Entlassung von Häftlingen gestoppt: Netanjahu hat kein Herz
Dass Israels Regierungschef, die Freilassung der Häftlinge stoppte, ist fatal. Die Hoffnung der noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln schwindet.

W er bis heute nicht sieht, dass die Hamas eine blutrünstige, monströse Bande ist, der wird es wohl nie verstehen. Dass aber auch Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu mit grausamer Kaltblütigkeit gegenüber seinen eigenen Landsleuten bestens mithalten kann, zeigt spätestens seine Entscheidung, die vereinbarte Freilassung palästinensischer Häftlinge zu stoppen.
Es ist ein klarer Vertragsbruch, der weitere Abkommen und die Freilassung der noch im Gazastreifen verharrenden Geiseln deutlich erschweren wird. Die Inszenierungen der Geiselübergaben im Gazastreifen sind gruselig und widerwärtig. Und es ist blanker Terror, wenn die Hamas zwei Geiseln, die nicht zum Austausch stehen, das Schauspiel live miterleben lässt. Vor laufenden Kameras richten die zwei Männer ihren Appell an die Entführer, sie endlich zu entlassen, vor allem aber an Netanjahu:
„Du hast uns fertiggemacht“, sagt einer von ihnen. 500 Tage in Geiselhaft, „es reicht“. Den beiden verzweifelten Männern zuzusehen, ist herzzerreißend. Es ist absurd, dass Netanjahu das Aussetzen der Entlassung von rund 600 PalästinenserInnen, die schon in Bussen saßen, um nach Ramallah zu fahren, mit dem Spektakel im Gazastreifen rechtfertigt. Er erklärte, erst wenn weitere Geiseln „ohne demütigende Zeremonien“ freikommen, werde Israel seinen Verpflichtungen nachkommen.
Für die vorerst im Gazastreifen verbleibenden Geiseln dürften die Inszenierungen kaum schwerer zu ertragen sein als jeder einzelne weitere Tag in Gefangenschaft der Islamisten. Netanjahus Vertragsbruch hingegen kann ihr Todesurteil sein. Niemand soll glauben, dass die Islamisten auf die Bedingungen des israelischen Regierungschefs eingehen werden. Die Hamas lässt sich nicht erpressen.
Fromme Politiker ignorieren jüdisches Gebot
Ein Leben zu retten, heißt auf Hebräisch pikuah nefesh und ist laut Halacha, dem Buch der jüdischen Ge- und Verbote, die höchste Pflicht. Um sie zu erfüllen, dürfen alle anderen Gesetze gebrochen werden, auch das Fahrverbot am Schabbat oder sogar am heiligen Jom Kippur. Das Leben der letzten Geiseln zu retten, wäre sogar ohne jede Verletzung der jüdischen Regeln möglich.
Wo also sind die Abgeordneten und die Minister, die sich als fromme Juden bezeichnen? Wie kann es sein, dass sie ihre Glaubensbrüder islamistischen Terroristen ausliefern? Israel wird von verlogenen Männern regiert, die schwarze Hüte tragen, von einem Haufen völlig offen agierender Rassisten, an deren Spitze ein herzloser Machtpolitiker steht.
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