Equal Pay Day: „Reine Lohnlücke beträgt 7 Prozent“
Es ist okay, wenn hart arbeitende Autobauer mehr verdienen als Bürokräfte, findet Henrike von Platen. Dann aber bitte auch Pflegekräfte.
taz: Frau von Platen, am heutigen Equal Pay Day machen Sie auf die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern aufmerksam. Es gibt diverse Zahlen: Sie sprechen von 22 Prozent Abstand, das Statistische Bundesamt von 7 Prozent, das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) von 2 Prozent. Was stimmt?
Henrike von Platen: Alle Zahlen sind richtig. Die 22 Prozent stellen die unbereinigte Lohnlücke dar, also den Unterschied des durchschnittlichen Bruttostundenverdienstes von Männern und Frauen. Dahinein fließen Faktoren, die die Lohnlücke stark vergrößern: Teilzeit, Erziehungszeiten, schlecht bezahlte Jobs – auch Männer sind betroffen.
Was bleibt übrig, zieht man diese Faktoren ab?
7 bis 8 Prozent.
Wie kommt ein Institut, das IW, auf 2 Prozent?
Die IW-Zahl beruht auf einer sehr kleinen Stichprobe von rund 9.000 Personen. Das Statistische Bundesamt hingegen hat die Daten von etwa drei Millionen Menschen ausgewertet.
42, Unternehmensberaterin und Präsidentin der Organisation „Business and Professional Women“, die sich unter anderem für Lohngerechtigkeit einsetzt.
Wie kommen die 7 Prozent zustande? Bewerten Arbeitgeber die Arbeit von Frauen grundsätzlich geringer?
Das würde ich so nicht sagen. Aber nehmen wir das Beispiel Teilzeit. Eine 30-Stunden-Teilzeitkraft bekommt häufig nicht den gleichen Bruttostundenlohn wie die 40-Stunden-Vollzeitkraft, sondern von vornherein einen geringeren.
Ist Teilzeit weniger wert?
Natürlich nicht. Das Problem ist nur, dass vorwiegend Frauen auf Teilzeitstellen sitzen.
Dann sollten Frauen besser Vollzeit arbeiten.
Das halte ich für ein gefährliches Argument. Solange Erziehungs- und Haushaltspflichten nicht gleichermaßen auf Frauen und Männer verteilt sind, dürfen Frauen nicht dafür bestraft werden, dass sie Arbeiten übernehmen, die viele Männer nicht bereit sind zu tun.
Ist es nicht gerecht, wenn körperlich anstrengende Jobs von Männern, etwa auf dem Bau, besser bezahlt werden als Büroarbeit, bei der man mehr Frauen antrifft?
Gleiche Qualifikation muss gleich entlohnt werden. Körperliche Anstrengungen oder andere zusätzliche Belastungen können allerdings mit Zuschlägen vergolten werden.
Gibt es hier einen Geschlechterunterschied?
Arbeiter beispielsweise in einem Automobilwerk bekommen Zuschläge dafür, dass sie schwere Teile heben. Aber eine Pflegekraft – meistens Frauen –, die schwere Körper hievt, bekommt keine Erschwerniszulage.
Ist die Lohnlücken-Ungerechtigkeit also eine zwischen Branchen und Tätigkeitsarten?
Gleichwertige Arbeit muss gleichwertig bezahlt werden. Warum wird die Arbeit an der Maschine höher bewertet als die Arbeit am Menschen?
Wie erklären Sie, dass die Lohnlücke bei AkademikerInnen mit rund 27 Prozent größer ist als bei schlechter Ausgebildeten mit nur etwa 11 Prozent?
Mit den immer noch wenigen Frauen in den Führungspositionen und der fehlenden Gehaltstransparenz ab einer bestimmten Hierarchiestufe. Wenn man nicht weiß, was die Kollegen verdienen, kann man kaum auf Augenhöhe verhandeln.
Viele Frauen sind mit einem geringeren Gehalt zufrieden.
Ja, das berichten Arbeitgeber immer wieder. Die sagen dann: Warum soll ich ihr mehr geben, wenn sie das nicht will. Da müssen Frauen noch viel lernen, und deshalb bieten wir beispielsweise Trainings für solche Verhandlungen an.
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