Erdoğan in Athen: Plötzlich ziemlich beste Freunde
Eigentlich war der griechische Premier für Recep Tayyip Erdoğan „nicht mehr existent“. Nun haben sich die beiden ganz real in Athen getroffen.
N och vor gut einem Jahr herrschte scheinbar tiefste Feindschaft zwischen dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis. Er werde nie wieder mit Mitsotakis sprechen, der existiere für ihn nicht einmal mehr, verkündete Erdoğan damals. Umso erfreulicher, dass Erdoğan den weiterhin existierenden Mitsotakis jetzt in seinem Amtssitz in Athen besuchte und sie eine gemeinsame Erklärung über wechselseitige Freundschaft und gute Nachbarschaft unterschrieben.
Es brauchte anscheinend erst das verheerende Erdbeben im Südosten der Türkei im Februar dieses Jahres und der schnellen Hilfe aus Griechenland, um sich politisch wieder anzunähern. Der neue Frühling in den bilateralen Beziehungen hat aber nicht nur sentimentale Gründe. Nach seiner Wiederwahl im Mai braucht Erdoğan das nationalistische Gedröhne nicht mehr.
Stattdessen muss er nun versuchen, die völlig desolate Wirtschaft des Landes wieder auf Kurs zu bringen. Dafür braucht er Europa. Aber der Weg nach Europa führt eben nicht nur geografisch, sondern auch politisch über Griechenland. Deshalb redet Erdoğan nun auf einmal vom Dialog, mit dem sich letztlich alle Probleme lösen lassen würden.
Bis die jahrzehntealten Konflikte um Zypern und die Hoheitsgebiete in der Ägäis und im östlichen Mittelmeer wirklich entschärft werden, ist es noch ein weiter Weg. Die neuerliche Bereitschaft, zu reden und zu verhandeln, ist dennoch ein großer Fortschritt gegenüber den kriegerischen Drohungen von 2020, als es im Konflikt um die Ausbeutung von Gas- und Ölfeldern im Mittelmeer fast zum Schusswechsel gekommen wäre.
Für die Menschen auf beiden Seiten der Ägäis wäre eine echte Entspannung eine große Erleichterung. Die Bewohner der Inseln gegenüber der türkischen Küste müssten keine Angst mehr haben, dass über Nacht türkische Landungsboote auftauchen. Stattdessen könnten wieder mehr türkische Urlauber dorthin kommen. Angesichts der Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen ist es endlich mal eine gute Nachricht, dass der Konflikt zwischen den beiden Nato-Staaten im östlichen Mittelmeer jetzt immerhin entschärft wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation