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Entwicklungshilfe für PalästinenserDie EU rudert zurück

Brüssel will die humanitäre Hilfe für die Palästinenser nun doch nicht stoppen. Zudem kündigt Außenvertreter Borell eine diplomatische Initiative an.

„Ein Weckruf für die internationale Gemeinschaft“: EU-Außenvertreter Josep Borrell Foto: Juan Medina/reuters

Brüssel/Berlin taz | Die Europäische Union hat in der Nahost­politik eine Kehrtwende hingelegt. Anders als die EU-Kommission noch am Montag angekündigt hatte, soll es nun doch keinen sofortigen Stopp der humanitären Hilfe für die Palästinenser geben­. Zudem kündigte EU-Außenvertreter Josep Borrell eine diplomatische Initiative an. Er will gemeinsam mit der Arabischen Liga für eine Zwei-Staaten-Lösung werben.

„Wir brauchen eine echte Friedensinitiative“, sagte Borrell bei einem Treffen mit dem Golf-Kooperationsrat in Maskat, Oman. Der Angriff der Hamas in Israel sei ein „Weckruf für die internationale Gemeinschaft“. Zuvor hatte er den israelischen Chefdiplomaten Eli Cohen und den palästinensischen Ressortchef Rijad al-Maliki zu einem Krisentreffen in Maskat gebeten.

Aus Borrells Umfeld hieß es, beide hätten die Einladung angenommen. Maliki soll laut Borrell die Sicht der Palästinenserbehörde auf den Angriff der Hamas darlegen. Die Hamas wird von der Europäischen Union als Terror­organisation eingestuft. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) dürfte per Videokonferenz zu der Sitzung dazugeschaltet werden, ebenso wie die Au­ßen­mi­nis­te­r*in­nen anderer EU-Staaten.

Im Vorfeld der Krisenrunde hatte es massive Verstimmungen zwischen der Kommission, dem spanischen EU-Vorsitz und Borrell gegeben. EU-Kommissar Oliver Varhelyi hatte am Montag angekündigt, die gesamte EU-Entwicklungshilfe für die Palästinenser in Höhe von 691 Millionen Euro „sofort auszusetzen“ und alle Projekte auf den Prüfstand zu stellen. Aus Brüssel kam zunächst kein Widerspruch.

Umso heftiger reagierte die Regierung in Madrid, die seit Juli den EU-Vorsitz innehat. Die Ankündigung sei nicht mit den Au­ßen­mi­nis­te­r*in­nen abgesprochen, hieß es. Auch Borrell protestierte. Die Einstellung aller Zahlungen würde „alle Palästinenser bestrafen“ und „den EU-Interessen in der Region schaden“, erklärte der Spanier. Daraufhin ruderte die EU-Kommission zurück.

Ein Missverständnis, heißt es in Brüssel

Die Hilfe für die Palästinenser werde nicht eingestellt, sondern umfassend geprüft, erklärte die Brüsseler Behörde. Allerdings seien derzeit ohnehin keine Zahlungen geplant. Frankreich warnte vor einem Ende der Hilfe. Man sei gegen den Stopp der Zahlungen, „die direkt der palästinensischen Bevölkerung zugute kommen“, teilte das Außenministerium am Dienstag in Paris mit. Diese Einschätzung sei der EU-Kommission mitgeteilt worden. Die Behörde versuchte, den Streit herunterzuspielen. Es habe sich um ein Missverständnis gehandelt, hieß es in Brüssel.

In der Diskussion um die Zahlungen muss unterschieden werden zwischen unmittelbarer humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit, die mittel- und langfristige Vorhaben betrifft. Das Bundesentwicklungsministerium hat die Entwicklungszusammenarbeit für die Palästinensischen Gebiete „auf den Prüfstand gestellt“. Es handelt sich dabei um Zusagen in einer Höhe von derzeit rund 250 Millionen Euro. Die humanitäre Hilfe, die über das Auswärtige Amt läuft, wird fortgeführt beziehungsweise die Zahlungen dafür wurden bereits angewiesen.

Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, dass die Ministerien bereits am Montag eine enge Abstimmung bei der Überprüfung von Hilfsmitteln verabredet hätten. Der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte eindringlich gefordert alle Zahlungen an palästinensische Organisationen einzustellen. Dies gelte sowohl für staatliche Gelder als auch für finanzielle Unterstützungen aus Nichtregierungsorganisationen und kirchlichen Projekten. In keiner Weise könne ihre Verwendung bislang sicher überprüft werden. Auch Zahlungen aus Deutschland an das UN-Hilfswerk „für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten“ (UNRWA) müssten aus Schusters Sicht eingestellt werden.

Weckruf für die internationale Gemeinschaft“

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7 Kommentare

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  • Man staune wenn man zu dem Thema in die Schweiz schaut. Da stellt sich der zuständige Bundesrat hin und sagt



    Selbstverständlich werden wir weiter humanitäre Hilfe leisten an die Pals die brauchen die. Wir haben schon vor Jahren die Partner von 70 auf 30 reduziert um möglichst gut sicherzustellen dass das Geld an die Menschen gehen und nicht an die Terroristen. Die Hilfe wird weiter mit erhöhter Aufmerksamkeit fliessen. Das nenne ich sauber klare Politik. Hausaufgaben rechtzeitig machen und man ist Parat. Man lerne

  • Die Vereinten Nationen und speziell das UNRWA sind Teil des Problems. Sie verwalten seit Jahrzehnten das Elend und beharren auf dem Status Quo. »Echte Friedensinitiativen« wird es mit alten Formeln wie der »Zwei-Staaten-Lösung« nicht geben, die Palästinenser*innen sind dadran nicht interessiert und wären auch keine verlässlichen Partner*innen, selbst wenn sie es wären. Auch in Israel nimmt niemand mehr solche Initiativen ernst. Ein belastbarer Frieden wird so nicht gelingen. Dafür braucht es neue Allianzen, neue Verhandlungspartner*innen und grundsätzlich neue Lösungsvorschläge. Die Zeichen dafür stehen günstiger als jemals zuvor, aber gerade in der UNO und auch in der Europäischen Union scheut man sich vor einem Neuanfang. Lieber werden alle paar Jahre routinemäßig die selben Phrasen gedroschen und gut is.

    • @Tim Klabim:

      Es kann nur eine 2 Staatenlösung geben weil alles andere nicht geht. Das würde bedeuten der stärkere bestimmt. Dazu kommt wie soll ein Land überleben in dem in Zukunft mehr pals als demokratische Israelis in der Einsaatenlung leben und die auf Ultra orthodoxe treffen die auch immer mehr werden. Die R242 gilt die Konzepte der mehr als 12 Jahre Netanyahu Gewalt mit Gegengewalt zu beantworten sind gescheitert. Es braucht einen grossen neuen Weg. Mein Vorschalg Gaza WJL und Ostjerusalem unter UN Verwaltung inkl. Sicherheitskräfte dann die Gebiete wirtschaftlich

  • Wieso muss es immer erst krachen, damit sich die Diplomaten an einen gemeinsamen Tisch setzen?

    • @Karim Abidi:

      Die Diplomaten der Golfstaaten und von Israel sitzen doch seit längerem zusammen.

      • @rero:

        Ja, aber nicht um das mit der Apartheid und dem Lebensraum der Palästinenser zu klären, sondern um miteinander Verträge zu schließen. Die Golfstaaten sind doch nichts weiter als der arabische Arm der Amis

        • @Karim Abidi:

          Es gibt keine Apartheid in Israel.