Erster AfD-Landrat Deutschlands: Der Einfluss des Robert Sesselmann
Die Gestaltungsräume für den AfD-Landrat in Sonneberg sind eng. Amtskollegen in Thüringen kündigen an, mit ihm zusammenarbeiten zu wollen.
Die erste Umarmung nach dem Wahlsieg galt dem Rechtsextremisten Björn Höcke, mit dem er im Wahlkampf zusammen auftrat und dem er offensichtlich wie der gesamte Thüringer Landesverband loyal ergeben ist. Der erste designierte AfD-Landrat Robert Sesselmann im thüringischen Landkreis Sonneberg, 50 Jahre, Brille mit dünnem Rand, ist für die AfD ein symbolischer Erfolg auf dem Weg zur Normalisierung. Die extrem rechte Partei überhöht den Wahlsieg allerdings auch zu einer „Zeitenwende“ – und hofft nun auf einen braunen Dominoeffekt. Angetreten ist Sesselmann hingegen mit Hetze gegen Geflüchtete, Euro-Austritt und gegen das Heizungsgesetz.
Tatsächlich aber sind Sesselmanns Einflussmöglichkeiten als Landrat begrenzt. Er muss die Gesetze des Landes, des Bundes und die Beschlüsse des Kreistags in Sonneberg umsetzen. Eine Mehrheit hat die AfD dort nicht. Jedenfalls bis zu den Kommunalwahlen 2024 sind die CDU und ein grün-linker Zusammenschluss mit je 10 Abgeordneten die stärksten Fraktionen. Die AfD stellt 9 Abgeordnete.
Werner Henning, Deutschlands ältester amtierender Landrat aus dem thüringischen Eichsfeld und CDU-Mitglied, sagte der taz: „Es ist erschreckend, wie sehr sich der neue Landrat aufs Parteipolitische konzentriert. Er bedient in der Bevölkerung die Illusion, dass er die Welt aus den Angeln heben könnte. Das ist grober Unfug!“ Zudem sei es schier unerträglich, wenn die Parteispitze der AfD sich mit „aggressivem Auftreten“ einmische und bei der Wahlparty Statements abgebe.
Die Zusammenarbeit mit dem AfD-Landrat werde er dennoch nicht verweigern, sagt Henning. Erstmals werde er ihn bei der nächsten Landrätekonferenz zum Thema kommunaler Finanzausgleich treffen. Henning werde ihm zur Wahl gratulieren, aber auch sagen: „Orientieren Sie sich an Recht und Gesetz, Sie haben in ihrem Amt keine parteipolitische Freiheit, und wenn Sie meinen, diese umzusetzen zu können, ist es nichts anderes als Populismus.“ Wenn Sesselmann seine Kompetenzen überschreite, bekomme er Probleme mit der Rechtsaufsicht. Tatsächlich kann das Land Thüringen Zwangs- oder Strafmaßnahmen verhängen von Geldbußen bis Entlassung, wenn Sesselmann sich etwa bei der Flüchtlingsunterbringung verweigert.
Blockade nicht immer möglich
Uwe Schlammer, Vorsitzender der gemeinsamen Fraktion von Linken und Grünen im Kreistag Sonneberg, klingt am Tag nach der Wahl noch verstört: „Es zehrt noch immer an meinen Magenwänden, dass über 50 Prozent einem Freund des Faschisten Höcke ihre Stimme gegeben haben“, sagt Schlammer.
Schon jetzt sei für ihn klar, dass der Kreistag dem AfD-Landrat Grenzen aufzeigen müsse: „Wir müssen wachsam sein, wenn er versucht, Spielräume zu nutzen, um etwa die Demokratieförderung zusammenzustreichen oder nur noch Sachleistungen für Geflüchtete auszugeben“, so Schlammer. Bei bestimmten Sachthemen könne man aber auch nicht gegen alles stimmen, was er einbringe, so Schlammer. Aber wenn er versuche, AfD-Themen durchzubringen, werde der Kreistag das blockieren.
Auch für die Unterbringung von Flüchtlingen müsse der AfD-Landrat sorgen, sagt Schlammer: „Auch da sehe ich nicht so viel Spielraum, und die Gesamtkosten werden ohnehin vom Bund erstattet. Die AfD behauptet zwar immer, dass der Kreis horrende Mittel dafür ausgebe, das stimmt aber nicht.“ Anders sei es bei seiner Rolle als Chef der Verwaltung von Hunderten Angestellten: „Der Landrat hat in der Personalpolitik einen großen Spielraum“ – er kann also über Beförderungen und Stellenbesetzungen entscheiden.
Auch wichtig dürfte seine Funktion als Repräsentant des Landkreises sein. Er soll den Landkreis nach außen und innen vertreten. Eine Aufgabe, die für den rechten Kulturkampf der AfD maßgeschneidert ist – unabhängig von den tatsächlichen Kompetenzen.
Laut Rechtsextremismusforscher David Begrich stelle sich die Frage, wie man mit der exekutiven Normalisierung der AfD umgehen solle: „Die Landräte sollten sorgfältig unterscheiden zwischen notwendiger Interaktion und politischer Kooperation.“ Denn klar sei auch, dass Landräte eine gesellschaftspolitische Gestaltungsmacht hätten bei Fragen von Soziokultur, Gleichstellung und dem Umgang mit Migranten.
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