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England, Wales, Schottland, NordirlandDas Land mit den vier Fußballteams

Warum existiert im Fußball eigentlich kein Team Großbritannien? Es gibt im United Kingdom doch auch keine vier Könige.

Bei Olympia 2012 kickte das Team Great Britain mit. Prompt interessierte sich David Beckham für das seltene Phänomen Foto: Imago/Shutterstock

E ngland spielt im letzten Vorrundenspiel gegen Wales. Und ich frage mich – wie so oft –, warum. Warum treten die Briten gegeneinander an? Warum haben sie nicht einfach – so wie jedes andere Land dieser Welt – ein britisches Nationalteam? Ein König, ein Team. Nicht?

Man stelle sich doch mal vor, es gäbe kein deutsches Nationalteam. Das hätte zwar durchaus seine Vorteile und würde uns den ein oder anderen Schland-Fan ersparen. Dafür gäbe es dann aber zum Beispiel ein bayerisches Na­tio­nalteam in weiß-blau karierten Trikots, das manchmal in der EM-Vorrunde auf das Team Preußen träfe. Okay, der Vergleich hinkt etwas, aber die Begründung könnte eine ähnliche wie in Großbritannien sein: Die Tradition will es so.

Denn in England, dem „Mutterland des Fußballs“, wurde 1863 die Football ­Association (FA) gegründet. Ein Jahr vor der Gründung der ­Scottish Football Association, 1872, hatte bei Glasgow das allererste offizielle Länderspiel der Fußballgeschichte stattgefunden: die schottische Männerauswahl gegen die englische. Es endete völlig unspektakulär mit 0:0.

Bei Olympia 2012 gab es ein Team GB – bei den Männern hauptsächlich mit englischen und walisischen Spielern, bei den Frauen auch mit Schottinnen dabei

Bald darauf gründeten noch Wales und Nordirland jeweils ihren eigenen Fußballverband, und seitdem halten die britischen Fußball­traditionalisten daran fest: ein Königreich, aber vier Ligen und vier Nationalteams! (Eigentlich sind es sogar fünf, wenn man die gibraltarische Fußballnationalmannschaft dazuzählt.)

Wann ist jemand englisch? Und wann schottisch?

Aber wer entscheidet denn nun, ob jemand Engländer:in, Schott:in, Wa­li­se­r:in oder Nord­ir:in ist? Die Briten sind da flexibel: Geburtsort, Herkunft der Eltern oder Großeltern. Wichtig ist: Einmal entschieden, kann die Nationalelf nur noch schwer gewechselt werden.

Doch beim Internationalen Olympischen Komitee, da können sich die Briten mit ihren diversen Nationalteams – die es übrigens auch im Hockey und Rugby gibt – nicht durchsetzen. Beim Fußball verzichtete man ab den 70er Jahren sogar ganz auf die Teilnahme, da die vier Verbände sich nicht einigen konnten, wie ein Großbritannienteam zusammengestellt werden sollte. Vor allem, weil die Verbände aus Schottland, Nordirland und Wales immer wieder fürchten, die englische FA könnte zu viel Einfluss bekommen und sie dadurch ihren Sonderstatus als eigenständige Verbände verlieren. Und die anhaltende Rivalität zwischen Schottland und England macht es auch nicht einfacher, aufeinander zuzukommen.

Bei den Olympischen Spielen in London 2012 schaffte man es dann – auch auf Wunsch der Politik –, ein Team GB aufzustellen, hauptsächlich mit englischen und walisischen Spielern. Bei den Frauen waren auch Schottinnen dabei. Beide Teams kickten sich jeweils bis ins Viertelfinale und scheiterten dann – die Frauen an einem Staat mit demselben Staatsoberhaupt, Kanada, die Männer an Südkorea. Und sind damit der englischen Tradition treu geblieben.

Nationalteams hin oder her, der Fußballer Gary Lineker wusste schon 1990: „Am Ende gewinnen immer die Deutschen.“ Mal sehen.

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Ruth Lang Fuentes
Autorin
Geboren 1995 in Kaiserslautern, bis Januar 2023 taz Panter Volontärin. Sie studierte Mathematik in Madrid und Heidelberg. Schrieb dort für Studierenden- und Regionalzeitung. Seit 2022 schreibt sie im Wechsel mit Aron Boks die taz.FUTURZWEI-Kolumne "Stimme meiner Generation".

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