Erneuerbares Heizen: Leipzig setzt bald auf Sonnenwärme
Die sächsische Großstadt hat Deutschlands größte Solarthermieanlage gebaut. Ab 2026 soll sie im Vollbetrieb Heizenergie liefern.

Solarthermie ist die etwas in Vergessenheit geratene Schwester der Photovoltaik. Statt Strom wird dabei mit Sonnenenergie Wärme produziert. Die Photovoltaik boomt, 2023 wurden Anlagen mit 14.600 Megawatt neu aufgebaut, ein Rekord. Und der wurde im vergangenen Jahr mit 16.900 Megawatt noch einmal überboten. Die Sonnenenergie in Wärme umzuwandeln ist dagegen weniger gefragt: 2022 lag die neu installierte Leistung noch bei knapp 500 Megawatt, 2023 sank sie auf 263 Megawatt, im vergangenen Jahr sogar auf nur noch 154.
Dabei ist die Solarthermie eine der effizientesten erneuerbaren Wärmequellen. „Pro Hektar kann mit ihr etwa dreimal mehr Energie genutzt werden als bei Photovoltaik“, sagt Erik Jelinek, Projektleiter bei den Leipziger Stadtwerken. Die Anlage sei ein wichtiger Baustein des kommunalen Wärmeplans, mit dem die Messestadt die Heizung und den Warmwasserbedarf der 630.000 Einwohner treibhausgasfrei decken will.
Dafür läuft seit Jahresanfang der Ausbau, auch im Süden der Stadt soll eine Solarthermieanlage entstehen. Zudem ist eine „Power-to-Heat“-Anlage geplant: Wenn überschüssiger Strom aus Wind- oder Photovoltaik vorhanden ist, soll sie diesen in Wärme umwandeln und ins Fernwärmenetz einspeisen. Außerdem soll Abwärme aus dem Chemiepark Leuna nach Leipzig geleitet und dort genutzt werden.
Erst eine Testphase, dann volle Leistung
Im Solarthermie-Feld West kommen Vakuumröhren-Kollektoren des Marktführers Ritter zum Einsatz, als Wärmeträgermedium Wasser. Die Regelungstechnik ermöglicht eine vollautomatische Steuerung der Anlage je nach Sonne. „Die Technik misst die Sonneneinstrahlung im Kollektorfeld und steuert entsprechend die Fließgeschwindigkeit des Wassers, welches in den Kollektoren erhitzt wird“, erläutert Ritter-Projektingenieur Paul Gaspar. „Je weniger Sonne scheint, desto langsamer fließt das Wasser, um sich zu erwärmen.“
Im dritten Quartal wird die Anlage nun schrittweise geprüft und ans Netz genommen, ab Jahresanfang 2026 soll sie die volle Leistung bringen. Die Leipziger Stadtwerke investieren dafür rund 40 Millionen Euro, davon werden rund 16 Millionen Euro gefördert, beispielsweise vom Bund.
In Dresden-Räcknitz hat eine neue Solarthermieanlage ihren Probebetrieb bereits hinter sich, auch in Potsdam, Mühlhausen oder Greifswald speist die Sonne schon Wärme ins lokale Netz.
Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme untersuchte gerade die Wirtschaftlichkeit von solarer Prozesswärme in der Industrie im Vergleich zur konventionellen Wärmeversorgung. Dabei erwiesen sich Solarwärme-Systeme in vielen Fällen wirtschaftlicher als der Betrieb rein fossil befeuerter Systeme zur Erzeugung von Prozesswärme.
Kommt jetzt also ein neuer Schub für die Solarthermie? Ritter jedenfalls erklärt: Leipzig West „wird für Jahre die größte Solarthermie-Anlage Deutschlands sein“.
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