Evangelikaler Extremismus: Trumps Gotteskrieger
Der amerikanische Präsident ist nicht sonderlich religiös. Doch seine Außen- und Verteidigungspolitik wird von evangelikalen Fanatikern bestimmt.
D er Krieg im Nahen Osten brennt weiter und hört nicht auf, nur weil irgendwo die Kriegsparteien gerade erschöpft sind, weil irgendwo ein Anti-Atomwaffen-Abkommen unterschrieben wurde oder weil ein US-Präsident gerufene Kriegshunde zurückpfiff. Denn der Konflikt ist wie ein immens brennendes Ölfeld, das nicht unter Kontrolle zu bringen ist. Der gefährliche Treibstoff ist dabei weniger das Öl als der Glaube.
US-Außenminister Mike Pompeo bewahrt in seinem Amtszimmer eine große Bibel auf, und wo er aufhört zu lesen, markiert er die Stelle mit einem Schweizer Armeemesser. „Ich bin absolut zuversichtlich“, sagt er gerne, „dass Gott in die Entwicklungen im Mittleren Osten involviert ist.“ Der Evangelikale Pompeo glaubt, dass Christen „kämpfen und kämpfen müssen, bis die Erlösung der Endzeit naht“.
Es war Pompeo, der die zwölf Verschärfungen des Abkommens für den Iran formulierte, die auf die Revolutionsgarden wie starker Rauch im Wespennest wirkten. Denn Pompeo ist nicht nur Fanatiker, sondern auch Soldat der Westpoint-Militärakademie und Harvard-Jurist. Er ist nicht nur evangelikal entrückt, er weiß auch, was er tut.
Der zweite Irakkrieg wurde, wie schon der erste, von einem Mitglied der Bush-Dynastie geführt, die aus einer alten New-England-Familie stammt. Diese Sippe tut nur so, als ob sie Texaner wären. Die Führungsriege gehört zur alten Elite: Geldadel, Luftwaffe, die Fakultäten der ältesten Universitäten. Sie wollten der Nach-Vietnam-Ära mit einem kühnen Krieg ein Ende setzen. Ihre Fehlkalkulation stürzte sie selbst in eine Krise.
Taktische Solidarität
Die neuen Kriegstreiber Washingtons dagegen wurden nicht in die Elite hineingeboren. Selbst Trump wurde im snobistischen Manhattan als ein „Road and Bridges Man“ belächelt: Trump mochte vielleicht ein wenig Geld geerbt haben, aber dennoch musste er jeden Tag den Fluss mühsam überqueren, bis er wirklich in New York war.
Auf verschiedenste Weisen mussten Trumps Außenpolitiker sich erst nach oben kämpfen. Sie alle haben einen starken Glauben an sich selbst, aber kaum Respekt für einander, wie die alten Eliten der Bushs und Roosevelts. Zur taktischen Solidarität allerdings sind sie fähig, solange sie an der Macht sind.
Diese neuen Glaubenskrieger, die eine Konfrontation mit dem Iran befürworten, sind neben Mike Pompeo Politiker wie der junge Senator von Arkansas, Tom Cotton, der auf einer kleinen Rinderfarm im ländlichen Arkansas aufgewachsen ist. Auch er ist Soldat und Harvard-Anwalt und erklärt gerne, dass Amerika den Iran in zwei Schlägen außer Gefecht setzen könne, mit dem ersten Schlag und mit dem letzten Schlag.
Wie der kühle Donald Rumsfeld setzt Tom Cotton, der selber Infanterist in Irak war, auf die Überlegenheit der Luftwaffe – und dies, nachdem die Rumsfeld-Doktrin der ausreichenden Schlagkraft der Luftwaffe so kläglich gescheitert war. Dieser überaus korrekt auftretende Mensch findet Guantánamo eine gute und humane Alternative für Menschen, „die in der Hölle schmoren sollten“.
Amerika als Ergebnis der Prophezeiung Gottes
Es ist die abgründige Fähigkeit der Gläubigen, rationale Kategorien durch schillernde Metaphern zu ersetzen, eine Verblendung, die nicht vor Anwälten haltmacht. Dies ist ein Phänomen, das ebenso bei der Ankunft des Ajatollah Chomeini in Teheran zu beobachten war, überall dort, wo die Säkularität verkümmert.
Donald Trump und sein Nationaler Sicherheitsberater John Bolton sind eher nominell christlich, auch wenn sie ihren Glauben an Amerika zur Ersatzreligion erhoben haben. Bolton, der Sohn eines Feuerwehrmanns ist und in seiner Zeit als UN-Botschafter als Hardliner berüchtigt war, hat alle außenpolitischen Debatten im Weißen Haus auf Anweisung von oben unterbunden. Er geht jeden Tag um 21.30 Uhr schlafen, dafür steht er um 3.30 Uhr auf, um Akten zu studieren.
Trump mag Bolton nicht, aber er schätzt ihn dafür, dass er in Briefings schnell zum Punkt kommt. Die beiden sehr verschiedenen Männer teilen eine Grundüberzeugung: Sie sind glühende Nationalisten, die gemäß puritanischer Tradition glauben, dass Amerika ein Ergebnis der Prophezeiung Gottes ist.
Was alle diese Figuren aber eint, Pompeo, Trump, Bolton, Cotton, den Südstaatler Lindsey Graham und andere, ist, dass sie letztlich nur eine temporäre Funktionselite bilden. Deswegen brauchen sie einen unerschütterlichen Glauben, der sie aus eher bescheidenen Anfängen an die Spitze der Republikanischen Partei gebracht hat. Aber diese Partei ist nicht stark genug, diese Funktionäre auf Dauer absichern zu können. Diese Rolle der Absicherung fällt anderen, weit weniger demokratischen Kräften, zu.
Die Koch-Brüder als Königsmacher
Die Königsmacher sind die libertären Koch-Brüder aus Witchita, Kansas. Großindustrielle, sie haben 120.000 Mitarbeiter, einen jährlichen Umsatz von 110 Milliarden Dollar und beinharte Glaubensgrundsätze niederländisch-reformierter calvinistischer Prägung. Trump braucht die Kochs für seinen nächsten Wahlkampf. Vize-Präsident Mike Pence war zuvor hauptberuflicher Lobbyist für die Koch-Brüder.
Auch Mike Pompeos Karriere ist mit Charles und David Koch eng verwoben. Nach seinem Harvard-Studium ging der Kalifornier Pompeo nach Witchita und ließ seine Luftraumfahrt-Firma von den Kochs finanzieren. Seit Jahrzehnten sind seine evangelikale Rhetorik und seine politische Programmatik perfekt auf die Koch-Brüder abgestimmt: Wie er Machiavelli und Calvin unter einem Hut bringt, ist bemerkenswert.
Die jetzige amerikanische Führung kann man als eine Bande von Glaubenskriegern bezeichnen. Deshalb hat sich Amerika in einen Glaubenskrieg im Mittleren Osten verhakt, in dem Iran die Rolle des Antichristen zugeteilt wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen