piwik no script img

Erdbeben in der Türkei und SyrienSachspenden vorsätzlich verbrannt

Nach den Erdbeben hat ein Supermarkt in NRW Hilfsgüter gesammelt. Unbekannte verbrannten diese. Der Staatsschutz ermittelt.

Spendensammelstelle für die Erdbebengebiete, hier bei der Türkischen Gemeinde in Hannover Foto: Ulrich Stamm/imago

Berlin taz | Im nordrhein-westfälischen Marl haben Unbekannte am Wochenende Sachspenden für Opfer des Erdbebens in der Türkei und Syrien durch Brandstiftung zerstört. Ein Supermarkt hatte zu einer Spendenaktion aufgerufen und gemeinsam mit Hel­fe­r:in­nen vier Tage lang Hilfsgüter wie etwa Lebensmittel, Kleidung und Decken gesammelt. Weil das Lager am Samstagabend komplett gefüllt war, ließen die Beteiligten einige noch unsortierte Spenden auf dem Parkplatz liegen; sie sollten am Montag sortiert werden.

Eine Überwachungskamera filmte dann um kurz nach Mitternacht in der Nacht zu Sonntag, wie Unbekannte den Parkplatz des Supermarkts betraten und einen Brand legten. Anschließend rissen sie noch eine Türkei-Flagge von einer Wand und warfen sie ins Feuer.

Bei dem Brand ist etwa ein Fünftel der gesammelten Hilfsgüter vernichtet worden. Vijay Raj, Besitzer des Supermarkts Ani Markt, ist verzweifelt: „Wir wollten etwas Gutes für die Opfer, für Kinder in der Türkei tun, haben die Aktion auch nicht an die große Glocke gehängt und nun das. Wer macht so was?“

Der Hintergrund der Tat ist bisher unklar. Ein privater Racheakt scheint möglich. In einem anderen Einkaufszentrum in Essen, das Raj ebenfalls besitzt, wurde Montagnacht eingebrochen. Obwohl er keine konkrete Vermutung hat, kommt Raj das Timing verdächtig vor. Der Essener Laden steht fast leer und ist geschlossen, seit ihn Unbekannte im November verwüstet hatten.

Bislang keine Festnahme von Verdächtigen

„Erst die Brandstiftung beim Ani Markt, jetzt dieser Einbruch. Warum passiert das gerade jetzt? Jeder weiß, dass im Essener Einkaufszentrum nichts zu holen ist. Es ist dort klar, dass der Laden geschlossen ist“, sagt Raj. Die Polizei erklärt lediglich, dass ihr beide Fälle bekannt seien und ein möglicher Zusammenhang derzeit geprüft werde. Dennoch wurde auch der Staatsschutz eingeschaltet. In der Regel geschieht dies, wenn die Behörden eine politisch motivierte Straftat vermuten, in diesem Fall unter anderem wegen der verbrannten Türkei-Flagge.

Bislang wurden keine Verdächtigen festgenommen. Raj selbst hat in den sozialen Netzwerken einen privaten Aufruf für Hinweise zu den Tätern gestartet und eine Belohnung von 5.000 Euro in Aussicht gestellt. Nun habe sich bei ihm eine Frau gemeldet, die der Polizei ein verdächtiges Fahrzeug samt Kennzeichen melden wolle.

Bilder und Videos auf dem Instagram-Kanal des Ani Markts dokumentieren die mehrtägige Spendensammelaktion des Supermarkts in Marl. Sie zeigen, wie zahlreiche Menschen Kisten, Koffer und Säcke packen, verladen und ausliefern, teilweise auch nach Sonnenuntergang. Für Samstag war der Höhepunkt der Aktion geplant, es fand ein Flohmarkt statt und es wurde bekannt gegeben, dass zusätzlich 20 Prozent des Tagesumsatzes des Geschäfts gespendet würden. In einem Video, das nach dem Brand aufgenommen wurde, fließen Tränen, ein Spender, der selbst Familie in der Türkei hat, zeigt sich fassungslos.

Den entstandenen Schaden schätzt die Polizei auf 20.000 Euro. Raj selbst sagt, dass das lediglich die Schäden an der Lagerhalle abdecke, die Waren in der Halle sowie die verbrannten Sachspenden kämen noch dazu. Nichtsdestotrotz kamen bei der Aktion insgesamt 15.000 Euro und drei 40-Tonnen-Lkw-Ladungen an Hilfsgütern zusammen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Oih, oih,

    sind sie sicher, dass die von ihnen aufgeführten Kriminalfälle vom Staatsschutz bearbeitet würden?

    Doch wie auch immer, ihr Kommentar hat für mich ein mit starkem Rechtsdrall unterlegtes Geschmäckle.

    Für mich klingt es so: Gäbs die Türken hier (und dieses türkische Erdbeben dort) nicht, dann würde sich UNSER Staatsschutz um UNSERE verbrecherischen Belange kümmern und nicht um deren.

    Vielleicht könnten sie etwas deutlicher darlegen, was sie wirklich sagen wollen.

    OfG

  • Man möchte doch wirklich aus der Haut fahren.

  • Mein Gott was für eine Tragödie.

    Und zu allem Überfluss wird der Staatsschutz jetzt vor so wichtigen Ermittlungen abgehalten wie die gegen staatsgefährdende Wirtschaftskriminalität z.B. Maskendeals, Mietenabzocke und Cum-Ex-Betrug.



    Da ermitteln sie sicher mit Hochdruck und jetzt gräscht da sowas rein.

    • @Bolzkopf:

      "wird der Staatsschutz jetzt vor so wichtigen Ermittlungen abgehalten wie..."



      Humanitäre Hilfsgüter für Erdbebenopfer bzw. deren absichtliche Zerstörung fallen demnach nicht unter ihre Definition von wichtig?



      Nett.

    • @Bolzkopf:

      Wenn man keine Ahnung hat....



      Der Staatsschutz ist in keinem der genannten Themen zuständig.