Entscheidung zur Inklusion in Bremen: Inklusion ist Aufgabe von Gymnasien

Inklusion ist auch eine Aufgabe der Gymnasien, hat das Bremer Verwaltungsgericht entschieden. Die Horner Schulleiterin hat ihre Klage verloren.

Ja, auch hier ist Inklusion angesagt: Gymnasium Horn in Bremen Foto: Michael Bahlo

Auf ganzer Linie gescheitert ist die Direktorin des Gymnasiums Horn, Christel Kelm, mit dem Versuch, eine Inklusionsklasse an ihrer Schule zu verhindern. Das Bremer Verwaltungsgericht hatte ihre Klage vor zwei Wochen als unzulässig abgewiesen. Die Schulleiterin sei gar nicht klagebefugt, entschieden die RichterInnen (Az. 1 K 762/18). In der nun vorgelegten Urteilsbegründung äußern sie sich aber auch inhaltlich: Die inklusive Beschulung sei ein klarer gesetzgeberischer Auftrag für alle Bremer Schulen, also auch für die Gymnasien.

Dies gelte auch für „W&E-Kinder“, also SchülerInnen mit einer sogenannten „Wahrnehmungs- und Entwicklungsstörung“, die aller Voraussicht nach lebenslang Unterstützungsbedarf haben, um selbstständig leben zu können. „Eine Reduzierung der Bildungschancen der Regelschüler sei hierdurch nicht zu befürchten“, sagt das Gericht über die Inklusion. Im konkreten Fall geht es um eine Klasse mit 19 RegelschülerInnen und bis zu fünf Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Trotz ihres eindeutigen Sieges machte Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) nun einen kleinen Schritt auf das Gymnasium Horn zu: „Jetzt ist es besonders wichtig, gemeinsam gute Rahmenbedingungen für Inklusion an Schulen zu schaffen“, sagte sie am Montag. Das habe auch die Evaluation zum Schulkonsens ergeben. Dabei kam heraus: Die Inklusion wird in den Schulen „in hohem Maße akzeptiert“ – diese klagen aber durchweg über eine „hohe inklusionsbedingte Belastung“ und bemängeln „Defizite in der räumlichen, materiellen und personellen Ausstattung“.

Das hat auch das Gymnasium Horn abgeschreckt: Schulleiterin Kelm protestierte schon im November – mit der Begründung, dass niemand an ihrer Schule über eine sonderpä­dagogische Qualifikation verfüge, auch sie selbst nicht. Außerdem fehle es ihrer Schule an der notwendigen räumlichen Infrastruktur. Sie könne daher nicht die Verantwortung für W&E-Kinder übernehmen, sagte die Direktorin. Von den „Inklusionsklassen“ an anderen Schulen wisse sie zudem, dass die Ankündigungen der Behörde, was an Ausstattung kommen werde, oft „nur auf dem Papier“ stehe, so Kelm weiter. Sie wollte lieber nur körperlich behinderte SchülerInnen aufnehmen, die erwartbar auch das Abi­tur machen.

Eine konkrete Verbesserung verspricht Bogedan nicht. Stattdessen verweist sie darauf, „an verschiedenen Ecken“ schon „für Verbesserungen“ gesorgt zu haben. Daran müsse nun weiter gearbeitet werden, heißt es ganz allgemein aus dem Ressort, und dass die Senatorin das unterstützen werde, wo sie könne.

Für Schulleiterin sind Gymnasien für Förderschüler ungeeignet

Vor Gericht hatte die Schulleiterin argumentiert, dass ein Gymnasium als Förderort für W&E-SchülerInnen nicht in Betracht käme – diese seien in Oberschulen zu unterrichten. Dabei haben schon heute zwei der acht Bremer Gymnasial­standorte auch Inklusionsklassen. Müsse es in Horn auch so eine geben, würden die Kapazitäten für reguläre SchülerInnen zu Unrecht beschränkt, so Kelm.

Eine Reduzierung der Chancen der Regelschüler sei nicht zu befürchten, sagt das Gericht

Die Direktorin fühlte sich zudem nicht nur als Beamtin, sondern auch als Lehrerin und Direktorin in ihren Rechten verletzt und berief sich auf das Selbstverwaltungsrecht ihres Gymnasiums. Die Entscheidung, wo eine inklusive Klasse eingerichtet werde, liege aber allein bei der Bildungssenatorin, entschied das Gericht.

Im Übrigen sei nur klagebefugt, wer durch eine hoheitliche Maßnahme in eigenen Rechten verletzt sei. BeamtInnen seien durch innerdienstliche Weisungen aber „regelmäßig nicht in eigenen Rechten betroffen“, so das Verwaltungsgericht. Sie könnten daher nur „remonstrieren“, wie die JuristInnen das nennen, also verwaltungsintern auf Bedenken gegen die Recht- und Zweckmäßigkeit der Entscheidung hinweisen.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Ob Kelm nun beim Oberverwaltungsgericht Berufung einlegt, sei noch nicht entschieden, sagte ihr Rechtsanwalt.

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