piwik no script img

Entlassung der „Bild“-ChefredaktionUnd tschüss!

Der Axel Springer Verlag feuert drei Mitglieder der „Bild“-Chefredaktion – sie sollen davon erst am Tag ihrer Entlassung erfahren habe.

Kam unerwartet: Nach knapp eineinhalb Jahren muss Johannes Boie seinen Posten als Bild-Chef räumen Foto: Markus Scholz/dpa/picture alliance

Das kam für alle überraschend: Am vergangenen Donnerstag feuerte Axel Springer drei Mitglieder der Bild-Chefredaktion. Johannes Boie, Alexandra Würzbach und Claus Strunz verloren ihre Posten. Zur neuen Chefin ernannte der Konzern Marion Horn, die ab 2013 als erste Frau Leiterin der Bild am Sonntag war. Ab 2019 wechselte sie in die Privatwirtschaft zu einem Kommunikationsunternehmen. Es war ein kurzer Ausflug, wie sich nun herausstellt. Horn übernahm am Donnerstag sogleich die Blattplanung, die Zeitung vom Freitag erschien bereits unter ihrer Regie.

Eine solche Hauruckaktion ist sogar für Springer ungewöhnlich, wo normalerweise nicht lange gefackelt wird. Wenn man sich unter Bild-Mitarbeitenden umhört, berichten zwar einige von Gerüchten über einen bevorstehenden Umbau, doch so schnell hatte das niemand erwartet. Im Dezember verkündete Springer, dass der ehemaligen Focus-Chefredakteur Robert Schneider ins Führungsgremium von Bild geholt werden soll, dem damals noch Joahnnes Boie vorstand.

Schon damals raunten einige im Haus, dass es der erste Schritt sei, zumindest Würzbach und Strunz auszusortieren. Dass nun die Chefredaktion von vier auf zwei Mitglieder verkleinert wird und gleich drei altgediente Re­dak­teu­r:in­nen ihre Posten abrupt räumen müssen, damit hatte nun wirklich niemand gerechnet.

Verschiedene Quellen berichten, dass Donnerstagmorgen noch alles seinen gewohnten Gang ging. Alexandra Würzbach leitete die tägliche 10-Uhr-Konferenz, bevor sie und ihre Co-Chefredakteure zum Vorstand einberufen wurden. Erst dort wurde ihnen eröffnet, dass sie gehen müssten. Warum diese abrupten Entlassungen? Warum ausgerechnet jetzt ein solcher Umbau?

Mehr Leidenschaft für Boulevardjournalismus

Der Abgang des von Drogenskandalen und Vorwürfen des Machtmissbrauchs heimgesuchten ehemaligen Chefredakteurs Julian Reichelt ist schließlich erst eineinhalb Jahre her. So viel Zeit hatte das neue Leitungsteam noch gar nicht, eigene Akzente zu setzen oder belastbare Zahlen an Lesern oder Abos für oder wider ihren Kurs zu generieren.

Vielleicht findet man Erklärungen in einer Textexegese des dürren Statements, das Axel Springer abgab: In einer E-Mail an die Belegschaft schrieb Geschäftsführer Claudius Senst, dass Bild „Klarheit und Verlässlichkeit in der Führung und Verantwortung“ brauche. Horn hingegen wurden „journalistische Exzellenz, Führungsstärke und Leidenschaft für guten Boulevardjournalismus“ attestiert. Das klingt nicht gut für die bisherige Chefredaktion um Boie. Hatten die etwa keine Verlässlichkeit in der Führung? Keine journalistische Exzellenz?

