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Eröffnung der RuhrtriennaleErnsthaft wie Hamlet

Wollte die Ruhrtriennale nicht weg von traditionellen Theaterformaten? Dies Jahr eröffnete das Festival dagegen klassisch mit dem „Sommernachtstraum“.

Eher Autofriedhof als Zauberwelt: Bühne des „Sommernachttraums“. Rechts Oliver Nägele als Zettel

Die Kraftzentrale im Landschaftspark Duisburg-Nord ist ein Raum von gewaltigen Ausmaßen, ein riesiger Schlauch, scheinbar endlos lang. Bevor es losgeht mit Shakes­peares „Ein Sommernachtstraum“, fragt man sich, wo sich denn diesmal wohl die Spielfläche befinden wird, denn man blickt nur in die dunkle, unergründliche Tiefe des Raums. Dann öffnet sich ein Vorhang, und siehe da, der Raum ist noch viel länger.

Endlich darf das Publikum die Tribünen erklettern, viel Politik- und Kulturprominenz aus Nordrhein-Westfalen ist dabei, schließlich ist die Ruhrtriennale das erklärte Leuchtturmfestival des größten Bundeslands der Republik. Und mit Shakespeares Komödie steht diesmal keine experimentelle, sparten­übergreifende „­Kreation“ auf dem Spielplan – ein Format, das seinerzeit Gründungsintendant Gerard ­Mortier erfand –, keine Uraufführung, kein sonstiges Wagnis, sondern ein Thea­ter­stück, das jeder zu kennen glaubt.

Tatsächlich zählt der „Sommernachtstraum“ heute zu den eher seltener gespielten Werken Shakespeares, beliebter sind derzeit seine blutigen Dramen. Der märchenhaften Komödie scheint man heute nicht viel zuzutrauen. Barbara Frey jedoch hält sie für „das Stück der Stunde“ und das Mäandernde der Form und die logischen Zumutungen der Handlung zwischen Traum und Wirklichkeit für eine ideale Theatersituation, um grundlegende Fragen nach der Freiheit des menschlichen Willens zu stellen.

Mit einer satten Viertelstunde Verspätung geht es dann endlich los, Martin Zehetgruber hat auf die ebenerdige Drehbühne einen Container gebaut, der an der Vorderseite verglast ist wie ein Bungalow. Durch die Dunkelheit zielt ein Spot auf eine schlafende Frau, aus dem Off tönen gläsern-leise Xylophontöne, dann geht kurz das Licht im Container an, eine Handvoll stummer, grau gekleideter Gestalten starren auf die Schlafende, die sich bald als in einen pinken Ballonrock gewandete Hermia (Meike Droste) herausstellt.

Bodenlange Mozartzöpfe

Neben Puck (Dorothee Hartinger) und Zettel (Oliver Nägele) ist Hermia in Freys Konzept die einzige Bühnenfigur, die ihrer Rolle treu bleibt, das restliche Personal spielt mehrere Rollen und wechselt munter die Geschlechtsidentitäten.

Hinter dem Container bringt die Drehbühne statt Zauberwald eine Art Autofriedhof mit in die Erde eingesunkenen Wracks hervor, vier schüttere Bäumchen sorgen nur für karge Idylle. ­Esther Geremus steckt die Figuren teils in graue, zeitlos heutige Anzüge, manche in Monturen, die an Mao-Uniformen erinnern, die Elfen tragen Faltenröckchen und bodenlange Mozartzöpfchen und Titania (Markus Scheumann) ein fantastisches, hautenges Gewand in giftigem Gelb und einen turmhohen Haarhelm.

In gemächlichem Tempo erzählt Frey nun die Geschichte, stets untermalt von live auf diversen Tasten- und Perkussionsinstrumenten gespielter Musik, die mal spieluhrzart, mal mit unerbittlichen Akkorden wie ein Uhrwerk die Zeit zählend, mal romantisch wie ein Chopin-Nocturne tönt.

Zur Erinnerung: Verhandelt werden auf der Bühne nicht weniger als vier Handlungsstränge, es geht um eine Herrscherhochzeit, die vorbereitet wird, sechs Handwerker proben zur Feier ein Theaterstück, dann gibt es das miteinander zankende Elfenpaar Oberon und Titania, den Hofnarren Puck und zwei aristokratische Liebespaare, die zu­einanderkommen wollen, zudem noch Feen und Elfen.

Wollte die Ruhrtriennale nicht mal weg von traditionellen Formaten?

Barbara Frey hat Shakespeares Text beherzt gekürzt, sodass ihr Zeit bleibt, das Tempo rauszunehmen aus der Komödie, gespielt wird durchweg bedächtig, fast wie in Zeitlupe, aus dem Witz wird Nachdenklichkeit und zarte Ironie. Frey zeichnet eine gebremste, beinahe apathische Gesellschaft, alle Figuren haben etwas sanft Lächerliches, Unbeholfenes, und endlich ist das Stück im Stück – die berühmte Handwerkerszene – einmal kein lauter Klamauk, sondern eine ernsthafte Reflexion über das Thea­ter selbst.

Und ganz beiläufig von frappierender Aktualität, denn wenn die Laiendarsteller bei Shakespeare darüber sinnieren, ob dem Publikum ein Löwe zuzumuten sei und man nicht doch besser vorher ansagen solle, dass nun gleich ein Löwe auftrete, dieser aber in Wahrheit ein Schauspieler sei, dann erledigt Shakespeare vor 400 Jahren die heutige Diskussion über Triggerwarnungen lässig mit links.

Der Höhepunkt des Abends

Oliver Nägele spielt und spricht diese Szene als Zettel mit der Ernsthaftigkeit eines Hamlet und sorgt so für den Höhepunkt des Abends. Nicht zuletzt auch deshalb, weil man ihn mit weitem Abstand am besten verstehen kann. In der riesigen Halle sind alle Stimmen verstärkt, klingen aber über weite Strecken schlecht ausgepegelt und – zumindest schon in Reihe 10 von 17 – undeutlich, verwaschen und sind schwer zu verstehen.

So sieht man viele Köpfe zu den Seiten gedreht, wo englische Übertitel eingeblendet werden. Ein Problem, das den Abend beeinträchtigt und Distanz schafft. Und eine grundsätzliche Frage aufwirft: War die Ruhrtriennale nicht mal ein Festival, das wegwollte von traditionellen Formaten?

„Der Sommernachtstraum“ ist eine Koproduktion mit dem Wiener Burgtheater, wo er bereits im September in den Spielplan aufgenommen wird. Also hoch artifizielles Sprechtheater, konzipiert für eine traditionelle Theaterbühne.

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