Entschlüsselungsgenie Alan Turing: Begnadigung nach 60 Jahren

Dank Alan Turing konnten die Alliierten im Zweiten Weltkrieg deutsche Turppenbewegungen und Angriffe verfolgen. Doch er war schwul – und das war strafbar.

Hat sich endlich zu einer Begnadigung Turings durchgerungen: Queen Elizabeth II Bild: ap

LONDON ap | Fast 60 Jahre nach seinem Selbstmord ist das wegen seiner Homosexualität im Großbritannien der 1950er Jahre verurteilte Entschlüsselungsgenie Alan Turing begnadigt worden. Königin Elizabeth II. zog den Schlussstrich unter eine Behandlung, die von Justizminister Chris Grayling in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung als ungerecht bezeichnet wurde.

Turings Fähigkeiten waren im Zweiten Weltkrieg entscheidend bei der Entschlüsselung des deutschen Enigma-Codes. Damit konnten die Alliierten deutsche Truppenbewegungen, Angriffspläne von U-Booten im Atlantik und viele andere wichtige Geheiminformationen knacken und sich nach Ansicht vieler Historiker einen wichtigen Vorteil verschaffen. Nach dem Krieg legte Turing mit die Grundlagen zur Entwicklung der Computertechnologie.

Da er aber aus seiner Homosexualität kein Geheimnis machte und dies in Großbritannien damals strafbar war, wurde er 1952 wegen „grober Unsittlichkeit“ – der Liebesbeziehung zu einem Mann – verurteilt. Er wurde danach von den Behörden kontrolliert und gezwungen, Östrogen zur Unterdrückung seines Sexualtriebs zu nehmen – was einige Mediziner als chemische Kastration bezeichnen. 1954 beging Turing Selbstmord.

„Turing war ein außergewöhnlicher Mann und ein brillanter Kopf“, sagte Grayling. „Er verdient es, für seinen fantastischen Beitrag im Krieg und seinem wissenschaftlichen Vermächtnis erinnert und geehrt zu werden.“ Bemühungen, den Wissenschaftler zu rehabilitieren, gab es sei langem. 2009 bat der damalige Premierminister Gordon Brown um Entschuldigung, was Aktivisten nicht ausreichte. Sie kämpften weiter für eine Begnadigung.

„Er hat den Krieg verkürzt“

Turings Vermächtnis war wegen der Geheimhaltung um sein Wirken im Zweiten Weltkrieg lange nicht in vollem Umfang erkennbar. „Selbst seine Mutter wusste nicht, was er gemacht hat“, sagte ein Mathematiker der Universität von Leeds, Barry Cooper. Erst nach seinem Tod, mit der Aufhebung der Geheimhaltung und den Fortschritten der PC-Technik zu den von Turing prognostizierten „universellen Maschinen“ wurde die Bedeutung seiner wissenschaftlichen Arbeit deutlich.

Künftige Generationen würden kaum nachvollziehen können, warum Turing so behandelt wurde, erklärte Cooper. „Man nimmt einen der größten Wissenschaftler und pumpt ihn mit Hormonen voll“ sagte er in einem Telefoninterview. „Es ist ein nationales Versagen.“

Ein Parlamentsabgeordneter, der sich für Turings Begnadigung einsetzte, Iain Stewart, würdigte Turing in den höchsten Tönen. „Er hat geholfen, unsere Freiheit zu erhalten“, sagte er der Nachrichtenagentur AP. „Wir waren es ihm in Anerkennung für das, was er für das Land getan hat, schuldig, dass sein Name reingewaschen wird.“

Der Autor eines Buchs über Turings Leben und Werk, David Leavitt, sagte: „Es kann gesagt werden und es wurde gesagt, dass er den Krieg verkürzt hat, und dass möglicherweise ohne ihn die Alliierten den Krieg nicht gewonnen hätten. Das ist hoch spekulativ, aber ich denke nicht, dass sein Beitrag unterschätzt werden kann. Er war immens.“

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