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Entrüstung über DopingbekenntnisseWenn Moralisten Lügen lieben

Wer dopt und offen damit umgeht, zieht sehr viel Empörung auf sich. Dabei wird der Sport nur ethisch, wenn Sportler den Mut zur Ehrlichkeit hätten.

Keine Ausreden: Triathlet Collin Chartier streitet Doping nicht ab Foto: imago

T riathleten sind Profis der Askese und könnten es vermutlich mit jedem Mönchsorden aufnehmen. Wer hätte aber gedacht, dass sie so frömmlerisch sein können. „Es bricht mir das Herz, wenn ich sehe, dass ein Athlet zu solch unethischen Methoden greift“, schrieb der deutsche Spitzen­triathlet Patrick Lange. Und der dreimalige Ironman-Weltmeister Jan Frodeno assistierte: „Betrug im Sport zerstört jede Freude, die damit verbunden ist.“

Sie reagierten auf das Bekenntnis des US-Kollegen Collin Chartier, gedopt zu haben. Doping im Ausdauersport? Pfui, Sünde! Eine Welle der Empörung, heißt es, gehe durch die Triathlonszene.

Hätte Chartier erklärt, er sei in einem unbedachten Moment in eine Epopritze gefallen, die irgendjemand achtlos am Boden hat liegen lassen, wäre ihm mehr Verständnis entgegen gebracht worden. Vielleicht sogar Bedauern wegen des Missgeschicks. Oder hätte er doch wie Mario Vušković, der Fußballprofi vom Hamburger SV, Anwälte in die Spur geschickt, die fantasievolle Theorien entwickelten, warum in dessen Dopingprobe aufgrund unsachgemäßer Behandlung erst im Nachhinein EPO auftauchte.

Die allseits beliebte Geschichte also, dass der Täter eigentlich das Opfer ist. Der HSV ist ganz ergriffen von derlei Erzählungen, weshalb er Vušković nach wie vor den Rücken stärkt.

Der Leistungssport lebt von der Lüge

All das hätte Chartier auch haben können. Der Leistungssport lebt von der Lüge. Stattdessen räumt er nicht nur ein, dass er gedopt hat, sondern behauptet auch noch durch die Blume, das hätte mit dem System des Sports zu tun. Er habe den Erwartungsdruck nach einer Verletzung, die großen Rennen gewinnen zu müssen, als immens empfunden und sei aufs Ganze gegangen. Er bat um Entschuldigung.

Für die Moralapostel Frodeno und Lange wäre es natürlich fatal, wenn der Glaube zunehmen würde, dass das Gute und Böse milli­meternah zusammenliegt. Dabei verfahren auch die beiden mindestens nach dem Prinzip: Erlaubt ist alles, was (noch) nicht verboten ist. Leistungssportler sind stets Grenzgänger, wenn es darum geht, noch das letzte Quäntchen aus sich herauszuquetschen. Schmerzmittel verschieben etwa die natürlichen Leistungsgrenzen und sind bislang erlaubt. Wird die Einnahme von Schmerzmitteln im Sport erst dann unethisch, wenn beschlossen wird, diese auf die Verbotsliste zu setzen?

So einfach ist es gewiss nicht. Aber moralische Systeme sind gerade wegen ihrer Schlichtheit selbstbestärkend. Ethischer wird der Sport vermutlich nur, wenn mehr Sportler wie Collin Chartier den Mut zur Ehrlichkeit hätten. Nur so kann man sich mit den Schwächen von Menschen und deren Systeme auseinandersetzen.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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1 Kommentar

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  • Ach was! ©️ Loriot

    Herr Johannes Kopp - ist es nicht vielmehr so:



    “Wenn Moralisten Moralisten Moralisten nennen!“



    Mit ehra Ehrlichkeit isses doch ooch nicht weit her! Woll.



    Leistungssport abschaffen! Das wäre ehrlich •

    unterm——



    “Wieso machste den Quatsch noch mit?!“



    “Stimmt. Als die Schwimmer versuchten sich den Darm aufzupumpen!



    Um die Schwimmlage zu verbessern. Dachte ich es reicht!



    Naja - ich verdien mein Geld damit!“



    (Großes Bruderherz - Ruderer Ratzeburg - Bundestrainer)