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Energiepolitik der AmpelMit Tempo in die falsche Richtung

Kai Schöneberg
Kommentar von Kai Schöneberg

In Rekordzeit hat die Regierung das erste deutsche Flüssiggasterminal eingeweiht. Schade, dass sie beim Klimaschutz nicht so viel Elan zeigt.

Die Vier von der LNG-Tankstelle: Lindner (FDP), Scholz (SPD), Habeck (Grüne) und Weil (SPD) Foto: AP

W enn jetzt doch wieder Gas kommt, muss ich dann überhaupt noch die Heizung runterdrehen oder kürzer lauwarm duschen, um Putin kein Geld in den Rachen zu werfen? Die Botschaft, die vom Medientamtam zur Einweihung des ersten deutschen Flüssiggasterminals in Wilhelmshaven ausgeht, ist mehr als zwiespältig.

Dort sprach Kanzler Olaf Scholz (SPD) von der neuen „Deutschland-Geschwindigkeit“ beim Bau des Terminals – und er, Klimaminister Robert Habeck (Grüne) sowie Finanzminister Christian Lindner (FDP) grienten selbstzufrieden mit Bauhelm und Arbeitsjacke in die Kameras.

So schnell wie Elon Musk seine E-Auto-Fabrik bei Berlin in „Tesla-Geschwindigkeit“ gebaut hat, sollte das wohl heißen – aber eben „deutsch“. Seltsamer Vergleich. Scholz wollte aber sagen: Die Ampel rockt! Und ja, es ist eine Monsterleistung, dass Deutschland sich kaum zehn Monate nach Beginn des Ukrainekriegs bereits der Abhängigkeit von Kohle und Öl aus Russland entledigt hat – und nun mit dem LNG-Terminal am Jadebusen einen wichtigen Schritt dabei geht, auf Gas aus Sibirien zu verzichten.

Allerdings: Die Geschwindigkeit, mit der hierzulande wichtige Projekte durchgezogen werden, ist trotzdem viel zu häufig einfach nur schnarchig. Siehe Verkehrswende. Siehe Wohnungsbau. Siehe Digitalisierung. Siehe die aktuelle Megapleite mit Kabelbränden und „Turmdefekten“ beim Schützenpanzer Puma.

Trauriger Treppenwitz

Und siehe Erderhitzung. Klimabesorgte würden sich mal endlich richtig Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien wünschen. Stattdessen hat das LNG-Schiff „Höegh Esperanza“ nun bis zum 31. Dezember 2043 die Erlaubnis, tiefgefrorenes in gasförmiges Flüssiggas umzuwandeln – und führt so die deutschen Klimaziele ad absurdum.

Derzeit sind in Deutschland insgesamt zwölf schwimmende oder sogar fest installierte LNG-Terminals geplant – das sind Kapazitäten für mehr Gas, als aus Russland kam. So wird eine neue langfristige Abhängigkeit zementiert, anstatt den Ausstieg aus dem fossilen Energieträger zu planen.

Die Bundesregierung verteidigt sich damit, dass die LNG-Terminals „ready“ für die Zukunft und für grünen Wasserstoff seien – allerdings ist dessen Verschiffung bis dato technisch ineffizient, kompliziert und kaum getestet.

Und noch ein letzter, sehr trauriger Treppenwitz zu den neuen, so blitzartig gebauten LNG-Terminals: Sie sollen ja das einst per Pipeline gekommene russische Gas ersetzen. Allerdings kann niemand dem Gas ansehen, woher es kommt. Deshalb wird höchstwahrscheinlich künftig LNG auch aus Russland in Deutschland landen.

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Kai Schöneberg
Ressortleiter Wirtschaft und Umwelt
Hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz als Leiter des Ressorts Wirtschaft + Umwelt, seit August 2024 im Sabbatical.
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14 Kommentare

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  • Endlich mal jemand, der voran macht. Die Schlafmützen von früher gibt es immer noch im Parlament.



    Zeit, dass man denen mal zeigt, wie es auch gehen kann.



    Egal wie man dazu steht, die Umsetzung ist eine Sensation.

  • "Klimabesorgte würden sich mal endlich richtig Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien wünschen."



    Mit "Ausbau der erneuerbaren Energien" ist es leider nicht getan. In einem Stromnetz müssen Angebot und Verbrauch zur Deckung gebracht werden, und dafür braucht es lagerfähige Energieträger (z.B. Kohle, Gas, Biomasse, Cobalt(II)-oxid). Und bezahlbar (genauer: erwirtschaftbar) sollten diese auch sein...

    • 0G
      05867 (Profil gelöscht)
      @sollndas:

      Es gibt Pumpspeicherwerke.



      Werden im Schwarzwald von "Naturliebhabern" (=nimby-BIs) abgelehnt werden und in Geesthacht unverständlicherweise nicht genutzt.

      Es gibt in Dänemark tausende von sog. Erdwärmespeichern, die solarthermisch gewonnene Wärme speichern können. Aber nicht hierzulande, wo die Fossil-Lobby Nahwärmenetze immer verhindern konnte.

