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Ermittlungen in FrankreichSelbstbedienung à la Le Pen

Kommentar von Christine Longin

Die französische Präsidentschaftskandidatin Le Pen soll sich als EU-Abgeordnete bereichert haben. WählerInnen-Vertrauen verdient sie nicht.

Auf Anti-EU-Kurs: Rechtspopulistin Marine Le Pen Foto: Christian Hartmann/reuters

M arine Le Pens Hass auf die Europäische Union ist bekannt. Die französische Rechtspopulistin, die am Sonntag in der Stichwahl gegen Amtsinhaber Emmanuel Macron steht, wollte Frankreich lange aus der EU führen. Inzwischen verzichtet die 53-Jährige auf Frexit und Euro-Austritt. Statt dessen setzt sie darauf, die Gemeinschaft von innen heraus zu zersprengen. Sie tut alles, um die europäische Idee zu zerstören und den bereits überwunden geglaubten Nationalismus wiederzubeleben.

Wie groß ihre Missachtung der EU ist, zeigt ein Bericht des Amts für Betrugsbekämp­fung OLAF. Um über 600.000 Euro sollen sie und ihre Vertrauten sich bereichert haben, als sie im Europaparlament saß. Das Geld aus Brüssel floss nicht in ihre Arbeit als Abgeordnete, sondern in ihre Partei und ihren Clan. Hotelrechnungen in vorgetäuschter EU-Mission stehen ebenso auf der Liste wie Werbematerial, das sie vermutlich für einen Parteitag einsetzte.

Ihr Vater, der verurteilte Antisemit und Rassist Jean-Marie Le Pen, orderte Wein und Champagner zu sich nach Hause. Es ist sicher kein Zufall, dass die Vorwürfe, die sich auf die Jahre 2004 bis 2017 beziehen, ausgerechnet jetzt bekannt werden. Das Duell zwischen Le Pen und Macron ist auch ein Kampf um Europa. Letztlich geht es um die Frage, ob die EU mit Macron als Präsident weiterbesteht und sich weiterentwickelt. Oder ob sie auseinanderfällt, weil ein Gründungsstaat von einer Nationalistin regiert wird.

Marine Le Pen will Frankreich zu einer Art zweitem Ungarn machen. Die jahrzehntelange Zusammenarbeit mit Deutschland will sie aufkündigen und stattdessen Russland als Partner zu suchen. Auf dem Weg dorthin ist ihr fast jedes Mittel recht. Das Geld aus Brüssel sowieso. Gegen Le Pen wird bereits seit 2017 wegen Scheinbeschäftigung im Europaparlament ermittelt. Der OLAF-Bericht zeigt nun einmal mehr die Selbstbedienungsmentalität der Rechtspopulistin.

Und er sollte ihre Landsleute warnen, einer solchen Politikerin die Geschicke des Landes anzuvertrauen. Le Pen ist eine Gefahr für Frankreich und die ganze EU. Es bleiben noch fünf Tage, um die Mehrheit der Französinnen und Franzosen davon zu überzeugen.

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8 Kommentare

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  • Wenn sie schreiben: Wählervertrauen verdient sie nicht. - dann ist das zwar richtig, aber die französischen geistigen Verwandten der Nazi-Verbrecher sind dazu viel zu verblendet, um diesen Zusammenhang wahrzunehmen.

  • Zusammengefasst: Eine rechtsradikale, korrupte Putin-Marionette, die vorhat F nach dem Vorbild Russlands ... ehm, nee Ungarns "umzubauen", kandidiert in Frankreich für das Präsidentenamt.

    Und hat alle Chancen die Wahl zu gewinnen.

    Wer noch einen Beweis brachte, dass die liberale Demokratie einerseits unter Beschuss steht, und andererseits mit enormer Geschwindigkeit degeneriert: Hier ist er.

    • @Kaboom:

      Ja kaboom,



      Wir hier an der Saar können nur wieder staunen, daß das politische System Frankreichs immer mehr kollabiert. Der Osten Frankreichs wählt erneut mehrheitlich Le Pen um Aufzumucken. Leider bietet das Präsidentenamt mit seiner Machtkonzentration durch De Gaulle einen passenden Schuhlöffel für Autokratinnen. Eine Reform des Regierungssystems wäre dringend nötig, um Koalitionen zu ermöglichen. Aber wer gibt freiwillig Macht ab? Unsere Frankreichstrategie der CDU-Ehemaligen steht auf tönernen Füßen.

  • Marine marschiert fürs saubere Frankreich und ist selber dreckig. Am Sonntag wird sie dennoch eine Menge Stimmen bekommen. Das macht mir Angst.

  • Aber das Straßburger Thema ist alt. Ich weiß nicht, ob es die Franzosen noch schockt. Wenn man die Zahlen rechts in der Spalte liest, kann einem Angst und Bange werden: Wenn die Mélenchon-Anhänger im zweiten Wahlgang aus Wut über Macrons brutale neoliberale Politik zuhause bleiben, hat Le Pen mit den verrückten Zemourwählern schon die Mehrheit. Hinzu kommt, dass der ganze Diskurs sich in diesem Wahlkampf so weit nach rechts verschoben hat, dass Marine schon fast wie eine nette Tante herüberkommt. Die Lage ist sehr gefährlich.

  • Herr Longin, ich stimme Ihrer Analyse zu!



    „Betrugsvorwürfe gegen Le Pen - EU-Parlament will wohl Gelder zurückfordern.



    Der OLAF-Bericht zeigt nun einmal mehr die Selbstbedienungsmentalität der Rechtspopulistin. Und er sollte ihre Landsleute warnen, einer solchen Politikerin die Geschicke des Landes anzuvertrauen. Le Pen ist eine Gefahr für Frankreich und die ganze EU. Es bleiben noch fünf Tage, um die Mehrheit der Französinnen und Franzosen davon zu überzeugen.“



    Auch wenn die EU Vorwürfe gegen Le Pen stimmen sollten, woran ich keinen Zweifel habe, hätte ich sie an Stelle der EU erst nach der zweiten Wahlrunde veröffentlicht.



    Ich lebe in seit langer Zeit in Frankreich, Marine le Pen hat viel hinzugelernt. Sie unterstellt jetzt Macron, er habe die Klage der EU initiiert. Auf den Wahlplakaten steht nicht mehr … stimmen sie für Marine le Pen, sondern nur noch, stimmen sie für Marine! Sie will damit vergessen machen, für welchen Unsinn sie und auch schon ihr Vater geworben hat. Sie stellt sich jetzt im Wahlkampf auf den Wahlplakaten nur als die liebe Marine vor, die auch nichts mehr mit Putin zu tun haben will.

    • @D-h. Beckmann:

      Und dazugelernt hat sie, vor allem, wie man Populismus zur Täuschung von Wählern einmsetzt. Schule des Bösen.

    • @D-h. Beckmann:

      Betrugsvorwürfe eines ordentlichen EU-Amtes erst NACH der 2. Wahl zu veröffentlich muss man als Wahlbetrug werten.