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Ex-Jugendreferent über Protest-Tagung„Alle Bereiche arbeiten am Limit“

In Hamburg treffen sich VertreterInnen der Kinder- und Jugendhilfe. Sie wollen die 35-Stunden-Woche und Wohnungen für Straßenkinder – unter anderem.

Im Dezember gingen die Beschäftigen auf die Straße, nun folgt ein Gipfel Foto: Georg Wendt/picture alliance/dpa
Kaija Kutter
Interview von Kaija Kutter

taz: Ronald Prieß, was ist der „TuWas, Hamburg!“-Kinder- und Jugendhilfegipfel?

Ronald Prieß: Dort treffen sich VertreterInnen aus der gesamten Kinder- und Jugendhilfe Hamburgs. Das hat das Netzwerk „TuWas, Hamburg!“ vorbereitet, ein großes Bündnis von der Landesarbeitsgemeinschaft der Jugendamtsbeschäftigten über die Gewerkschaft GEW und die „Patriotische Gesellschaft von 1765 “ bis hin zur Landesarbeitsgemeinschaft „Kindheit und Jugend“ der Partei Die Linke.

Sind auch Betroffene dabei?

Ja. Es haben sich ehemalige Heimkinder, Care Leaver und Straßenkinder angemeldet. Aber auch Jugendverbände und der Fachschaftsrat Soziale Arbeit der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften – in deren Räumen der Gipfel tagt.

Warum ist so eine Zusammenkunft nötig?

Weil die KollegInnen aus allen Fachbereichen am Limit arbeiten. In der Kinder- und Jugendhilfe gibt es eine hohe Arbeitsverdichtung. Das liegt an den verschärften Armutslagen und zusätzlichen Aufgaben im Bereich der Migration. Und es wurde durch die Auswirkungen der Coronapandemie verstärkt. Es gibt in allen Bereichen häufige Personalwechsel und hohe Krankenstände und in manchen Bereichen wie den Jugendämtern kommt noch ein hoher Kontrolldruck dazu. Bereiche wie die offene Kinder und Jugendarbeit sind auch noch strukturell stark unterfinanziert.

Bild: Miguel Ferraz
Im Interview: Ronald Prieß

69, Botschafter der Straßen­kinder in Hamburg, parteilos, war bis 2020 Jugendreferent der Links­fraktion.

Die Workshops und Vorträge behandeln Themen wie Kinderrechte, Heimerziehung, den Fachkräftemangel. Mischen Sie da nicht zu viel zusammen?

Nein. Wir wollen gerade ein bisschen was zusammenmischen, weil wir denken, dass wir diese Situation nur gemeinsam und in Kooperation bewältigen – und nur mit einem gemeinsamen Berufsverständnis. Die genannten Rahmenbedingungen können sich eventuell durch zusätzliche Ausgaben im Bereich Militär noch verschärfen. Da gibt es jede Menge negative ­Signale aus dem Bund.

Macht die Hamburger Sozialbehörde mit?

Ja. Die ist gleich mit einer ganzen Reihe von Referats- und Abteilungsleitungen vertreten, was uns sehr freut.

Geht es auch um konkrete Forderungen?

Ja. Es gibt einen Strauß von Forderungen, den wir in Form einer Resolution verabschieden wollen. Und es ist geplant, nach dem ersten Gipfel als Netzwerk weiterzuarbeiten und ab Herbst zu einem zweiten Gipfel einzuladen, wo wir dann Forderungen an die Sozialbehörde und die Hamburger Politik insgesamt beschließen.

Haben Sie ein Beispiel, das für den kommenden Wahlkampf taugt?

Wir wollen Wohnungen für Straßenkinder, damit die Obdachlosigkeit von Kindern, Jugendlichen und Jungerwachsenen beendet wird. Wir gehen von etwa 150 Betroffenen aus.

Wie viel Geld wäre nötig, um alle Forderungen zu erfüllen?

Da kann ich noch keine Summe nennen. Aber es gibt zum Beispiel bei der offenen Arbeit viele Einrichtungen, die mit weniger als einer Person arbeiten. Da müsste Hamburg das seit Jahren zu niedrige Budget von etwa 30 Millionen Euro verdoppeln. Wir fordern einen Ausbau der Ombudsstellen und eine 35-Stunden-Woche. Und ein Verbot der geschlossenen Unterbringung.

Der Gipfel

Kinder- und Jugendhilfegipfel „TuWas, Hamburg“, Freitag, 3. 5., 9–18 Uhr, HAW Hamburg, Alexander­straße 1 Anmeldung unter tu-was-hamburg@gmx.de

Welche Argumente gibt es angesichts knapper Kassen für diese Ausgaben?

Die Nachhaltigkeit. Funktioniert die soziale Infrastruktur in den Vierteln nicht, sind die Beschäftigten oft krank oder fliehen aus ihren Jobs, dann fehlen auf der anderen Seite gute Hilfen für die darauf Angewiesenen, und es spitzt sich die Lage in Familien eher zu. Dann muss der Staat umso höhere Summen ausgeben, um teure Hilfen zur Erziehung und auswärtige Heimerziehung zu finanzieren.

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1 Kommentar

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  • Die 35-Stundenwoche wäre sehr wirkungsvoll, gerade in der Heimerziehung sind die Arbeitszeiten eine große Herausforderung, oftmals bleiben die Beschäftigten nicht lange in diesem Bereich und wechseln nach ein oder zwei Jahren. Zudem kommen krumme Zeitabläufe, wer um 15.00 Uhr eine 24 Stunden-Schicht antritt, kommt damit nicht auf zwei abgeleistete Werktrage, sondern bleibt darunter, ist aber müde und muss dann auf den nächsten drei bzw. eher vier Tagen ausgleichen. Die 35 Stunden-Woche wäre hier eine sehr große Erleichterung und sie würden Leitungen natürlich um die Ohren fliegen, weil sie plötzlich mehr Personal benötigen würden. Das heißt, die Finanzierung müsste anders errechnet werden. Es wäre aber qualitativ wichtig, diese Schritte zu gehen. Zumal das Personalproblem in Zukunft eher stärker werden wird, weil Hamburg von den Kosten immer teurer wird und Erzieher, Pädagogen und Sozialarbeiter grundsätzlich nicht besonders viel verdienen.

    Andererseits habe ich biser nur wenige Erzieher, Pädagogen, Sozialarbeiter kennengelernt, die in einer Gewerkschaft sind, die sich dort engagieren, sehr zur Freude der Menschen, die Träger führen oder besitzen. Dieses Nicht-Engagieren hat die Gewinne nach Oben getrieben, normalerweise müsten Gewerkschaften eine 35-Stunden-Woche erkämpfen, ob sich diese per Vernunft und Vernetzung durchsetzen lässt, daran habe ich große Zweifel.