      Und es gibt neuerdings in SH große Speicherlösungen für überschüssigen Windstrom. Die Gemeinden befürchten allerdings auch hier (zurecht) das die Netzbetreiber dies verhindern werden. Mit Hilfe des Wirtschaftsministeriums und der Netzagentur.

      Alles in Allem durchaus gute Ansätze für grundlastfähige Speicher.



      Man müsste es nur wollen.



      Die Grünen wollen es leider nicht.

      • @05867 (Profil gelöscht):

        "...Pumpspeicherwerke... Erdwärmespeichern..."



        ...sind sicher nützlich, aber angesichts des Bedarfs eher ein Tropfen auf den heißen Stein. Als Anhaltspunkt für den Bedarf mögen die vorhandenen Gasspeicher dienen (die ja zu ersetzen wären): Die speichern ca. 250 Terawattstunden.



        Ich sehe bislang kein Speicherkonzept (auch nicht in der Summe von klein-klein), das auch nur annähernd bedarfsdeckend und erwirtschaftbar wäre.

        • 0G
          05867 (Profil gelöscht)
          @sollndas:

          Hier geht es nicht unbedingt um "klein-klein".



          Die zB in Dänemark erfolgreich vollzogene Wärmewende (Solar District Heating) trägt dem Umstand Rechnung, das der größte Teil des Energiebedarfs für die Wärmegewinnung benötigt wird.

          Jedes Wärmenetz hat dabei unterschiedliche grundlastfähige Energieträger wie Biogas, Erdwärmespeicher, Solarthermie, Hackschnitzel, Stroh. Gas und Öl werden für Notfälle und Kälteeinbrüche vorgehalten.

          Wärme läßt sich auch in großen Aquifer-Speichern unterhalb von Hamburg speichern und abrufen.

    • @sollndas:

      Pumpspeicherkraftwerke sind seit Jahrzehnten in Betrieb, um EE zu speichern.



      Das Prinzip einen Höhenunterschied zu nutzen funktioniert übrigens auch unter der Erde in alten Bergwerken.



      Leider dauert es wegen Dummheit immer 30 Jahre bis Politik und Investoren aus den Puschen kommen.

      Warum Cobalt(II)-oxid ein Energieträger sein sollte erschließt sich mir nicht ganz.

      • @Matthias Schürle:

        "Warum Cobalt(II)-oxid ein Energieträger sein sollte..."



        Da habe ich mich vertan, ich meinte Cobalt(II,III)-oxid. Das ist einer der Energieträger in geladenen Lithium-Ionen-Akkus, der an der positiven Elektrode.

        • @sollndas:

          Ich würd`s als Teil eines Energiespeichers definieren.



          Energieträger wie Sonnenlicht, Wind, Gas, Kohle, etc. tragen Energie in sich, die sie in einem Akku speichern.

  • ....und die Wette steht: Auch über das Frühjahr 2023 hinaus werden die AKWs in deutschen Landen weiter strahlen. Wer es noch immer nicht gemerkt hat, die Grünen haben sich schon länger aus der Ökologie zugunsten des Machterwerbs verabschiedet. Bestes Beispiel Baden-Württemberg mit seinem Auto-Mischterpräsidenten.....

  • Mit ca. 40 - 50% Kohlestrom im Netz (Quelle: FAZ), einem Wirkungsgrad von 30% - Transport der Kohle und Leitungsverluste noch nicht mit eingerechnet - und einer Jahresarbeitszahl von 4 bis 5 für eine Wärmepumpe kann man unter dem Gesichtspunkt CO2 auch gleich zu Hause Heizöl verbrennen.

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    Ich finde bezeichnend, das die Ampel-Parteien sich hier für die Rekarbonisierung auch noch feiern.



    Trotzdem weniger verlogen, als wenn die 3 von der Tankstelle einen Windpark einweihen würden

    • @05867 (Profil gelöscht):

      Was ist denn ihre Idee?



      Wollen sie die böse deutsche Wirtschaft opfern?



      Schon jetzt verlassen Firmen den Standort Deutschland, weil es in den USA viel billiger ist! Kapiert?

      Das Ziel, die erneuerbaren Energien voranzutreiben, wurde ja nicht verlassen sondern nur, aufgrund der Krise, aufgeschoben.

      • 0G
        05867 (Profil gelöscht)
        @Herry Kane:

        "Kapiert?"



        Jawohl, mon General!!!

        1.) Die Rekarbonisierung ist weder zwangsläufig noch alternativlos, wie so oft von der Fossil-Lobby behauptet



        2.) Der forcierte Ausbau der erneuerbaren Energien wäre hingegen erheblich zielführender gewesen, auch & gerade im Hinblick auf die Sanktionen gegen Russland



        3.) "wurde "nur" ... aufgeschoben"



        Die Welt hat im Pariser Klimavertrag nicht ohne wissenschaftlichen Grund feste Ziele für die Dekarbonisierung definiert. Da gibt es nicht mehr aufzuschieben.

        Das "kapiert?" schenke ich mir jetzt :-)

  • Ja. Ziemlich enttäuschend das alles.