Boie setzte eindeutig andere Duftmarken als der Radaubruder Reichelt. Unter Boie kam Bild (etwas) sanfter daher. Manche Beobachter attestierten der Zeitung unter seiner Führung sogar mehr journalistische Qualität. Das war dann also doch nicht ganz Boulevard genug. Aber wer ist das schon? Der Über-Bild-Chefredakteur und taz-Intimus Kai Diekmann hat offenbar so große Fußstapfen hinterlassen, dass niemand sie zu füllen weiß. Seit er nicht mehr bei Bild ist, verließen Tanit Koch (Chefredakteurin 2016 bis 2018), Julian Reichelt (Chefredakteur 2017 bis 2021) und jetzt Johannes Boie mehr oder weniger freiwillig das Haus.

Es kommt nicht zur Ruhe. Der Vorstandsvorsitzende von Springer, Mathias Döpfner, hatte gerade erst den Verlag und darüber hinaus die ganze Branche mit der Nachricht geschockt, dass Springer 100 Millionen Euro sparen soll. Dabei soll es auch zu „deutlichen Reduzierungen von Arbeitsplätzen“ kommen. Noch schlimmeres Ungemacht droht dem Haus: Der Schriftsteller und ehemalige Döpfner-Vertraute Benjamin von Stuckrad-Barre veröffentlicht im April seinen neuen Roman „Noch Wach“.

Darin sollen allerlei Anekdoten aus Bild und Springer zu einer fiktionalen MeToo-Geschichte verquirlt worden sein. Es werden also mindestens unangenehme Fragen auf den Konzern zukommen. Da ist es für Boie, Würzbach und Strunz vielleicht ganz erholsam, erst mal aus der Schusslinie zu sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

19 Kommentare

 / 
  • Wer kauft die Bildzeitung eigentlich noch? Der Kabarettist Volker Pispers hat doch schon alles über die „Qualität“ der Bildzeitung gesagt: "Die Bildzeitung, dieses Drecksblatt, das so widerlich ist, dass man toten Fisch beleidigt, wenn man ihn darin einwickelt."

    • @Ricky-13:

      Das hat der Herr Pispers aber schön dekretiert.



      Danke für den Hinweis 👍🎩👍

      • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

        anschließe mich - zwei Seelen - ein Gedanke! Woll

  • Alle sechs stellvertretenden ChefredakteurInnen behalten ihre Positionen. Somit wird sich inhaltlich wohl nicht all zu viel ändern. Da verlautet wurde, dass die Geschassten im Konzern verbleiben sollen, werden zumindest keine Gehälter eingespart. Die Personalie Claus Strunz lässt vermuten, dass der von ihm verantwortete und augenscheinlich gescheiterte Versuch der Etablierung eines BILD-Nachrichtensenders, nach einer Schamfrist wieder aufgegeben wird. Die Quoten waren und sind unterirdisch.

  • Muss ich da jetzt Mitleid haben?

  • "Ab 2019 wechselte sie in die Privatwirtschaft zu einem Kommunikationsunternehmen."

    Ähm, es mag ja stimmen, dass die BILD der Union Schild und Schwert sei und die Union die Verkörperung des Hegelschen Staatsgedankens zu sein vorzugeben sich bemüht. Aber dem Staat gehört das Blatt deswegen nicht, sondern ist selbst Teil der "Privatwirtschaft".

  • "BILD dir deine Meinung"



    Habe ich, "kein intelligenter Mensch braucht BILD".

    • @Rudi Hamm:

      Nö. Aber die tazis können ja mal in alter Frische - ne was Tass Kaff - ☕️☕️☕️ - rüberbringen! Gellewelle&Wollnichwoll



      taz.de/picture/223..._bild_diekmann.jpg



      & Döpfeln - statt die Straßenseite wechseln!



      Geht auch immer - wa!



      “Heute geht es um die Zukunft der ganzen Branche. (Eben! “Wer zuviel backt - kriegt den BACKWAHN!“ Werner Brösel!;))



      Heute geht es um die Zukunft der ganzen Branche. Dennoch sollten wir genauso wenig nach dem Staat rufen, wie es die taz vor 25 Jahren getan hat. In der Phase der Transformation benötigt die Verlagsbranche stattdessen neben wirtschaftlichem und intellektuellem Wettbewerb Einigkeit in den ganz grundsätzlichen medienpolitischen Fragen. Einigkeit, die sicherstellt, dass künftig weiter gestritten werden kann. Im Wettbewerb und vor allem in der gesellschaftlichen und politischen Debatte.



      (& Däh - leck mich doch inne Däsch!)



      Und da, ja, liebe taz-Genossen, sind sogar Allianzen zwischen taz und Bild denkbar. -



      🥴🤢🤮🤑 -



      MATHIAS DÖPFNER!“ Ach was! ©️ Loriot

      Na Mahlzeit

      • @Lowandorder:

        Da schaus - sollte zu Klaus Waldhaus -



        Sorry!

        • @Lowandorder:

          & damit niemand denkt ich hätt‘s mir aus den Fingern! Woll



          “+++Vor 25 Jahren rettete die Genossenschaft die taz.



          Heute ist weit mehr bedroht als eine einzelne Zeitung, sagt Mathias Döpfner“



          taz.de/-Vor-25-Jah...-die-taz/!5400293/



          Liggers. Immer wieder gern genommen!

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    "Ab 2019 wechselte sie [Marion Horn] in die Privatwirtschaft"...Was ist denn "Bild"? Staaatswirtschaft?

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Die 1. Gewalt im Staate, was sonst?

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Ist doch klar zu verstehen:



      Ein Kommunikationsunternehmen ist halt kein Verlag und somit eine andere Branche.

      • @Schängel:

        Was hat Privatwirtschaft mit Branche zu tun? Ist die Bild bzw. Springer jetzt also ein öffentliches Unternehmen (öffentlich rechtlich)?

        • @White_Chocobo:

          Wenn man es nicht verstehen will dann versteht man es auch nicht.



          Er arbeitet nicht mehr als Journalist.



          Er wechselt auch nicht in den öffentlichen Bereich.

          • @Schängel:

            Faß mal alls z‘sammen:

            “Strunz ist ihr Gemüse 🌽 🍆 🥒!“ But.



            Wenn ich das hier lese: “Keine journalistische Exzellenz?“



            Ja wie??? - bei LÜGT?? Mach Bosse. Gelle



            Da kann ich auf gau plattdütsch doch nur - “Söchst du Wuus 🌭 - inn‘ Hunnen 🐕 🐶 🐕Stall?“ seggen!



            Da Stuckard doch der Barren am Stege •



            Normal Schonn

            kurz - LÜGT van Rösselsprung - taugt doch nichemal als Fischeinwickelgazette



            Das mag niemand bei Verstand den armen Fischen zumuten! Wollnichwoll!



            Und hier so ein Bohei! Nich to glöben un rein tonn katolsch warrn!



            &



            Resümee: images.app.goo.gl/JuF36Ehrb9Qy2o5q9 - Denn merke auf:



            “Nur ungern nimmt der Handelsmann -



            Statt baren Geldes - Stuhlgang an!“ •

          • 9G
            95820 (Profil gelöscht)
            @Schängel:

            Wer ist "er"? Würde es ja gern verstehen...

  • Insolvenzverwalter werden halt nicht ewig gebraucht. Boie war ein Versuch, Ruhe ins Spiel zu bringen, aber um zu bleiben hätte er wohl ein "wasch mich, aber mach mich nicht nass"- Wunder vollbringen müssen. Döpfner träumt weiterhin von so etwas wie "sauberem" Boulevard, oder wenigstens dem Anschein davon, nur natürlich in Kombination mit der erfolgreichen Dauerempörungsmasche. Das funktioniert aber zusammen einfach nicht mehr, da kommt nur noch Crash- Trash bei raus. Boie dürfte seine von Reichelt auf Krawall gebürstete Truppe einfach nicht in den Griff bekommen haben, ein Robert Schneider wird die BILD wohl wenigstens wieder etwas unterhaltsamer machen.