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Exklusive Recherche zu Heckler & KochParteispenden für Waffen

Recherchen von taz und „Report Mainz“ legen nahe, dass Heckler & Koch Geld fließen ließ, um Waffenexporte nach Mexiko durchzusetzen.

Blut – wenn auch hier nur symbolisch – klebt an den Händen von Heckler & Koch Foto: dpa

Oaxaca taz | Hat die Rüstungsschmiede Heckler & Koch (H&K) Bestechungsgeld gezahlt, um umstrittene Waffenexporte nach Mexiko zu ermöglichen? Schon lange existierten Anzeichen für diesen Verdacht, doch das Unternehmen hat die Vorwürfe immer von sich gewiesen. Nun legen Dokumente, die der taz und dem ARD-Magazin „Report Mainz“ vorliegen, nahe, dass die Firma gezielt Parteispenden getätigt hat, um die Ausfuhr von Sturmgewehren in das lateinamerikanische Land zu ermöglichen.

Demnach hat der ehemalige H&K-Geschäftsführer Peter Beyerle auf solche Zahlungen gedrängt. Da es immer schwieriger werde, Lieferungen nach Mexiko genehmigen zu lassen, bleibe nur noch die politische Schiene, schrieb er in E-Mails im März 2010. Deshalb solle die Firma möglichst bald eine Spende an die CDU und an die FDP tätigen, informierte er einen Kollegen mit der Bitte, der Firmenbeirat möge diese Zahlung bald absegnen. Die FDP umschrieb er dabei als Partei, die für Spenden empfänglich sei. Kurz darauf sprach sich das Gremium für die Spende aus, und das Geld wurde überwiesen.

Beyerle kümmerte sich damals bei Heckler & Koch um Exportgenehmigungen und Behördenkontakte. Seit vergangenen Dienstag sitzt der Jurist, der vor seiner Tätigkeit für die Waffenbauer Landespräsident des Kreises Rottweil war, vor dem Stuttgarter Landgericht auf der Anklagebank. Ihm und vier weiteren ehemaligen Mitarbeitern des Unternehmens wird vorgeworfen, für illegale Waffenlieferungen nach Mexiko verantwortlich zu sein. Zwischen 2006 und 2010 sollen sie den Export von Sturmgewehren vom Typ G36 in bestimmte mexikanische Bundesstaaten ermöglicht haben, für die die deutschen Ausfuhrbehörden explizit keine Genehmigungen erteilt hatten. Von knapp 10.000 insgesamt in das Land gelieferte Waffen sollen über 4.700 in diesen „verbotenen“ Regionen gelandet sein.

Im Jahr 2010 wollte H&K weitere G36 nach Mexiko exportieren. Doch damals hatte die Kritik an den Ausfuhren bereits zugenommen. Auch das Außenministerium hatte wegen der schlechten Menschenrechtslage Bedenken geäußert. Selbst beim Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) breite sich der Frust aus, schrieb Beyerle. Beim Bundessicherheitsrat, der solche Genehmigungen absegnen muss, sei der Antrag nicht einmal behandelt worden. Um auf „politischem Wege“ dennoch etwas zu bewegen, seien die Spendenzahlungen nötig.

Volker Kauder – ein Lobbyist von Heckler & Koch?

Der FDP-Ortsverband des damaligen Parlamentarischen Staatssekretär im BMWi, Ernst Burgbacher, sowie der Ortsverband der damals im Wehrsektor einflussreichen sicherheitspolitischen Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Elke Hoff, erhielten demnach jeweils 5.000 Euro.

Hoff selbst bestreitet das am Dienstag. „Ich erkläre eindeutig, dass weder ein Ortsverband noch ein Kreisverband, mit dem ich ihn unmittelbarer Beziehung stehe, 5.000 Euro von Heckler und Koch erhalten hat. Diese Behauptung ist nicht zutreffend“, sagt sie.

Weitere 10.000 Euro gingen an das CDU-Wahlkreisbüro Rottweil/Tuttlingen in Baden-Württemberg. In dieser Region ist auch die Waffenschmiede ansässig. Zugleich ist es der Wahlkreis des Unions-Bundestagsabgeordneten und Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder. Drei Wochen nach der Überweisung wandte sich Beyerle an den Parlamentarier und bat um Unterstützung für die Exportgenehmigung. Auch ein Besuch im Kanzleramt stünde an, schrieb er.

Der Friedensaktivist Jürgen Grässlin kann sich über die fragwürdige Kooperation mit dem CDU-Politiker nicht wundern. Gegenüber der taz bezeichnete er Kauder als Lobbyisten von Heckler & Koch und „rechte Hand“ von Kanzlerin Angelika Merkel. „Schon 2009 bedankte sich der H&K-Hauptgesellschafter Andreas Heeschen mitten im Wahlkampf persönlich bei Volker Kauder für die große Unterstützung“, erklärt Grässlin, dessen Anzeige gegen H&K zum Stuttgarter Prozess führte. Wegen der Ermittlungen erteilten die Behörden der Waffenschmiede keine Genehmigungen mehr für G36-Exporte nach Mexiko. Beyerles Bemühungen waren also in diesem Zeitraum umsonst.

Die Dokumentation des betriebsinternen E-Mail-Verkehrs, über die am Dienstag auch „Report Mainz“ berichtet, stammt aus einer Untersuchung, die H&K selbst anstellen ließ. Die Geschäftsführung wollte sich nach eigenen Angaben Klarheit darüber verschaffen, wer im Haus für die illegalen Lieferungen verantwortlich zeichnet.

Erst in der vergangenen Woche hatte die taz Aussagen veröffentlicht, die darauf verweisen, dass die Schwarzwälder Rüstungsfirma ihr Mexiko-Geschäft mit Schmiergeld belebt hat. Nach Angaben eines Kronzeugen soll der damalige H&K-Handelsvertreter in Mexiko pro verkaufter Waffe 25 US-Dollar an den mexikanischen General Humberto Alfonso Aguilar bezahlt haben. Aguilar hatte den Waffendeal für das mexikanische Verteidigungsministerium abgewickelt.

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16 Kommentare

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  • Deshalb liebe ich KONTEXT! Die haben 2012 bereits über das Bombengeschäft am Bodensee berichtet:

    Kontext:Wochenzeitung 28.11.12: Bombengeschäft am Bodensee! von Susanne Stiefel (Text) und Martin Storz (Fotos)

    Auszug: "Der Tod ist ein Meister vom Bodensee"

    In Überlingen steht nicht die einzige Waffenschmiede am See. Wer die B 31 am Bodensee Richtung Osten fährt, sieht die Fabriken aufgereiht am Straßenrand wie Soldaten, sauber und ordentlich sieht das aus, keine rauchenden Schlote, Hightech zwischen Reben. Oberschwäbische Waffenstraße nennen Rüstungsgegner diese Route in Anlehnung an die idyllische oberschwäbische Barockstraße. In Immenstaad passiert man EADS Cassidian/Astrium, den Rüstungszweig der EADS, der Kampfflugzeuge herstellt, Drohnen und Raketen. In Friedrichshafen beherrscht MTU/Tognum das Stadtbild, wo Motoren für Panzer, Haubitzen und U-Boote produziert werden. Und die Zahnradfabrik ZF gleich nebenan liefert das dazu passende Getriebe. Ebenfalls in Friedrichshafen und etwas weiter östlich in Lindau und Lindenberg produziert Liebherr Elektronik und Steuerungssysteme für den Kampfhubschrauber Eurocopter. Und es sind noch viele kleinere Zulieferer darüber hinaus, die sich im Dunstkreis der Großen hier im Dreiländereck angesiedelt haben. "Der Tod ist ein Meister vom Bodensee", variiert der profilierte Rüstungsgegner Jürgen Grässlin die "Todesfuge" von Paul Clean.

