Ironman Jan Frodeno über neue Pläne: „Askese ist von vorgestern“

Nach einem Seuchenjahr möchte Triathlet Jan Frodeno heuer neue Reize setzen. Er spricht über einen Umzug in die Berge und kleine Pölsterchen.

"Stimulus generieren": Triathlet Jan Frodeno, 41.

„Stimulus generieren“: Triathlet Jan Frodeno, 41 Foto: imago

taz: Herr Frodeno, wo stehen Sie? Ist das Annus horribilis 2022 mit kaputtem Fuß, Radsturz und entzündeter Hüfte abgehakt?

Der 41-Jährige holte nach seinem Olympiasieg 2008 in Peking die WM-Titel beim Ironman Hawaii 2015, 2016 und 2019 auf der Langdistanz.

Jan Frodeno: Seit Dezember kann ich im Training wieder Vollgas geben und komme auch schon fast wieder an die früheren Laufumfänge heran. Ich habe wieder Spaß an der Bewegung.

Wo werden Sie starten? Challenge Roth hat kürzlich ein namhaftes Starterfeld mit ihrem Rivalen Patrick Lange vorgestellt. Ihr Name war nicht dabei.

Ich möchte in meinem letzten Jahr auf Höchstniveau den Kreis noch mal schließen – und dazu gehören verschiedene Rennen bei verschiedenen Veranstaltern. Ich möchte in Kalifornien beim Ironman 70.3 Oceanside im April beginnen. Mein erstes Langdistanzrennen wird der Ironman Hamburg sein, wo diesmal die EM vergeben wird.

Damit starten Sie nicht beim Ironman Frankfurt, sondern bei der Ironman-WM in Nizza, wo eine sehr bergige Strecke mit 2.400 Höhenmeter wartet.

Die reine Kletterei ist nicht unbedingt meine Welt, aber dafür lebe ich ja jetzt in den Bergen.

Nämlich in Andorra statt in Girona. Wie kam es dazu?

In den vergangenen Jahren wuchs bei mir eine gewisse Unzufriedenheit durch die ausgefallenen Wettkämpfe, aber auch über meine Leistungen. Da habe ich mich selbst gefragt, was ich ändern muss. Da kam ich auf einen Wechsel des Umfelds, um einerseits einen Stimulus zu generieren und andererseits wieder eine gewisse Ruhe zu bekommen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich in Girona in der Pandemiezeit zu viele Sachen angezettelt. Jeden Tag war viel Rummel.

Sie wurden die Geister, die Sie auch mit ihrem gemeinsam mit ihrer Frau Emma betriebenen Café riefen, nicht mehr los?

Es war im Alltag zu viel.

Fühlen Sie sich im kleinen Pyrenäen-Staat nicht eingezwängt?

Ich wohne oben auf dem Berg, insofern fühle ich mich schon frei. Für mich hat die Gegend beim Training ein bisschen was vom Rocky-Flair, gleichzeitig gefällt es meiner Familie.

Und steuerlich ist es auch günstig.

Ja, ein netter Nebeneffekt.

Andorra liegt auf mehr als 1.400 Meter. Sie waren bislang nicht dafür bekannt, als Triathlet auf Höhentraining zu setzen.

Hier wird gerade das höchste Trainingszentrum Europa auf 2.500 Meter Höhe gebaut. Ich bin aber tatsächlich extrem schlecht in der Höhe und reagiere darauf stark. Insofern gibt es einen Nutzen, den ich in meiner Karriere nie hatte. Das letzte Mal habe ich vor Olympia 2012 eine Vorbereitung in der Höhe gemacht, was schiefgegangen ist. Heute ist es mit den technischen Hilfsmitteln leichter zu steuern.

Die Ironman-Organisatoren haben kurz vor Weihnachten entschieden, dass Frauen und Männer nur noch abwechselnd alle zwei Jahren auf Hawaii starten. Sie haben wie viele daran harte Kritik geübt.

Ironman ist eine Marke und eben auch ein Geschäft. Sie wollen Kohle machen! Tradition steht dem Wachstum manchmal im Wege. Was mich wirklich ärgert, ist ein Teil ihrer Argumentation: Da heißt es jetzt, die Frauen brauchen ein eigenes Rennen. Zwei Jahre vorher war es aber nicht mal möglich, den Frauen zusätzlich 15 Startplätze auf der Pier in Kona zu geben. Das kommt etwas scheinheilig rüber. Es geht mit diesem Modell nicht um Gleichberechtigung, sondern um Geld, weil mehr Startplätze für eine WM und auch für andere Rennen der Ironman Serie verkauft werden.

Warum schließen sich nicht Amateure und Profis zusammen und boykottieren die Ironman-Rennen?

Die Forderung gab es, aber wie so oft bei einem Boykott wäre wohl auch hier der Boykottierende am Ende der Geschädigte. Nicht nur in den USA gibt es inzwischen immer mehr Menschen, die sich den Traum vom Ironman unbedingt erfüllen möchten. Boykottieren drei Amateure, stehen dafür mindestens ebenso viele Schlange, die einspringen.

Kristian Blummenfelt und Gustav Iden haben im Vorjahr auf Hawaii neue Maßstäbe definiert.

Die beiden Norweger machen das mit ihrer hochwissenschaftlichen Methode beeindruckend, ergeben mit ihrem Trainer ein Dreamteam. Natürlich glaube ich, dass ich da noch mithalten kann.

Müssen Sie nicht auch schmunzeln, wenn Sie den Körperbau des Weltmeisters Blummenfelt betrachten: Da sammelt sich reichlich Körpermasse an.

Da erinnere ich mich an den früheren NOK-Präsidenten Klaus Steinbach, der über mich mal gesagt hat, dass ich niemals im Triathlon Erfolg haben werde, weil ich zu groß sei. Das war für mich Ansporn. Wir haben es bei Blummenfeldt mit einem Athleten zu tun, der eben kein Hungerhaken ist, sondern ein paar Kilo mehr auf die Waage bringt. Insofern hat er ein Dogma aufgebrochen. Offenbar hat es physiologisch etwas Positives, wenn der Körper mehr Kalorien zur Verfügung stellen kann. Wenn ich ehrlich bin, probiere ich das gerade für mich aus. Diese ewige Askese ist von vorgestern.

Und Sie wiegen jetzt auch drei Kilo mehr?

Es sind zwei, aber ich gebe mir Mühe, dass ich mich nicht mehr so sehr für die Waage interessiere.

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