliedstaaten aktuell daran, die von ihnen benötigten langfristigen Kredite aufzunehmen. Es erfordert zudem eine Neugestaltung der Kreditratings, die sich im Moment auf kurzfristige Liquidität konzentrieren und das Wachstumspotenzial durch langfristige, zinsgünstige Kredite ignorieren. Hierbei handelt es sich um strukturelle Veränderungen, die notwendig sind – und nicht um einen einmaligen Schuldenerlass –, obwohl Schulden-gegen-SDG-Swaps (also Schulden-gegen-Infrastruktur-Tausch oder Schulden-gegen-Klima-Tausch) Teil des Ganzen sein können, indem sie Investitionen in diese Bereiche ermöglichen.
Bessere Kreditkonditionen also. Was muss sich noch tun?
Wir brauchen mehr Finanzierungsmöglichkeiten und -mechanismen, die sowohl für soziale Ausgaben wie Gesundheit als auch für Investitionen in die Energieinfrastruktur Geld zur Verfügung stellen. Diese könnten sowohl an halbstaatliche Unternehmen als auch öffentlich-private Partnerschaften fließen. Die Finanzierung sollte über Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen ausgezahlt werden – hauptsächlich über multilaterale und regionale Entwicklungsbanken sowie andere multilaterale Finanzierungseinrichtungen –, die ein Darlehen zu niedrigen Zinssätzen und mit langer Laufzeit weitergeben, zusammen mit technischer Hilfe und regionaler Koordinierung. Derzeit betragen die Zusagen dieser Instrumente nur einen Bruchteil der benötigten Billionen.
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