     

    Aus meinem Wahlkreis kommt der Parlamentarischer Staatssekretär CDU

    Markus Grübel aus Esslingen / Neckar: Er war von Dezember 2013 bis März 2018 Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung. Seit April 2018 hat er umgeschult und ist jetzt weltweit für die CDU und die Glaubensfreiheit zuständig!

  • Besonders widerlich finde ich an Kauder, dass der Typ auch noch immer so christlich tut.

     

    Er ist das Paradebeispiel des Heuchlers, die lt. Bibel schon Jesus verurteilte in Matthäus 23:

    "Auf dem Stuhl des Mose sitzen die Schriftgelehrten und die Pharisäer. 3 Alles nun, was sie euch sagen, das tut und haltet; aber nach ihren Werken sollt ihr nicht handeln; denn sie sagen's zwar, tun's aber nicht. 4 Sie binden schwere und unerträgliche Bürden und legen sie den Menschen auf die Schultern; aber sie selbst wollen keinen Finger dafür rühren. 5 Alle ihre Werke aber tun sie, damit sie von den Leuten gesehen werden." (Übersetzung nach Lutherbibel)

  • Warum fehlt in dem Artikel die nicht unwesentliche Information, dass bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart auch hierzu ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bestechung anhängig ist?

    • Wolf-Dieter Vogel , Autor des Artikels, Korrespondent
      @Trango:

      Weil die Ermittlungen wegen Bestechungen eingestellt wurden. Diese bezogen sich aber auf Vorwürfe, die vor den im Artikel erwähnten Vorfälle stattfanden. Ermittelt wurde weiterhin wegen der Bestechungsvorfwürfe in Mexiko, siehe Ende des Artikels. Nun erklärte die Staatsanwaltschaft heute, dass weiter ermittelt werde.

      • @Wolf-Dieter Vogel:

        Sie haben Recht: Staatsanwalt Römhild hat das heute präzisiert (vulgo: zuvor falsch dargestellt). Letzte Woche hieß es noch, das Ermittlungsverfahren dauere an, heute dagegen: "Die Ermittlungen wegen des Verdachts der Inlandsbestechung wurden bereits am 20. Januar 2017 nach § 154 Abs. 1 StPO vorläufig eingestellt. Das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Auslandsbestechung dauert hingegen noch an."

    • @Trango:

      " Seit vergangenen Dienstag sitzt der Jurist, der vor seiner Tätigkeit für die Waffenbauer Landespräsident des Kreises Rottweil war, vor dem Stuttgarter Landgericht auf der Anklagebank."

       

      Entweder ist der Satz (mit Link zum entspechenden Artikel sogar) nachträglich eingefügt worden oder Sie haben eine Leseschwäche.

      • @Age Krüger:

        Knapp vorbei ist auch daneben: das aktuelle Verfahren beim LG Stuttgart bezieht sich auf den Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, d.h. die rechtswidrige (Weiter-)Lieferung innerhalb Mexikos.

         

        Der jetzige Vorwurf im Artikel zielt dagegen auf das Verhalten vor der Ausfuhr: Parteispende gegen Ausfuhrgenehmigung - eine Verknüpfung, die nicht eben fernliegend ist.

  • Es wird kein Interesse an Friedenspolitik und Konfliktbewältigung geben, solange die Militärwaffenherstellung in privater Hand liegt und der internationale Waffenhandel nicht verboten ist.

  • § 108e StGB sieht keine Bestechlichkeit im Zusammenhang mit Parteispenden! Der Bundestag muss die Gesetze ändern. Dazu braucht es zivilgesellschaftlichen Druck. Gerade Kauder hat sich Änderungsversuchen immer wieder entgegen gestellt.

    • @EricB:

      Ich frage mich ernsthaft, wie ein „zivilgesellschaftlicher Druck“ aussehen könnte, der den Bundestag zwingt, Gesetze zu ändern, die zu viel Schaden anrichten. Noch eine schlecht besuchte Demo mehr? Allgemeines Singen vor dem Bundestag? Wahlzettel handschriftlich bearbeiten?

