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Erfinderschutz auf PflanzenBrokkoli mit Patent

Lange wartete man auf die Entscheidung des Europäischen Patentamts. Und nun das: Die Behörde wird weiter Erfinderschutz auf Pflanzen erteilen.

2002 patentierte die Firma Plant Bioscience das Verfahren zur Herstellung einer Brokkoli-Variante. Bild: dpa

BERLIN taz | Das Europäische Patentamt will weiter Patente auch auf Pflanzen erteilen, die nicht gentechnisch verändert wurden. Das macht eine Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des Amtes deutlich, die nun bekannt geworden ist. Zwar verbietet das Europäische Patenteübereinkommen Schutzrechte für im wesentlich biologische Züchtungsverfahren. Aber es sei nicht untersagt, die dabei entstehenden Pflanzen zu patentieren, teilte Amtssprecher Rainer Osterwalder der taz mit. „Das ist nirgendwo vorgesehen im Patentrecht“.

Patente auf Lebewesen gefährden Umweltschützern zufolge die globale Ernährungssicherheit. Denn Züchter dürfen patentgeschützte Pflanzen nur weiterzüchten, wenn deren Hersteller einverstanden sind. Der US-Konzern Monsanto etwa kann dafür so hohe Gebühren verlangen, dass vor allem kleine Zuchtfirmen die Pflanzen nicht weiterentwickeln. Dabei muss dringend Saatgut an den Klimawandel angepasst werden.

Deshalb reagierte das Bündnis „Keine Patente auf Saatgut!“ empört auf die lange erwartete Grundsatzentscheidung. Sie höhle das Verbot der Patentierung konventioneller Züchtungsverfahren komplett aus. „Wenn jemand ein Patent auf eine Pflanze mit bestimmten Eigenschaften hat und das Verfahren frei genutzt werden kann, kann es niemand verwenden, weil er ja automatisch zu der Pflanze kommt, die patentiert ist“, erläuterte Sprecher Christoph Then. Ähnlich äußerte sich der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter.

Then warf dem Patentamt „eine interessengeleitete Auslegung des Patentrechts“ vor. „Das Patentamt verdient ja daran, Patente zu erteilen“, kritisierte der Aktivist. „Wir fordern die europäischen Regierungen auf, jetzt politisch Druck auf das Europäische Patentamt auszuüben, um diese Praxis sofort zu stoppen“, ergänzte er.

Obwohl die deutsche Bundesregierung sich laut Koalitionsvertrag für ein europaweites Verbot der Patentierung von konventionell gezüchteten Pflanzen und Tieren einsetzen will, sei sie bislang untätig geblieben. „Wir appellieren an den zuständigen Bundesjustizminister Heiko Maas, jetzt so rasch wie möglich eine Initiative im Verwaltungsrat des Europäischen Patentamtes zu starten.“ Sonst werde das Patentamt das gesetzlich verankerte Patentierungsverbot weiter aushebeln. Bislang habe das Ministerium erklärt, dass es die jetzige Entscheidung des Patentamts abwarten wolle.

Konventionell gezüchtet

Ein Sprecher des SPD-Politikers schrieb der taz, das Ministerium prüfe nun das Urteil der Großen Beschwerdekammer. „Danach wird es darüber entscheiden, welche weiteren Schritte ergriffen werden.“

Die Große Beschwerdekammer – die höchste Instanz im internen Widerspruchsverfahrens des Patentamts – hat die Urteile gefällt aus Anlass eines jahrelangen Streits über Schutzrechte auf einen Brokkoli mit einem höheren Gehalt einer krebsvorbeugenden Substanz und auf eine Tomate, die weniger Wasser enthält. Beide Pflanzen sind konventionell gezüchtet worden. Eine Technische Beschwerdekammer der Behörde muss nun darüber urteilen, ob diese Patente Bestand haben. Da sie sich an die Grundsatzentscheidung der Großen Beschwerdekammer halten muss, wird sie die Schutzrechte wohl bestätigen.

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10 Kommentare

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  • Die EU - der transatlantisch verlängerte Arm der radikalkapitalistischen USA.

  • Und überhaupt: "Patente auf Lebewesen gefährden Umweltschützern zufolge die globale Ernährungssicherheit." Als ob es keinen Brokkoli mehr im Supermarkt gäbe, wenn eine Sorte geschützt wird. Es gibt doch genug andere Sorten, dann wird halt mit denen weitergezüchtet. Und ein Superfood wie "Brokkoli mit einem höheren Gehalt einer krebsvorbeugenden Substanz" will doch sowieso keiner haben.

  • Patente auf konventionelle Züchtungen? Das ist ja entsetzlich: Dann ist ja wieder ein Argument gegen die pöse Gentechnik hopps gegangen.

     

    Andersherum: Wenn konventionelle Züchter ihre Ergebnisse patentieren lassen und sich damit auch einen Erlös für ihre Arbeit sichern können, gibt es doch auch einen deutlichen Anreiz, mehr konventionell zu züchten, oder?

  • Sie zeigt nicht dass sie hinter den Interessen der Industrie steht. Sie zeigt dass sie korrupt ist und nicht hinter dem Recht steht. Es ist unglaublich wie dumm und obrigkeitshörig die europäische Bevölkerung ist. Irgendeine Robe oder sonstige Verkleidung und schon steht der Bürger stramm. Wir verraten das wichtigste was die Natur uns mitgegeben hat, den gesunden Menschenverstand und die Natur. Welcher Wirtschaftsboss, welcher Banker hat irgend etwas mit der Natur zu tun. Welchem von diesen geldgeilen Individuen wäre es möglich ohne Vorlage einen Brokkoli zu erschaffen, der gesund und ohne Nebenwirkungen ist. Aber der Bürger dumm und voller Angst nimmt es hin für dumm verkauft zu werden.

  • Durch Weglassen entsteht der Eindruck, ohne Patente wäre alles frei. So ist es aber nicht, Patent = Schutzdauer 20 Jahre und als eingetragene Sorte läuft der Sortenschutz 25 – 30 Jahre.

    Meines Erachtens gerade für kleine Züchter mit Nischenprodukten ohne große Verbreitung viel zu kurz. Wie kann es sein, dass nach dem Urheberrecht jeder Groschenroman und jedes Sauflied bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers geschützt sind und der Züchter einer Weizensorte bekommt gerade mal 25 Jahre zugestanden?

    Es ist nicht alles freies Allgemeingut – und gerade die Verfechter dieser Ideologie haben in aller Regel nichts zu bieten, sie wollen nur (kostenlos) haben. Nur, so kann man keine Zuchtarbeit finanzieren.

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @ko99421:

      Es gibt sehr wohl Unterschiede zwischen Patent- und Sortenschutz. Der Sortenschutz kennt ein weitgehendes Züchterprivileg.

  • Und wieder zeigt die EU, dass sie hinter den Interessen der Industrie und nicht hinter den Bürgern steht.

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @Beppo:

      Nur, dass das Europäische Patentamt eben nicht zur EU gehört, sondern eine eigenständige Organisation ist mit eigenem Recht (Europäisches Patentübereinkommen).

      Und abgesehen davon: Wenn die EU-Kommission sich beispielsweise in der Agrarpolitik durchgesetzt hätte und nicht z.B. von der Bundesregierung ausgebremst worden wäre, wären wir schon viel weiter in Sachen Umweltschutz.

      • @Jost Maurin:

        Danke. Im Prinzip stimmt die Aussage aber, denn weder das europäische Patentamt, noch die EU Kommission, noch die Bundesregierung agieren hier als "Volksvertreter", sondern als Lobbyvertreter.