Ermittlungen gegen Amokläufer David S.: „Türken auslöschen.docx“
Er malte Hakenkreuze und sprach von „ausländischen Untermenschen“. Trieben den Amokläufer von München tatsächlich nur persönliche Motive?
Doch jetzt mehren sich die Zweifel an der Einschätzung. In der Antwort auf eine schriftliche Anfrage der Grünen-Fraktionschefin im Landtag, Katharina Schulze, hat das Innenministerium weitere Details zum Amokläufer bekannt gegeben. So legte dieser noch am Tag der Tat eine Datei mit dem Namen „Ich werde jetzt jeden Deutschen Türken auslöschen egal wer.docx“ an. Inhalt war offenbar nur ein Satz: „Das Mobbing wird sich heute auszahlen. Das Leid was mir zugefügt wurde, wird zurückgegeben.“
Die Ermittler gehen davon aus, dass David S. „den gegenüber den für das Mobbing verantwortlichen Mitschülern empfundenen tiefen Hass mit der Zeit auf Personen projizierte, die diesen Mobbern in Alter, Herkunft, Aussehen und Lebensstil ähnlich waren“. So habe er „eine tiefe Abneigung“ gegen Jugendliche, vor allem mit türkischen oder albanischen Wurzeln entwickelt.
Schulze hat für diese Art der Projektion einen Namen: Rassismus. Sie fordert eine Einordnung der Bluttat als „PMK-rechts“, als politisch motivierte Kriminalität – auch wenn dies nicht im Sinne der CSU-Regierung sei. Diese sträube sich gegen die Aufklärung des Motivs, nach dem Motto: „Es kann nicht sein, was nicht sein darf.“
Hitlergruß in Therapiesitzung
Schulze fordert nun im Innenausschuss des Landtags einen weiteren Bericht, der den Radikalisierungsverlauf von David S. aufzeigt. Sie wolle die Bedeutung des Mobbings nicht herunterspielen, aber aus ihrer Sicht gibt es zumindest zwei Tatmotive. Zumal das Schreiben des Innenministeriums noch weitere Anhaltspunkte nennt: Ziemlich genau ein Jahr vor dem Amoklauf hat David S. ein weiteres, zwei Seiten langes Dokument angelegt. „Mein Manifest.docx“ nannte er es und ließ sich darin über seine Schule in Feldmoching-Hasenbergl aus.
Die Bewohner des Stadtteils beschreibt er wahlweise als „ausländische Untermenschen“ mit meist „türkisch-balkanischen Wurzeln“ und „Kakerlaken“. Und während einer Psychotherapie soll S. den Hitlergruß gezeigt und Hakenkreuze in seinen Block gemalt haben.
Die Grünen-Abgeordnete Schulze ist nicht die Einzige, die sich weitere Aufklärung über das Motiv von David S. wünscht. So beschwerte sich bereits der Münchner Rechtsanwalt Yavuz Narin, der vier Opferfamilien vertritt, die Behörden hätten Indizien für einen rechtsextremen Hintergrund gezielt außer Acht gelassen. „Das mag auch der Grund dafür sein, dass meinen Mandanten seit mehreren Monaten deren gesetzlich geregeltes Recht auf Akteneinsicht verweigert wird“, mutmaßte er in der Frankfurter Rundschau.
Im Münchner Rathaus brachte vor einem Monat sogar ein CSU-Stadtrat einen Antrag ein. Titel: „Motivation des Amokläufers und mögliche politische Hintergründe und Folgen aufzeigen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles