Entwaldungsfreie Lieferketten: Über Acker- und Waldrand hinaus
Umwelt- und Landwirtschaftsministerien müssen eng kooperieren, um die komplexen Probleme anzugehen. Es gilt, alte Animositäten zu beenden.
I m Prinzip will die Ampel-Regierung die Entwaldung in Brasilien, Indonesien und anderen fernen Ländern für Kaffee-, Kakao-, Soja- und Palmölanbau oder die Rinderzucht stoppen. So bekräftigt es zumindest der Koalitionsvertrag. Doch Umwelt- und Landwirtschaftsministerium sind sich trotz Parteifreundschaft der Minister:innen Steffi Lemke und Cem Özdemir nicht grün. Die alten Animositäten aufzulösen, erfordert mehr als die von beiden öffentlich angekündigte „Hausfreundschaft“.
Noch herrschen Konkurrenz und ideologische Unverträglichkeiten zwischen Forst- und Agrarexpert:innen im Hause Özdemir und den Ökologinnen und Artenschützern im Ministerium von Lemke. Doch so wie es keine Grenzen zwischen Ökosystemen gibt und Sojaäcker bis in den Urwald hinein reichen, diffundieren auch die komplexen Themen Landwirtschaft und Umweltschutz. Die Beamtinnen und ministerialen Mitarbeiter müssen lernen, neu zu denken und über Acker und Waldrand hinaus zusammenzuarbeiten.
Der Schutz von Wäldern, biologischer Vielfalt, Ökosystemen und damit des Klimas bedeutet, vernetzt zu denken und über Ressortgrenzen hinweg zu handeln. Die europäische Anti-Entwaldungs-Vorschrift kann zu einem komplizierten Beginn einer konstruktiven Zusammenarbeit werden – wenn die Hausfreundschaft institutionell gelebt wird. Und wenn die Beamt:innen schon zusammen arbeiten, beginnen sie vielleicht auch endlich, die Massentierhaltung in Deutschland klimaverträglich zu beenden.
Denn eine entwaldungsfreie Lieferkette wird erst dann entstehen, wenn nicht tonnenweise Soja in deutschen Mastanlagen verschwindet. Die Waldzerstörung ist der drittgrößte Emittent von CO2 weltweit. Gleichzeitig ist hierzulande die Landwirtschaft für 13 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Wer also den Klimaschutz ernsthaft voranbringen will, muss die Landwirtschaft verändern.
Es wird kaum ausreichen, Regeln für ferne Länder aufzustellen und damit den Unwillen zur Veränderung zu verlagern – so wie zuvor den Anbau der Futterpflanzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“