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Evakuierung aus SyrienMutmaßliche IS-Frauen zurückgeholt

Die Bundesregierung hat acht deutsche mutmaßliche IS-Anhängerinnen sowie deren 23 Kinder eingeflogen. Die meisten der Frauen sitzen nun in Haft.

Zurück in Deutschland: Die Bundesregierung hat mutmaßliche IS-Anhängerinnen eingeflogen Foto: dpa

Berlin afp/dpa | Die Bundesregierung hat acht Frauen nach Deutschland fliegen lassen, die sich vor einigen Jahren der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) angeschlossen haben sollen. Zuletzt lebten die deutschen Frauen und ihre 23 Kinder im Gefangenenlager Roj im Nordosten Syriens, das unter kurdischer Verwaltung steht. Eine Chartermaschine mit ihnen an Bord landete am Mittwochabend kurz vor Mitternacht auf dem Frankfurter Flughafen. Ein Großteil der Rückkehrerinnen sei nach der Landung in Haft genommen worden, teilte Außenminister Heiko Maas (SPD) mit.

„Die Kinder trifft keine Schuld an ihrer Lage“, hob Maas in der Mitteilung hervor. Es sei daher „richtig, dass wir alles dafür tun, ihnen ein Leben in Sicherheit und einem guten Umfeld zu ermöglichen“.

Deutschland hatte die Rückholung laut Maas gemeinsam mit Dänemark organisiert, das demnach 14 Kinder und drei Frauen aus Syrien zurückholte. Die USA leisteten laut Auswärtigem Amt logistische Unterstützung. Maas dankte beiden Partnerländern sowie der kurdischen Selbstverwaltung in Nordostsyrien. „Nicht nur für uns, sondern für alle Beteiligten war die Aktion ein Kraftakt“, betonte der Minister.

Bei den zurückgeholten deutschen Kindern handelt es sich nach Angaben des Auswärtigen Amtes um „Fälle, die nach Einschätzung insbesondere auch der lokalen Stellen als besonders schutzbedürftig eingestuft“ worden seien. Es seien Kinder mit Erkrankungen oder mit Sorgeberechtigten in Deutschland, sowie deren Geschwister und Mütter.

40.000 Kinder in den syrischen Lagern

Maas betonte, die Lage in der Region sei „sehr schwierig, Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen“. Durch Coronapandemie und wirtschaftlichen Kollaps habe sich die Lage weiter verschärft. Angesichts dessen gebühre Deutschlands Ansprechpartnern vor Ort „großer Dank dafür, dass sie uns dennoch in den vergangenen Monaten nach Kräften bei der intensiven Vorbereitung unterstützt haben“.

Zuvor hatte die „Bild“-Zeitung über die Rückholaktion berichtet. Demnach war am Mittwochmorgen ein Team des Auswärtigen Amtes und des Bundeskriminalamts an Bord einer US-Militärmaschine auf einer Luftwaffenbasis in Nordsyrien gelandet. Von dort hätten die Beamten die bislang größte Rückführung von Deutschen aus Syrien gestartet.

Die acht deutschen Frauen waren dem Bericht zufolge nach Syrien gereist, um sich dort der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) anzuschließen. Sie seien dann vom kurdisch-arabischen Militärbündnis SDF gefangengenommen worden.

In den abgelegenen Lagern Roj und Al-Hol, die von den kurdischen Streitkräften verwaltet werden, sind die Familien von Männern untergebracht, die wegen mutmaßlicher Verbindungen zum IS inhaftiert sind. Die kurdischen Behörden, die das Gebiet kontrollieren, haben immer wieder erklärt, dass sie nicht in der Lage seien, Prozesse für alle inhaftierten ausländischen Verdächtigen zu organisieren oder deren Familien zu unterstützen.

Westliche Regierungen sind unterdessen besorgt über die Auswirkungen, die Rückführungen von IS-Anhängern auf die innere Sicherheit und die öffentliche Meinung haben könnten.

Die Organisation Save the Children hatte vergangenen Monat kritisiert, seit Jahresbeginn seien in den Lagern von Roj und al-Hol bereits 62 Kinder durch Gewalt, Krankheiten und Unfälle zu Tode gekommen. In den beiden Lagern lebten insgesamt 40.000 Kinder aus 60 verschiedenen Ländern unter katastrophalen Bedingungen, weil viele „der reichsten Länder der Welt“ es versäumt hätten, die Kinder nach Hause zu holen, erklärte die Hilfsorganisation.

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11 Kommentare

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  • @SURYO:

    Geht's noch.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Die Frauen gehören in Syrien und im Irak vor Gericht als Kriegsverbrecherinnen die Menschen dort haben ein Recht vor Ort für Gerechtigkeit.

  • @MOWGLI:

    "in Relation zur inneren Sicherheit eines Landes und zur öffentliche Meinung seiner Bürger?"

    Das ist es ja, was ich da unten mit "dog whistle" meine. "Offentliche Meinung" stehr da als Chiffre für "die sind ganz gefährlich".

    Natürlich halte ich Maas nicht für einen Faschisten, allenfals für einen Opportunisten.

    Nur, hier pfeift er die Pfeife weiter und verbreitet sie somit. Als Profi sollte er, so meint mensch, seine Kommunikation besser im Griff haben.

    Und oh, @TAZTIZ: "mutmasslich" steht ihnen mindestens so lange zu, wie die Sache nicht vor Gericht geklärt ist. So wie es Ihnen oder mir zusteht. Oder träumen Sie etwa von einer Welt, in der es Menschen zweiter Klasse gibt?

  • Zitat: „Die Kinder trifft keine Schuld an ihrer Lage“, hob Maas in der Mitteilung hervor. Es sei daher „richtig, dass wir alles dafür tun, ihnen ein Leben in Sicherheit und einem guten Umfeld zu ermöglichen“.







    Alles, hm? Mehr ging also nicht?







    Was sind das Leben eines Kindes und seine Zukunft eigentlich wert in Relation zur inneren Sicherheit eines Landes und zur öffentliche Meinung seiner Bürger? Und wieso gehen die Regierungen in 60 Ländern dieser Erde eigentlich davon aus, dass die Öffentliche Meinung in ihren Hoheitsgebieten ein Problem mit Kindern hat, die eine Chance bekommen sollen? Haben sie womöglich selber dafür gesorgt? Zum Beispiel, in dem sie zum Zwecke des Selbstschutzes öffentlich die biologistische Idee propagieren (lassen), Schuld sei eher ein vererbbares Phänomen als eine Folge falscher Entscheidungen auf Regierungsebene?







    Übrigens frage ich mich grade, wie es Außenminister Heiko Maas wohl geht mit der Entscheidung, Kindern, die er persönlich für unschuldig hält, so kurz nach einer traumatischen Lager-Erfahrung ihren letzten verbliebenen Elternteil zu nehmen. Kann er sich womöglich gar nicht vorstellen, wie sich derartige Entscheidungen auf die kindliche Entwicklung auswirken können? Hat er sich jemals Gedanken gemacht darüber, wie viel besser ein Kind mit einer anwesenden Mutter dran ist als mit einer, die im Gefängnis sitzt, damit sich deutsche (Spieß-)Bürger noch sicherer fühlen können, als wenn die Frau „nur“ 24/7 überwacht und unterstützt würde bei der Wiedereingliederung?







    Wenn Maas gut leben könnte mit der Entscheidung, müsste ich mich fragen, ob Maas selbst Vater ist und wenn ja, was für einer. Wenn nicht, würde die Frage lauten: Warum hat er nichts gesagt oder getan um sich besser zu fühlen? Hat er womöglich doch? Und wenn, wieso erfahre ich das dann nicht aus der taz? Wegen der Staatsräson und weil auch die taz sich lieber einer fragwürdigen öffentlichen Meinung andient, als diese - Stück für Stück - zu korrigieren?

    • @mowgli:

      ?????

      Herr Maas hat doch gar nicht die Möglichkeit, den Frauen ein Strafverfahren oder eine Haftstrafe zu ersparen.

      Vielleicht erinnern sie sich, dass es seit ein paar Tagen in Deutschland eine unabhängige Justiz gibt?

      Die Frauen stehen im Verdacht, ggf. schwere straftaten begangen zu haben und entsprechend behandelt sie die Justiz.

      Ob sich Herr Maas dabei gut oder schlecht fühlt, ist völlig unerheblich.

      Manchmal bin ich wirklich erschrocken über das Rechtsverständnis mancher Tazleser_innen.

  • Interessant wie der Terminus „mutmaßlich“ hier strapaziert wird. Warum waren die Frauen denn sonst in Syrien, wenn nicht um sich dem IS anzuschließen? Urlaub? Flieger nach Malle verpasst?

    Im Grunde müsste dieser ständig genutzt werden, um der korrekten Sprache zu entsprechen. Wahrheiten und Fakten scheinen nur noch angezeigt, wenn der eigenen Ideologie entsprochen wird.

  • Eigentlich sollte man schreiben, dass 23 deutsche Kinder vorm IS gerettet wurden. Ihre insgesamt acht Mütter wurden ebenso nach Deutschland geholt, um sie als Terroristinnen vor Gericht zu stellen.

    • @Suryo:

      Weshalb hätte man das schreiben sollen, wo es doch sachlich falsch ist?

      Diese 23 Kinder wären unter der kurdischen Lokalregierung aufgewachsen, nicht unter dem IS.

      • @rero:

        Mit IS-Müttern.

  • "Westliche Regierungen sind unterdessen besorgt über die Auswirkungen, die Rückführungen von IS-Anhängern auf die innere Sicherheit und die öffentliche Meinung haben könnten."

    Die Reihenfolge dürfte genau umgekehrt sein. Es sei denn, mit "innerer Sicherheit" meinen die die Bedrohung durch rechte Spacken.

    Alleine der oben zitierte Satz ist schon dog whistle [1] [1a].

    [1] en.wikipedia.org/w...whistle_(politics)



    [1a] de.wikipedia.org/w...ndepfeifen-Politik

    • @tomás zerolo:

      Herr Bax, sind Sie es?

      Meinen Sie ernsthaft, erwachsene Menschen, die jahrelang den IS unterstützt haben und seine Mitglieder waren, seien eher unriskant? Dass schon der Gedanke ganz und gar ungerechtfertigt, ja wohl noch islamophob oder rassistisch sei? Absurd. Niemand ist zum IS gereist und hat dort gelebt und ihn unterstützt, ohne seine tödliche und barbarische Ideologie zu teilen. Die Vorstellung, die Frauen seien alle unschuldige Verführte, ist selbst gefährlich. Sie verkennt, dass Frauen selbst sehr wohl fanatisch und bösartig sein können. Wer ein kleines jesidisches Mädchen als „Sklavin“ im eigenen Haushalt ausbeutet, der ist nicht einfach nur eine naive „Terror-Braut“, sondern Täterin und damit bei der Rückkehr nach Deutschland nicht als niedrigeres Risiko als ein männliches IS-Mitglied einzustufen. Frauen können nämlich genauso wichtig für die Organisation sein wie Männer. Und wenn es nur ist, weil sie ihren Kindern den ideologischen Dreck eintrichtern.