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Erntehelfer über deutsche Erdbeerernte„Die Bedingungen dort sind so schlecht“

Der Georgier Levani Idadze war auf zwei deutschen Erdbeerhöfen Saisonarbeiter und hat in beiden Fällen die Landwirte verklagt. Jetzt mit Erfolg.

Kritisiert die Arbeitsbedingungen für Erntehelfer in Deutschland: Levani Idadze Foto: Aliona Kardash
Franziska Schindler

Interview von

Franziska Schindler

taz: Herr Idadze, die Arbeitsbedingungen für ausländische Sai­son­ar­bei­te­r*in­nen auf deutschen Äckern sind oftmals desaströs. Sie haben als Erntehelfer gearbeitet, den Landwirt wegen Ausbeutung verklagt und gewonnen. Kürzlich hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen das Urteil als rechtskräftig bestätigt. Wie geht es Ihnen?

Levani Idadze: Das war so überraschend. Der Landwirt war ein harter Typ. Er hatte gleich Berufung eingelegt, nachdem wir vergangenen Dezember in erster Instanz gewonnen hatten. Jetzt hätte die Verhandlung in zweiter Instanz stattfinden sollen, in Hannover. Ich war gerade auf dem Weg zum Bahnhof, als ich die Mail von meinem Anwalt bekommen habe: Die Berufung wurde aufgehoben. So eine schöne Nachricht!

Im Interview: Levani Idadze

ist Wirtschaftswissenschaftler. Nach seinem Studium im georgischen Kutaisi kam er nach Deutschland. Heute macht der 29-Jährige eine Ausbildung zum Fleischer und wohnt in der schleswig-holsteinischen Kleinstadt Heiligenhafen.

taz: 2021 sind Sie als Erntehelfer nach Deutschland gekommen. Wie kam es dazu?

Idadze: Ich habe damals in Georgien auf dem Land gelebt. Ich hatte zwar Wirtschaftswissenschaften studiert, war aber arbeitslos. So geht es vielen, die wie ich kritisch gegenüber der georgischen Regierung sind. Um etwas an meiner Situation zu verändern, habe ich entschieden, in Deutschland eine Ausbildung zu beginnen. Bis die anfing, wollte ich den Sommer in der Saisonarbeit überbrücken, Geld verdienen und mein Deutsch verbessern.

taz: Der Landwirt in Niedersachsen, gegen den Sie nun gewonnen haben, war schon Ihr zweiter Hof. Zuerst waren Sie auf einem Erdbeerhof am Bodensee, zusammen mit rund zwanzig weiteren Ern­te­hel­fe­r*in­nen …

Idadze: Die Bedingungen dort sind so schlecht. Es gibt keinen Arbeitsschutz, keine Kontrollen, Arbeitszeiten werden nicht erfasst. In unserem Vertrag stand, dass wir 48 Stunden pro Woche arbeiten können und dafür 1.600 Euro bekommen. Das hat der Landwirt aber nicht eingehalten. Wir haben nur vier Stunden pro Tag gearbeitet oder hatten frei, weil es nicht so viel Arbeit gab. Anstatt uns nach Vertrag zu bezahlen, hat er nach Akkordlohn abgerechnet.

taz: Sie wurden also pro Erdbeerkiste bezahlt?

Idadze: Ja, das fand ich nicht fair. Es war viel weniger als vereinbart. Außerdem gibt es unterschiedliche Arten von Erdbeeren. Wir Ge­or­gie­r*in­nen haben die kleineren mit viel Unkraut dazwischen abbekommen. Die kann man schwer pflücken und es dauert viel länger. Die Leute aus Rumänien haben die Felder mit den größeren Erdbeeren und weniger Unkraut abgeerntet. Das hat System.

taz: Wie kam es dazu, dass Ihre Gruppe geklagt hat?

Idadze: Wir hatten total Glück. Wir haben in Deutschland und Georgien versucht, unsere Situation öffentlich zu machen. Das hat funktioniert. Deswegen ist die Beratungstelle mira (Mit Recht bei der Arbeit) auf uns aufmerksam geworden. Sie haben uns ein tolles Angebot gemacht: mit uns gegen den Landwirt vor Gericht zu gehen.

taz: Trotzdem endete das Verfahren gegen den Landwirt vom Bodensee in einem Vergleich, weil Sie die gearbeiteten Stunden nicht genau genug nachweisen konnten.

Idadze: Uns fehlte die Erfahrung. Beim zweiten Hof wussten wir dann genau Bescheid und haben Excel-Tabellen geführt.

taz: Der zweite Hof war in Niedersachsen. Was ist da passiert?

Idadze: Da sah es erst mal gut aus. Die Unterkunft war super. Wir konnten die vereinbarten Stunden arbeiten, zumindest im ersten Monat. Wir sollten denselben Lohn bekommen wie die Erntehelfer mit EU-Staatsbürgerschaft. Aber der Landwirt hat keinen Cent bezahlt, weil er verschuldet war. Ende Juni habe ich nachgefragt, wie es mit unserem Lohn aussieht. Er meinte, wir bekommen ihn am Ende der Saison. Wir standen schon am Flughafen, da war noch immer nichts auf unserem Konto. Schließlich haben wir auch diesen Landwirt verklagt.

taz: Bekommen Sie jetzt Ihren Lohn zurück?

Idadze: Mir muss er 2.600 Euro bezahlen. Ich weiß nicht, wie seine finanzielle Situation ist. Insolvenz hat er zumindest nicht angemeldet. Wahrscheinlich bekomme ich das Geld, aber die Frage ist, wann.

taz: Wie geht es jetzt für Sie weiter?

Idadze: Ich mache meine Ausbildung zum Fleischer bei Edeka im dritten Ausbildungsjahr. Zusammen mit meiner Frau habe ich meine neuen Kol­le­g*in­nen und Freun­d*in­nen zu mir nach Hause eingeladen und wir haben erst mal gefeiert.

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14 Kommentare

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  • Studierter Wirtschaftswissenschaftler läßt sich zum Fleischer ausbilden?! Schräg

  • Nach welchen Erdbeeren greifst du?



    Faire Erntelöhne bei guten Arbeitsbedienungen sind machbar, verteuern aber das deutsche Produkt Erdbeeren noch mehr. Wer greift schon nach "deutschen Erdbeeren aus fairen Anbau" für 7€ pro Schale, wenn daneben die aus Spanien für 2,98€ stehen. Kaum jemand, leider.

    • @Hans Dampf:

      Vor kurzem gabs eine Meldung, dass 90 % der Deutschen Umweltschutz für wichtig halten.



      Das sind wohl genau die 90 %, die faire Erdbeeren mit fairem Erntelohn kaufen, ohnehin nur Bio essen, keinen Playboy lesen, keine Pornos schauen und nur zu Bildungszwecken nach Malle fliegen.

  • Unsere Gesellschaft und besonders die Politik muss sich dafür schämen es den Landwirten zu ermöglichen, so mit den Saisonarbeitern umzugehen.



    Einerseits ist da die Raffgier der Bauern und andererseits die Anspruchshaltung vieler Konsumenten immer alles billig zu bekommen.



    Man kann auch mal einfach keine Erdbeeren oder Spargel kaufen, wenn man weiss wie die Situation der Arbeiter ist.



    Und die Politik interessiert es sowieso nur am Rande, weil die Agrarlobby die Parteien mit ihren Gewährsleuten durchsetzt hat.



    Solange sich das nicht ändert werden diese Ausbeuter immer so weiter machen.



    Wir Verbraucher können zwar nicht die Welt ändern, aber unseren Deutschen Bäuerlein kräftig in die Suppe spucken, indem wir den Konsum verweigern!

    • @ Christoph:

      Deutsche Bauern stehen im weltweiten Wettbewerb und das bei höchsten Personal-, Energie- und Investitionskosten. Klar ist es für den Verbraucher einfacher das Billigprodukt zu kaufen, aber das ist in der Regel zu anderen Standards ezeugt worden. Klar gib es auch Ausbeuter, die gibt es in jeder Branche, aber bitte nicht alle über einen Kamm scheren!

      • @Volkmar Katenkamp:

        Wir sind Verbraucher mit einer recht überschaubaren Rente, aber für uns ist klar, dass wir solche Billigprodukte nicht kaufen.



        Alles eine Sache des Denkens und der Prioritäten.

        • @Erfahrungssammler:

          Das mit den Prioritäten würde ich bestätigen.

  • Respekt, Gratulation zum gewonnenen Rechtsstreit!

  • Erdbeeren sind für Landwirte ein Hochrisikogeschäft.



    Das sollte man nicht durch fehlende Kontrollen und damit Zulassung von Lohndumping subventionieren.



    Es gibt kein Menschenrecht auf billige Erdbeeren von April bis Oktober.



    Und zusätzlich nehmen deutsche Landwirte sich mit solchen Argumenten ein wichtiges Argument für regionale Käufe. Wenn es hier nicht besser ist als anderswo, wird es schwierig die Kunden von heimischen Erdbeeren zu überzeugen.

    • @Herma Huhn:

      8 Euro für 1 Kg Erdbeeren können sich viele nicht leisten. Dann eben vom Discounter aus Spanien für 5 Euro oder gar nicht mehr.

    • @Herma Huhn:

      Sie finden 7,99 € pro Kilo für (heimische) Erdbeeren billig?

      Respekt.

      • @Desti:

        Rechnen Sie einfach mal aus, wie viele Erdbeeren der Pflücker bei diesem Preis ernten muss, um Mindestlohn zu verdienen - und machen Sie sich dann klar, dass der nicht der Einzige ist, der fairen Lohn bekommen soll und dass dann auch noch der Staat Abgaben von Lohnnebenkosten bis zur Grundsteuer für das Erdbeerfeld bekommen will.

        8 € sind da nicht wirklich teuer...

        • @FriedrichHecker:

          Eine Durchfahrt durch eine Autowaschanlage ist teurer.

  • Tja. Den Lohn wird Herr Idadze sicher bekommen.



    Denn der Bauer wird sicher keinen Bock auf eine Taschenpfändung nach dem Kirchgang haben.

    Aber leider, leider ist so ein Verhalten nicht strafbar.



    Es sei denn man kann dem Bäuerlein vielleicht Einen wegen Insolvenzverschleppung einschenken ...