Entscheidung über einen Ukraine-Beitritt: Nicht geschenkt. Verdient!
Der Beginn der Verhandlungen über den EU-Beitritt der Ukraine ist ein Erfolg. Doch die Ukrainer denken an den Preis, den sie dafür bezahlt haben.
V or genau zehn Jahren haben sich die Ukrainer endgültig für die EU entschieden. Damals nahmen Hunderttausende an der Euromaidan-Revolution teil. Heute wird die europäische Zukunft der Ukraine an einer 1.500 Kilometer langen Frontlinie verteidigt.
Wenn also gesagt wird, der ganze Prozess sei für die Ukrainer zu schnell gegangen, dann stimmt das nicht. So viele tragische Ereignisse liegen hinter ihr, und der höchste Preis wurde bezahlt – Tausende von Menschenleben. „Es war nicht alles umsonst“, twitterte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba nach der Bekanntgabe der Entscheidung des Europäischen Rates. Diese wird von den Ukrainern mit verhaltener Freude begrüßt: Sie denken an diejenigen, die diesem Tag so nahe waren, ihn aber nicht mehr erleben konnten.
Trotz der russischen Raketen am ukrainischen Himmel glauben die Ukrainer, dass dies eine historische Chance ist: Nicht nur für Entwicklung, sondern auch für das Überleben als Land und politische Nation. 78 Prozent der Ukrainer unterstützen den EU-Beitritt. Aber nur wenige machen sich Illusionen darüber, wie viel Arbeit noch vor ihnen liegt, um Mitglied der EU zu werden. Und 74 Prozent der Ukrainer sind laut einer neuen Meinungsumfrage davon überzeugt, dass die Ukraine keines ihrer Gebiete aufgeben sollte, auch wenn der Krieg noch lange andauern sollte.
„Es wird Frieden geben, wenn wir unsere Ziele erreichen. Ich erinnere daran, dass dies die Entnazifizierung, die Entmilitarisierung und der neutrale Status der Ukraine sind“, sagte Putin, als in Brüssel die historische Entscheidung für die Ukraine getroffen wurde.
Für Putin inakzeptabel
Putins Erklärung zeigt einmal mehr, dass der Kreml auch bei territorialen Zugeständnissen der Ukraine und einem Einfrieren der aktuellen Frontlinie nicht bei den bereits besetzten Gebieten haltmachen will. Er betrachtet die Ukraine nicht als unabhängigen Staat; dass das Land den europäischen Weg gewählt hat, ist für ihn inakzeptabel.
Deshalb muss die Ukraine heute so einen hohen Preis für ihre europäische Zukunft zahlen. Und deshalb ist der Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen für die Ukraine kein Geschenk. Die Ukrainer haben lange und hart für die europäischen Werte gekämpft, ihre Zugehörigkeit zur europäischen Familie bereits mehrfach unter Beweis gestellt.
Auch für die EU selbst wird der Beitritt der Ukraine ein großer Erfolg sein. Vor dem Hintergrund populistischer, radikaler und extremistischer Stimmungen, die in Europa rapide zunehmen, werden die Ukrainer der EU einen zweiten Atem verschaffen und daran erinnern, was den Kern dieser Union ausmacht – Menschenwürde, Freiheit und Gerechtigkeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter