Englische Fußballliga will streamen: Premier League and Chill
Die englische Männerfußballliga plant ein eigenes Streaming-Angebot. Und was hat die deutsche Bundesliga so vor?
Wahrscheinlich wird der neue Streamingdienst gar nicht „PremFlix“ heißen. Das ist bloß ein vorläufiger Titel, um auch allen klarzumachen, dass der Fußball jetzt mitschwimmt auf der Netflix-Welle, und wer hier geistiges Vorbild war. Ein Streamingservice, der noch gar nicht existiert, aber, so er kommt, den Fußball-Übertragungsmarkt revolutionieren soll.
Richard Masters, CEO der englischen Premier League, hat im Guardian angekündigt, dass die englische Eliteliga der Männer ihre Inhalte künftig unter anderem direkt streamen wolle. Bislang verkauft sie klassisch Übertragungsrechte an Anbieter wie Sky, BT und Amazon Prime; noch bis 2022 sind diese Rechte vergeben, für 3,1 Milliarden Pfund pro Jahr. Dann soll alles anders werden. „Die Premier League wird sich zu einer Mischung aus direktem Konsum und Medienrechteverkäufen bewegen“, kündigte Masters an.
Die Idee ist im Groben abgekupfert von der US-Football-Liga NFL, die einen eigenen Sender mit dem Namen NFL Network besitzt und auch in Europa große Wachstumsziele verfolgt. Sie fährt dabei mehrgleisig: Übertragungsrechteverkauf an Drittanbieter wie Dazn, dazu Free-TV-Deals und parallel ein direktes Angebot, den Game Pass, der einem Netflix-Abo ähnelt. Außerdem gibt es Rund-um-die-Uhr-Berieselung und inhaltlich abgespeckte Varianten wie „Essentials“.
Sam Jones, CEO beim europäischen Vermarkter des Game Pass, proklamierte jüngst: „Die Gewinner der Zukunft sind diejenigen, die jetzt starke Beziehungen zu ihren Fans aufbauen.“ Die Sportmedienlandschaft individualisiert sich.
Märchenhafte Gewinnrechnungen
Ohne Weiteres übertragbar ist die Situation jedoch nicht. Die NFL ist in ihrer weltweiten Dominanz unangefochten; die englische Premier League wäre das zwar gern, ist aber eher Marktführer in einem hart umkämpften Rattenrennen mit starken nationalen Traditionen – und hat mit der Champions League zudem eine Konkurrenz, die sich zunehmend in Richtung einer halb geschlossenen Superliga bewegt. Wie viele ausländische ZuschauerInnen würden ein Premier-League-Abo kaufen?
Die englischen Medien machen indes märchenhafte Gewinnrechnungen auf: Die Daily Mail rechnet mit 200 Millionen Haushalten, die zum Beispiel 10 Pfund im Monat investieren würden, und mit Einnahmen von 24 Milliarden Pfund im Jahr. Weil der heimische Markt durch die Bezahlsender BT Sport und Sky als gesättigt gilt, soll sich PremFlix vor allem an den internationalen Markt richten.
Den Strukturwandel spürt offenbar auch die deutsche Männer-Bundesliga; schon im August gab DFL-Geschäftsführer Christian Seifert bekannt, es werde an einem direkt vermarkteten Angebot fürs Ausland gearbeitet: einem „Bundesliga Pass“ mit Live-Angeboten für einen exemplarischen Preis von 7,99 Dollar.
Auf Rückfrage gibt ein DFL-Sprecher an, dass so ein Angebot „ab der kommenden Saison 2020/21, wenn die nächste internationale Rechteperiode beginnt“, als „Alternative“ auf ausländischen Märkten zur Verfügung stehe. Die DFL wirkt dabei eher getrieben. „Unsere Strategie besteht vom Grundsatz her nicht darin, ein eigenes Medienangebot zu produzieren“, sagte Seifert noch im August. Er ließ aber eine dezente Hintertür offen, sollten internationale Entwicklungen so etwas „erforderlich machen“. Nun ist das offenbar sehr schnell eingetreten.
Streaming setzt die Konkurrenz unter Druck
Der selbst auferlegte Zwang zum Wachstum macht solche Schritte so nötig wie attraktiv. Nach Jahren der Kostenexplosion bei den TV-Rechten gab es jüngst in ersten europäischen Ligen Ermüdungstendenzen. In England brachten die heimischen Übertragungsrechte des aktuellen Zyklus rund 5 Milliarden Pfund ein, und damit nicht mehr als zuvor; in der kriselnden italienischen Liga sanken die Angebote für die Live-Rechte um fast 200 Millionen Euro. Eigene Streamingdienste sind da eine Strategie, die Drittanbieter unter Druck zu setzen oder gleich auszubooten.
Das britische Fußballmagazin FourFourTwo befürchtet derweil, „PremFlix könnte die ungewollte Konsequenz haben, zwanzig individuelle Klubsender aufzubauen, und für die allgemeine Gesundheit des Fußballs wäre das nicht zu begrüßen.“ Solche Sender gibt es natürlich schon: Sie heißen etwa FC Bayern.tv und senden rund um die Uhr. Nur noch keine Livespiele.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?