Energiewende in Deutschland: Teure Pachten für Windkraftflächen
Die Landesforsten vergeben Landnutzung für Windräder an den höchsten Bieter – das treibt die Preise. Eine gesetzliche Höchstgrenze könnte helfen.
Eine offizielle Statistik zur Pachthöhe gibt es zwar nicht, doch wo immer man sich in der Branche umhört, ist die Aussage die gleiche: Da läuft was aus dem Ruder. Branchenakteure sehen darin eine Gefahr: „Stark steigende Flächenpachten könnten zum Flaschenhals der Energiewende werden“, sagt Jürgen Quentin von der Fachagentur Wind und Solar.
Andere formulieren es noch drastischer: „Da ist die Gier ausgebrochen“, sagt Jens Kriete, Nachhaltigkeits-Manager der Koehler Renewable Energy. Die Firma ist eine Tochter der Papierfabrik Koehler im Schwarzwald und sie würde gerne in der Region eigene Windkraftanlagen errichten, nachdem die Koehler-Gruppe das Ziel definiert hat, im Jahr 2030 mehr Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen, als sie in ihren Werken verbraucht. Doch mehrfach seien an den Standorten Gebote eines schwedischen Energiekonzerns zum Zuge gekommen. Es gehe bei der Vergabe von Flächen oft nur noch um Höchstpreise, nicht mehr um den Erhalt lokaler Arbeitsplätze, klagt ein Firmensprecher.
Zu den größten Treibern der Pachtpreise gehören ausgerechnet die Landesforsten, die in den Wäldern der Mittelgebirge über zahlreiche geeignete Windkraftstandorte verfügen. Durch gesetzliche Rahmenbedingungen, wie das Vergaberecht und das Haushaltsrecht, sind die Einrichtungen der öffentlichen Hand verpflichtet, ihre Flächen per Ausschreibung meistbietend zu verpachten. Würden die landeseigenen Forstbetriebe nicht das Maximum herausholen, müssten sie sich vorwerfen lassen, öffentliche Güter zu verscherbeln. Der Anstieg der Pachten wird damit bei steigender Nachfrage zum Automatismus.
In der politischen Debatte kaum angekommen
Konkrete Zahlen aus der Branche bekommt man allerdings oft nur unter dem Siegel der Vertraulichkeit. Vor ein paar Jahren lagen die Pachten zumeist noch bei etwa zehn Prozent der jährlichen Stromeinnahmen einer Windkraftanlage. Inzwischen berichtet ein deutscher Projektentwickler, er habe für einen guten Standort jüngst notgedrungen einen Vertrag unterzeichnet, der gut 30 Prozent des Stromertrags als Pacht festlegt. Und es gebe sogar den Extremfall, wo ein ausländischer Konzern einem Flächeneigentümer 50 Prozent der Erträge als Pacht angeboten habe. Damit kann eine einzelne Anlage eine Jahrespacht von rund einer halben Million Euro bringen.
Da solche Beträge nur zu bezahlen sind, weil die Projekte über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und damit die Steuerzahler abgesichert sind, droht der Energiewende durch die Pachthöhen auch ein Imageproblem. Denn aus überbordenden Pachten könnte man schließen, dass die Vergütungssätze zu hoch sind.
Entsprechend hat der Bundesverband Windenergie (BWE) bereits im Jahr 2022 ein Konzept zur Pachthöhenbegrenzung entwickelt. Danach sollte der fixe Pachtanteil auf maximal das 45-fache der landwirtschaftlichen Pacht limitiert werden, der variable Anteil auf 0,4 Cent je Kilowattstunde. Die Bezugsfläche würde auf Basis des vom Rotor überstrichenen Geländes errechnet.
Nach wie vor ist das Papier Beschlusslage des Branchenverbandes, doch bisher hat es weder in der Politik noch in der Öffentlichkeit eine nennenswerte Debatte angestoßen. Im Bundeswirtschaftsministerium versucht man sogar, Zweifel an der Zulässigkeit einer Pachtbegrenzung zu säen. Auf Anfrage sagt ein Sprecher: „Über das EEG-Ausschreibungsdesign in privatwirtschaftliche Pachtverträge einzugreifen, ist nicht möglich.“
Diese Sichtweise wäre nachvollziehbar, würde man im komplett privatwirtschaftlichen Umfeld agieren, wo typischerweise Vertragsfreiheit gilt. Doch weil die Windkraftanlagen über das EEG und damit nicht frei am Markt finanziert werden, bieten die Förderkonditionen einen Ansatzpunkt: In den Ausschreibungsbedingungen für EEG-Anlagen könnte eine maximal zulässige Pachthöhe verankert werden.
Anders als das Wirtschaftsministerium halten Fachjuristen diesen Weg nämlich durchaus für gangbar: „Eine Pachtobergrenze als Voraussetzung für eine Teilnahme an den Ausschreibungen zu definieren, dürfte rechtlich zulässig sein“, sagt Thorsten Müller, Jurist und Leiter der Stiftung Umweltenergierecht. Die Schwierigkeit liege lediglich darin, dass man Umgehungstatbestände ausschließen müsse; dafür stünden verschiedene Wege zur Verfügung, die man sich im Detail anschauen müsse.
Während es also in der Branche gärt, ist das Thema in der politischen Debatte bisher kaum angekommen – was sich angesichts der jüngsten Preisentwicklungen aber wohl bald ändern dürfte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut