Experte zu Hans-Georg Maaßen und CDU: „Ein Brückenschlag zur AfD“
Hans-Georg Maaßen könnte für die CDU in Thüringen kandidieren. Der Soziologe Axel Salheiser erklärt, warum das zeigt, wie gespalten die Partei ist.
taz: Herr Salheiser, vergangene Woche wurde bekannt, dass der ehemalige Chef des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, für die CDU in Südthüringen als Bundestagskandidat antreten könnte. Eine finale Entscheidung ist noch nicht gefallen. Sollte er antreten – wie hoch schätzen Sie seine Chancen ein?
Axel Salheiser: Ungeachtet der Kontroverse und des innerparteilichen Streitthemas würde ich ihm, wenn er kandidiert, keine schlechten Chancen einräumen. Bei der letzten Bundestagswahl hatten die CDU und die AfD in diesem Wahlkreis zusammen eine deutliche absolute Mehrheit.
Die CDU hatte das Direktmandat mit Herrn Hauptmann geholt, der nun aufgrund des Korruptionsskandals zurücktreten musste. Es gibt eine starke Wählerbasis für rechtsaußen – Maaßen steht für diesen rechtskonservativen Kurs. Insbesondere in diesem Wahlkreis hat die CDU eine solche Ausrichtung.
Wenn man jemanden wie Herr Maaßen aufstellt, könnte es der CDU vermutlich gelingen, einen Teil der an die AfD verlorenen Stimmen wiederzugewinnen. Aber das ist nicht nur ein Signal nach ganz oben, sondern vor allem auch an die Landespolitik.
Was ist das für eine Region im Süden Thüringens, der Wahlkreis Suhl, Schmalkalden-Meiningen, Hildburghausen, Sonneberg?
Die Südthüringer Kreise fallen im Vergleich mit anderen Regionen des Freistaats nicht durch auffällig erhöhte Rechtsextremismuswerte oder eine verstärkte ethnozentrische Orientierung auf, die auf eine besondere Affinität zur AfD hinweist.
Aber: Diese Einstellungen sind generell weit verbreitet, auch dort. Gleichzeitig gab es in der Region während der sogenannten Flüchtlingskrise 2015/16 sehr erfolgreiche Mobilisierungen für rassistische Demonstrationen. Es gibt das Wählerpotential am rechten Rand, auch die AfD hat gute Ergebnisse – die hat sie anderswo aber auch.
ist wissenschaftlicher Referent am Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft Jena. Er ist Co-Autor des Thüringen-Monitors sowie diverser Wahlstudien zu Thüringen. Seine Schwerpunkte sind Demokratie- und Sozialraumforschung, Rechtsextremismus, Einstellungs-, Parteien- und Bewegungsforschung sowie Politische Soziologie.
Thüringen steckt spätestens seit 2020 in einer Regierungskrise. Wie geht es nach den kommenden Land- und Bundestagswahlen im September weiter?
Die letzten Umfragen haben gezeigt, dass es unter der Grundbedingung, dass es in der Regierungskoalition keine Zusammenarbeit zwischen CDU und Linkspartei geben soll, immer schwieriger wird, eine stabile Regierungskoalition zu bilden. [Die CDU hat per Unvereinbarkeitsbeschluss ausgeschlossen, mit der Linkspartei zu kooperieren; d. R.] Jenseits einer Einbindung der AfD wäre das aber höchstwahrscheinlich der einzige gangbare Weg.
In dieses Dilemma geraten die demokratischen Parteien jetzt: Die AfD ist zu einem derartigen Instabilitätsfaktor geworden, dass die anderen Parteien sich bewegen müssen. Letzten Endes liegt der Spielball im Feld der CDU. Eine Bewegung in Richtung Linkspartei wird jedoch für die Wähler:innenbasis schwer vermittelbar.
Maaßen ist Mitglied der Werteunion, des rechten Flügels der CDU, bedient sich immer wieder rechter Narrative und bezieht sich öffentlich auf Verschwörungsideologien. Bewegt sich eine CDU, die ihn aufstellt, also Richtung AfD?
Maaßen agiert als Symbolfigur einer gewissen Systemkritik, er vertritt eine sehr fragwürdige Form des Konservatismus. Im Prinzip ist das ein Signal der Annäherung, des Brückenschlags mit der AfD. Wir können so aber nicht über die gesamte CDU sprechen. Noch nicht einmal in diesem Wahlkreis war man sich einig, aus Suhl gab es Kritik an dem Vorstoß, Maaßen aufzustellen, ebenso wie vom Thüringer CDU-Vorsitzenden Christian Hirte und dem Ost-Beauftragten Marco Wanderwitz.
Ich denke, dass die lokale CDU damit ein Signal setzen wollte: Für einen konservativen Kurs in Richtung Werteunion, eine Profilschärfe. Und ich denke, dass die lokalen CDUler sich davon versprechen, damit auch Wählerstimmen abzugreifen, die zur AfD abgewandert sind. Sie wussten womöglich, dass sie damit nicht durchkommen werden, aber sie wollten dieses Signal senden.
Bricht damit die von der Landesregierung postulierte Brandmauer gegen die AfD?
Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Parteispitze auf Landesebene zwar den Abgrenzungskurs fährt, aber Teile der CDU auf der regionalen und lokalen Ebene einer Zusammenarbeit mit der AfD nicht abgeneigt zu sein scheinen. Der Stabilitätspakt mit der Linkspartei in Thüringen [der de facto zusichert, dass die CDU die rot-rot-grüne Landesregierung toleriert; d. R.] wird an der Basis vermutlich nicht positiv aufgenommen, sondern bestenfalls als notwendiges Übel gesehen.
Die gewünschte Nominierung von Herrn Maaßen ist ein ganz deutliches und besorgniserregendes Zeichen, dass eine klare Abgrenzung gegenüber der AfD und ihren Positionen nicht gewünscht ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko