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Energieverbrauch senkenEffizienzgesetz steckt fest

Bei seinem AKW-Machtwort hatte der Bundeskanzler ein Gesetz für einen geringeren Energieverbrauch angekündigt. Aber es kommt einfach nicht.

Große Karre, viel dahinter – zumindest was den Energieverbrauch angeht Foto: Erik Irmer

Berlin taz | Das von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) versprochene Energieeffizienzgesetz lässt auf sich warten – zu lange. Das kritisieren die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz und das Umweltinstitut München. Die Um­welt­ex­per­t:in­nen sprechen von einem „Zurückhalten des Gesetzentwurfs“.

Den hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) seinen Ka­bi­netts­kol­le­g:in­nen nämlich schon vor Monaten zur sogenannten Ressortabstimmung vorgelegt. Und dort liegt er nun, eine Einigung der Bundesregierung steht aus. Das bestätigte das Wirtschaftsministerium auf Anfrage. Es gebe noch „Gesprächsbedarf“.

Dabei wurde das Projekt schon an prominenter Stelle angekündigt. Als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Oktober sein Machtwort zum Streckbetrieb der Atomkraftwerke sprach, sicherte er den enttäuschten Grünen auch einen Erfolg zu: Es solle ein Energieeffizienzgesetz geben, wie Habeck es zum Unmut der FDP bereits in Planung hatte.

„Es wird ein ambitioniertes Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz vorgelegt“, hieß es in einem Schreiben von Scholz an Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), die sich in der Atomdebatte gegenüberstanden. Umweltverbände fordern ein solches Gesetz schon lange. Und die aktuelle Energiekrise mit ihren unliebsamen Atom-, Gas- und Kohle-Deals brachte nun den politischen Schwung: Energie, die man eingespart hat, muss man schließlich nicht erst aufwändig beschaffen.

Die AKWs laufen, das Effizienzgesetz hängt fest

Dass die Atomkraftwerke noch bis Mitte April laufen dürfen, war dann im November beschlossene Sache. Das Energieeffizienzgesetz hingegen kommt einfach nicht auf den Weg.

„Seit drei Monaten hängt dieses zentrale Gesetz nun fest, und das in einer Zeit, in der alles darangesetzt werden muss, die Verbräuche für die kommenden Winter zu senken“, sagt Christian Noll, Chef der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz. Ihr gehören mehr als 200 Unternehmen aus verschiedenen Branchen an, die besonders auf Energieeinsparung und Klimaschutz achten wollen. „Die Bundesregierung verschenkt weiter unnötig viel Zeit.“

Den Energieverbrauch zu senken, ist aber nicht nur wegen der aktuellen Energiekrise und kurzfristig nötig. Es ist auch Voraussetzung dafür, dass der Klimawandel nicht zur permanenten Energiekrise wird.

Das zeigt zum Beispiel die Studie „Klima­neutrales Deutschland 2045“ im Auftrag der Denkfabrik Agora Energiewende und der Stiftung Klimaneu­tra­lität. Darin gehen die Ex­per­t:in­nen davon aus, dass sich bis zum Jahr 2045 der Primärenergieverbrauch halbiert, also der Energiegehalt aller in Deutschland direkt oder indirekt genutzten Energieträger. Alles andere würde eine unrealistisch Anzahl von Windrädern und Solaranlagen erfordern – oder eben zu einem Energiemangel führen.

Im Entwurf für einen Gesetzentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium ist denn auch eine Senkung des Primärenergieverbrauchs um 57 Prozent die Rede. Inklusive Vorgaben für große Unternehmen mit hohem Energieverbrauch zum Beispiel. Dem Erstentwurf nach müssten sie Umweltmanagementsysteme einführen und bestimmte Maßnahmen umsetzen. Rechenzentren etwa müssten die entstehende Abwärme nutzen – Energie, die derzeit einfach ­un­genutzt in die Umgebung entweicht.

Aus zivilgesellschaftlichen Beobachterkreisen ist zu hören, dass die FDP-geführten Ministerien für Finanzen und Verkehr Einwände haben. Die Neoliberalen sind bekanntermaßen keine Fans von Vorgaben für Unternehmen. Wenn das Gesetz, wie von Habeck vorgesehen, alle Wirtschaftssektoren betreffen soll, wäre eventuell sogar die Automobilwirtschaft betroffen. Dort ist der jahrelange Trend: Die Motoren werden effizienter, aber die Autos größer und schwerer. So werden theoretisch mögliche Energieeinsparungen wieder zunichte gemacht.

Auch das SPD-geführte Bauministerium sei nicht begeistert, ist zu hören. Dort dürfte der Knackpunkt eher woanders liegen, etwa bei Vorgaben für Bundesländer zur Pflichtsanierung öffentlicher Gebäude.

Dabei beruft sich das Bauministerium an anderer Stelle bereits auf das geplante Gesetz: Weil der Gebäudesektor im Jahr 2021 die gesetzlichen CO2-Vorgaben gerissen hat, mussten Bau- und Wirtschaftsministerien als zuständige Regierungsressorts ein Sofortprogramm vorlegen. Dort wird ein Energieeffizienzgesetz schon als Maßnahme angeführt.

Auch die Deutsche Umwelthilfe wartet ungeduldig auf das neue Gesetz. Aber bislang werde auch die Konsultation der Verbände, bei der die Umwelthilfe zu Rate gezogen würde, von Woche zu Woche geschoben, beklagt Elisabeth Staudt, Energie- und Klimaexpertin bei der Organisation. „Es kann sich kein Wirtschaftssektor mehr um dieses Thema herumwinden.“

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16 Kommentare

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  • 6G
    666757 (Profil gelöscht)
  • Das fehlende Tempolimit ist die sichtbarste Verschwendung vor aller Augen. Denn die zurückgelegte Wegstrecke pro kWh schrumpf fast mit dem Quadrat der Geschwindigkeit. Und das wäre noch eine der preiswertesten Maßnahmen. Sind doch in Großbritannien die Autobahnen bis zu 8x sicherer als bei uns. Sprich für die formal längere Reisezeit würden wir viel Zeit durch vermiedene Staus auch vor kleinen Unfällen einsparen. Man müsste halt denMut haben es mal ein Jahr auszuprobieren….

  • Der Begriff vernebelt sinnvolles Vorgehen. Im Wesentlichen stecken nur zwei Dinge dahinter: Stromerzeugung und Gebäudeheizung. Also Windräder und Photovoltaik und Wärmepumpen anstatt Öl Gas und Kohle für Stromerzeugung und Gebäudeheizung zu verbrennen. Insofern ist es nicht erstaunlich, dass es da nicht vorangeht. Wo nix ist, kann man auch nix holen. Das Autos größer und schwerer werden hat ist Verschwendung und nichts mit Effizienz zu tun.

    • @mwinkl02:

      Hinter Energieeffizienz steckt, dass Energie physikalisch nicht verbraucht wird, dass man Energie eigentlich nicht "braucht", sondern nur energetische Zustände, um Prozesse ablaufen zu lassen und auch um sich warm zu fühlen. Der sogenannte Energieverbrauch ensteht als nicht genutzte Abwärme, z.B. als Gebäude- Wärmeverlust/ Lüftungswärmeverlust oder ungenutzter Abwärme in Rechenzentren und Industrie. Und darum geht es, das ist nicht so spektakulär wie die sogenannte Energieerzeugung. Energieeffizienz entsteht durch bessere Ingenieurleistungen und Technik bei der Gestaltung energieanwendender Prozessen, quasi Hinschmalz statt Energie"verbrauch", Kosten für menschliche (Ingenieuers)arbeit statt für Energie.



      Das ist seit Jahrzehnten ein vernachlässigtes Thema, z.B. sinkt der spezifische Energieverbrauch jählich nur um 1-2%, gerandemal soviel, wie durch die Erneuerungsrate von Technik ohnehin passiert.



      Und unvermeidliche Abwärme kommt nicht dahin, wo sie in Niedertemperaturprozessen wie Gebäudeheizung gebraucht wird, sondern wird (mit neuen Energieaufwand) an die Umgebung weggekühlt.



      Über diesen Teil der Energiewende wird auch in der Presse zuwenig berichtet, verständlich ist deshalb die verbreitete Unkenntnis.



      Und ja, bei der Energieeffizienz wirken hohe Energiepreise positiv, aber die jahrzehntelange negative Erfahrung zeigt, dass es trotzdem eines anspruchsvollen gesetzlichen Regelungsrahmen bedarf.

  • Wo ist der Herr "Klimakanzler", wenn man ihn mal braucht.?

    (oder war das doch nur ein Wahlkampf-GAG)..??

  • dann solltet ihr aber auch konsequent Anzeigen für Verbrennerautos aussortieren.

    • @Gerd Heber:

      Ich denke nicht, dass Verbrennen das Problem sind. Es sind die überdimensionierten Autos, egal ob Verbrenner oder Elektro und das fehlende Tempolimit. Ich fahre mit meinem Auto mit Benzin, brauche 4,5l /100km und wenn die Autoindustrie wollen würde, könnte das locker noch gesenkt werden.

      • 6G
        666757 (Profil gelöscht)
        @Fly1975:

        Exakt! Seh ich genau so!

  • Aber, aber... nicht so hastig... in der Ruhe liegt die Kraft. Olaf Scholz ist halt ein bedachtsamer Mensch, (schnelle) Entscheidungen sind nicht sein Ding. (Es sei denn, es geht um LNG- Terminals.) Und vielleicht hat er es auch einfach vergessen - sein Gedächtnis soll ja auch nicht so gut sein, wie man hört.

  • interessant. gut, dass die taz berichtet.



    dieses ist eigentlich ein zentrales problem und sollte als hauptthema von allen medien stark beleuchtet werden. ein grosser psychologischer knackpunkt.



    wieso draengen menschen in fuehrungspositionen? geld? ansehen? machtgier? selbsterfuellung? oder wollen sie, wie in allen bewerbungen stark unterstrichen wird, tatsaechlich verantwortung uebernehmen?



    das hier nichts passiert, ausser vom wirtschaftsminister, ist zeichen von fuehrungsschwaeche. exttrem wichtige dinge liegen zu lassen, ist inkompetent. das auch noch mit votsatz zu tun, ist eigentlich kriminell.



    ich hoffe, dass das mal aufgearbeitet wird. wie soll man sonst den nachfolgenden generationen erklaeren, dass ein grund des scheiterns zur klimakatastrophe nicht nur die traegheit des menschen ist, es ist auch eine satte portion von trotz mit dabei. so wie meine nachbarn, die im winter partout 24h das fenster auf kipp lassen - trotz besseren wissens -, stellen sich hochrangige politiker GEGEN massnahmen, energie einzusparen, nur weil sie fuerchten, dass man seine gewohnheiten vielleicht aendern oder sich etwas mehr anstregen muss. oder einfach auch nur, weil sie sich eben nichts gerne sagen lassen. wie meine renitenten nachbarn.

  • Da bei uns im Rhein-Main-Gebiet gerade ein sinnloses Rechenzentrum nach dem anderen aus dem Boden schießt: unsere auch Grün geführte Landesregierung oder die Bundesregierung könnte ja mal Projekte hinterfragen, die wie in diesem Fall Strom wie eine ganze Kleinstadt verbrauchen.

    Diese Rechenzentren decken keine aktuell existiernden Bedarf an Rechenleistung. Oder fehlt jemandem etwas bei seinen Clouddiensten?

    Bsp.:



    www.datacenter-ins...ativ-aus-a-328335/

  • Es ist doch wunderbar, dass wir so vertrauenswürdige Politiker haben.



    Verläßliche Regierungsmitglieder.



    Die sich für das Volk und ihr Land einsetzen.



    Die das Interesse Aller und nicht nur das der Eliten im Blick haben.

    Da reißt mich der Wecker jäh aus meinen Träumen ...

  • Und dieses Land hat sich mal über die Planwirtschaft der DDR lustig gemacht und natürlich über die "Verwaltung des Mangels".



    Jetzt veraltet man selbst den Mangel, ganz planwirtschaftlich.

    Das ist Deutschland,



    Regelung des Energieverbrauchs durch Gesetze,



    gestern gab es noch Marktwirtschaft, aber das war gestern.



    Zukunft war gestern, ab heute gibt Albtraum.

    • @Octarine:

      Die unsichtbare Hand des Marktes regelt in der Regel nur den Profit der Konzerne. Wenn man möchte, dass die Menschen etwas davon haben, muss der Staat eingreifen.

      Und bei Corona und der Bankenkrise war der Staat (also unsere Steuergelder) gut genug, dass er eingreift.

      Wenn der Preis der Energie die wahren Kosten beinhalten würde, die aber immer vergesellschaftet werden, wie z.B. bei der Kernenergie, dann würde der Markt sogar sehr schnell etwas anderes regeln als das, was gerade passiert. Wir hätten nie Kernenergie gehabt, denn kein Unternehmer hätte diese Kosten getragen. Und die fossilen Energieen gäbe es auch nicht mehr wenn man die wahren Kosten der Klimakatastrophe einrechnen würde.

      • @Jalella:

        So so, die "unsichtbare Hand des Marktes regelt" also " in der Regel nur den Profit der Konzerne."

        Sie scheinen durch Preissteigerungen wohl in keiner Weise beeinflusst zu sein und können ohne Grenzen dem Konsum fröhnen. Kein Wunder dass da so manche ihrer Lieblingsmarken ordentlich Profit einfahren. 🤪

      • @Jalella:

        Es ist ironisch zu verstehen.

        Wann immer die Menschen dieses Landes bei größeren Problemen, wie Arbeitslosigkeit, Infrastruktur oder Wohnen und Gesundheit das Eingreifen des Staates fordern, wird auf die "Marktwirtschaft" verwiesen.



        Jetzt Gesundheitsreform, Rentenreform, nur der Markt kann uns retten.



        Gleichzeitig greift der Staat sehr gerne und nicht zimperlich in Leben der Menschen ein. Auch im Bereich der Wirtschaft können Selbstständige und kleine Unternehmen kaum der Gängelung entgehen.

        Und sehr häufig haben wir dann Eingriffe in Bereiche, die sich schlecht oder gar nicht regeln lassen.

        Aus Sicht dieser Politik, besonders dieser Regierung, sind wir Untertanen, die sich zu fügen haben.