Europawahl im Mai: Setzt die AfD auf einen Dexit?
Am Wochenende will die AfD im sächsischen Riesa über ihr Europawahlprogramm beraten. Dabei könnte sie ihren Willen besiegeln, die EU zu zerstören.
Als AfD-Chef Jörg Meuthen sich Mitte November um die Spitzenkandidatur seiner Partei zur Europawahl bewarb, versicherte er noch: „Wir treten nicht an, um die EU kaputt zumachen.“ Meuthen wurde mit 90 Prozent der Stimmen auf Listenplatz 1 gewählt.
Am kommenden Wochenende, wenn sich die Delegierten der AfD – diesmal im sächsischen Riesa – erneut zur Europawahlaufstellung treffen, könnte aber genau das besiegelt werden: der Wille der AfD, die EU zu zerstören. Oder zumindest dem Brexit einen Dexit, den Austritt Deutschlands aus der EU, folgen zu lassen. Was ihrer Sprengung gleichkommen würde.
In der Sachsen-Arena in Riesa sollen die Delegierten neben der Wahl weiterer KandidatInnen für das Europaparlament auch über ihr Programm zur Europawahl im Mai abstimmen. Und der Leitantrag dazu, über den laut bisheriger Tagesordnung unter TOP 11 abgestimmt werden soll, hat es in sich.
„Sollten sich unsere grundlegenden Reformansätze im bestehenden System der EU nicht innerhalb einer Legislaturperiode verwirklichen lassen, halten wir einen Austritt Deutschlands oder eine geordnete Auflösung der EU und die Gründung einer neuen europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft für notwendig“, heißt es gleich unter der Überschrift „Ein Europa der Nationen“ gleich bei Punkt 2 des Leitantrags.
Manchen in der Partei geht das zu weit
Gefordert wird, dass das EU-Parlament innerhalb von fünf Jahren in eine „Europäische Versammlung“ umgewandelt wird, ein Gremium von maximal 100 Delegierten ohne Rechtsetzungskompetenz. Die sollen nicht mehr von der Bevölkerung, sondern von den nationalen Parlamenten gewählt werden. Das EU-Parlament soll sich also quasi selbst abschaffen.
Der rechtsnationale Politiker André Poggenburg hat die AfD verlassen und den Parteivorstand zum Abschied scharf kritisiert. Der Landtagsabgeordnete aus Sachsen-Anhalt und einstige Landesparteichef bestätigte der Deutschen Presse-Agentur am Freitag, dass er mit sofortiger Wirkung seinen Parteiaustritt erklärt hat. Poggenburg, der in der Vergangenheit immer wieder durch verbale Entgleisungen auffiel, hat bereits eine neue Partei gegründet: Mit ihr wolle er im Herbst bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg antreten.
Die Differenzen mit der AfD-Parteiführung in Berlin hätten „letztlich ein unüberbrückbares Ausmaß angenommen, so dass ich mich dazu entschieden habe, meinen politischen Kampf für dieses Land außerhalb der AfD weiterführen zu müssen“, sagte Poggenburg der Welt. Zudem habe die Partei Wahlversprechen gebrochen, weshalb ihm nur der Austritt geblieben sei. Poggenburgs Fazit: „Sie wird oft nicht mehr als wirklich patriotische Alternative wahrgenommen und hat diesbezüglich stark an Glaubwürdigkeit verloren.“ (dpa)
Die Umsetzung einer derart radikalen Forderung ist innerhalb einer Legislaturperiode schlicht unrealistisch. Im Klartext heißt das also: Die AfD strebt den Dexit für das Jahr 2024 an. Das ist neu. Bislang haben zwar einzelne VertreterInnen der AfD einen Austritt Deutschlands aus der EU gefordert, doch eine abgestimmte Position der Partei war das nicht.
Manchen in der Partei geht das zu weit, darunter auch Jörg Meuthen, der immerhin Parteichef und Spitzenkandidat für die Europawahl ist. Meuthen hat einen Änderungsantrag eingereicht, der die Formulierung „innerhalb einer Legislaturperiode“ in „in angemessener Zeit“ umwandeln will – was dehn- und auslegbar ist. Ob Meuthen sich mit dieser Ansicht durchsetzen wird, dürfte spannend werden. In einer Onlinebefragung, an der allerdings nur ein Fünftel aller AfD-Mitglieder teilgenommen hat, haben sich fast 90 Prozent für die radikale Forderung des Leitantrags entschieden.
Doch vielleicht kommt es am Wochenende gar nicht zur Abstimmung über den Leitantrag – und Meuthen wird noch einige Wochen Zeit bekommen, um bei den Delegierten noch für etwas mehr Geduld mit der EU zu werben. Denn der Bundesvorstand will am Freitagmittag zu Beginn des Parteitags eine Änderung der Tagesordnung vorschlagen. Danach sollen zunächst die offenen Listenplätze besetzt werden und erst danach soll das Wahlprogramm beraten werden.
Das Argument: Für die KandidatInnenliste gibt es eine Deadline. Sie muss bis Anfang März beim Bundeswahlleiter eingereicht werden. Die AfD will insgesamt 40 KandidatInnen aufstellen – auch wenn sie bei 16 Prozent mit nur etwa 16 Abgeordneten ins Europaparlament einziehen würde. Bei der ersten Europaversammlung Mitte November in Magdeburg haben die Delegierten in vier Tagen gerade 13 Listenplätze besetzt. Fehlen also noch 27. So mancher im Bundesvorstand geht schon von einer dritten Versammlung in wenigen Wochen aus.
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