       

      Wohl kaum. Auch hier gilt: Die Zuständigen müssen wollen, können und dürfen. Politiker könnten zweifellos. Und dürfen tun sie auch. Fragen wir uns also mal, wie es um ihr Wollen steht.

       

      Das wichtigste Ziel aller Politikern ist es, gewählt werden, Macht auszuüben. Nur wenn sie glauben, dass die Erreichung dieses Ziels gefährdet ist, werden sie umdenken. Leider sorgt das aktuelle Wahlgesetz dafür, dass seit Jahren eine immer kleiner werdende Minderheit aller Wählerstimmen ausreicht, um weitere vier Jahre „Verantwortung“ zu übernehmen. So ist der "Arroganz der Macht" nicht beizukommen. So wird aus jedem Kandidaten letztlich ein Despot.

       

      Wenn Leute wie Kauder sich selbst und anderen einreden können, sie wären – Unmoral hin oder her – demokratisch legitimiert, weil sie mit Zustimmung "des Volkes" handeln, werden sie sich nicht korrigieren wollen. Sie sind einfach zu konservativ. Neugier auf Neues ist ihnen wesensfremd. Sie wollen Sicherheit, und die gibt‘s augenblicklich nur für Leute, die mit Gewalt das Falsche wollen.

       

      An der Stelle komme ich noch einmal auf einen Vorschlag zurück, den ich vor Jahren schon mal unterbreitet habe: Ändert das Wahlgesetz! Wer nicht mindestens 50,1% aller Wahlberechtigten seines Wahlkreises hinter sich vereint, der sollte nicht regieren dürfen. Notfalls muss das Regieren so lange ausgesetzt werden, bis sich die Mehrheit doch noch findet. Vielleicht für einen neuen Kandidaten.

       

      Manchmal, in dem Punkt halte ich es ausnahmsweise mit Herrn Lindner von der FDP, ist es tatsächlich besser, nicht zu regieren als falsch zu regieren. Vor allem in einem Land, das schon genug Gesetze hat.

  • Leider! - leben wir in einem dreckigen Land indem Lüge und Heuchelei groß geschrieben werden.

    Nur!? - wie lange denn noch?

     

    Viele Grüße

  • Volker Kauder hat Blut an seinen Händen? Volkert Kauder ist bestechlich? Welch Überraschung. Und wie wenig überraschend, dass in den Zehntausenden von Talkshowsendungen des Öffentlichen Rundfunks mit dem Ehren- und Dauergast Volker Kauder darüber nicht berichtet wurde und wird.

  • "Volker Kauder – ein Lobbyist von Heckler & Koch?"

     

    Was soll denn das Fragezeichen ?

    Hier die Lobbypedia-Seite für Heckler & Koch: https://lobbypedia.de/wiki/Heckler_%26_Koch

    Die Suchfunktion liefert sechs Treffer für "Kauder". Einer schöner als der andere.

     

    Hoffentlich reichen die Beweise diesmal aus, um ihm endgültig das Handwerk zu legen.

  • ""Wie ein Löwe habe ich für die G36 gekämpft!" Volker Kauder" ist hier zu lesen: https://www.politicalbeauty.de/sarkophag.html

     

    “Wir wollen denselben Sarkophag, der in Tschernobyl errichtet wurde, über Deutschlands tödlichste Waffenfabrik bauen, damit ihr keine “Produkte” mehr entweichen können.” ist da auch zu lesen.

     

    Und auch z.B. "Die Waffenfirma „Heckler & Koch“ hat in den letzten 25 Jahren abseits von allen Schlagzeilen 375x so viele Menschenleben gefordert wie die Atomkatastrophe von Tschernobyl."

     

    @taz: Stellt doch bitte eure Webseite per https zur Verfügung. Danke.

    • @Synapsenkitzler:

      kommt doch per https? sogar TLS1.2 - sehr löblich