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EnergiekriseKoalition einigt sich auf Gasumlage

Die Koalition hat sich auf eine Gasumlage geeinigt. Sie wird wohl 1,5 bis 5 Cent pro Kilowattstunde betragen. Kritik kommt von Verbraucherschützern.

Gasverdichterstation in Werne Foto: Imago

Berlin dpa | Die Bundesregierung hat sich am Donnerstagabend auf eine Regelung der Gasumlage geeinigt, die ab Herbst zu Preissteigerungen für die Gaskunden führt. Habeck sagte, die Entscheidung der Bundesregierung für die befristete Umlage werde und müsse von weiteren Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger begleitet werden.

Die Bundesregierung will mit der Umlage einen Zusammenbruch von Importeuren als Folge stark gedrosselter russischer Gaslieferungen verhindern. Sie soll ab Anfang Oktober greifen und Gasversorgern wie Uniper zugutekommen, die zu hohen Preisen Ersatz für ausbleibende, günstigere Gasmengen aus Russland kaufen müssen. Sie können diese Mehrkosten aber bisher nicht weitergeben, dies soll über die Umlage geschehen. Uniper war in finanzielle Turbulenzen geraten, der Bund hatte ein milliardenschweres Rettungspaket beschlossen.

Die Rechtsverordnung soll voraussichtlich Mitte August in Kraft treten. Wie hoch die Umlage ist und wann genau sie wie bei den Verbrauchern ankommt, ist unklar. Die Höhe der Umlage soll erstmals bis zum 15. August 2022 ermittelt werden. Die Höhe hängt laut Entwurf der Verordnung wesentlich von Umfang und Preis des als Ersatz zu beschaffenden Gases ab sowie von der Nachfrage. Habeck hatte eine Spanne von 1,5 bis 5 Cent pro Kilowattstunde genannt.

Die Verordnung der Bundesregierung für eine staatliche Gasumlage will die Union so nicht akzeptieren. „Die jetzt im Bundeskabinett beschlossene Gasumlage hat erhebliche handwerkliche Fehler. Sie ist zudem nicht fair“, sagte der stellvertretende Chef der Unionsfraktion, Jens Spahn, der Deutschen Presse-Agentur. Menschen mit kleinem Einkommen warteten seit Monaten auf eine wirkliche Entlastung. Das passe nicht zusammen.

Keine Mehrwertsteuer auf die Umlage

Spahn fügte hinzu: „Dass der Staat über die Mehrwertsteuer an der Sonderumlage noch mitverdient, ist fast zynisch. Die Bürger zahlen so bis zu 100 Euro mehr als nötig wäre.“ Durch die zweite geplante Umlage, die Speicherumlage, würden noch weitere Belastungen auf die Verbraucher zukommen. „Wenn die Ampel hier nicht zügig nachbessert, werden wir im Deutschen Bundestag die Aufhebung dieser Verordnung zur Gasumlage beantragen“, sagte der CDU-Politiker.

Aus Kreisen des von Robert Habeck (Grüne) geführten Wirtschaftsministeriums hieß es dazu, es sei wichtig, dass auf die Umlage keine Mehrwertsteuer erhoben werde. „Das ist nicht vermittelbar.“ Aber hier liege die Zuständigkeit beim FDP-geführten Finanzministerium. Dieses müsse prüfen, wie das geht.

Kritik zur Umlage kam auch aus der Industrie. VDA-Präsidentin Hildegard Müller räumte zwar ein: „Die beschlossenen Regelungen zur Gasumlage sind ein notwendiges Übel, um die Energieversorgung Deutschlands aufrecht zu erhalten“. Aber: Für eine faire Lastenverteilung hätte die Bundesregierung auch die Energiewirtschaft stärker in die Pflicht nehmen müssen. Stattdessen sollten Unternehmen und Privatverbraucher über die Maßen belastet werden. Die Chefin des Verbands der Automobilindustrie forderte für die Industrie weitere Entlastungen wie eine Absenkung der Stromsteuer. Darüber hinaus brauche es eine Härtefallregelung, um existenzgefährdende Belastungen für die Unternehmen auszuschließen.

Die Energieverbände BDEW und VKU forderten die Bundesregierung zu Nachbesserungen auf. Sie warnten in einem Brief an Habeck, der der dpa vorlag, die Preisanpassung könne gegenüber Kunden mit Verträgen ohne Anpassungsmöglichkeit bis zum 1. Oktober nicht durchgesetzt werden. Das betreffe durchschnittlich rund 25 Prozent der Haushaltskunden. Bei Festpreisverträgen drohe ein Totalausfall, wenn die Umlage vertraglich nicht weitergegeben werden könne. „Dadurch entstehen erhebliche Liquiditätsprobleme bei den Energieversorgern, die wegen der ohnehin angespannten Finanzsituation auch zur Insolvenz führen können.“

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20 Kommentare

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  • Was ich bis jetzt nicht verstanden habe und vielleicht weiss das hier jemand im Forum: Uniper et al. haben scheinbar langfristige Lieferverträge mit den lokalen Gasversorgern und kann deswegen die erhöhten Einkausfpreise nicht weitergeben. Haben die nicht auch umgekehrt langfristige Lieferverträge mit z.B. Gazprom? Und wenn ja, müsste dann nicht Gazprom verklagt werden und entsprechend Schadensersatz leisten müssen? Und was passiert dann mit der gezahlten Umlage?

    • @Anna Bell:

      Gazprom scheint schon vor dem Kriegsbeginn gerade keine langfristigen Verträge mehr gemacht zu haben. Außerdem wird sich Fortum schwer tun, die zu verklagen und Geld einzutreiben; übrigens diente auch der Scholz-Besuch bei der Gasturbine dazu, Gazprom Ausreden zu nehmen.

      Sicherlich hatten auch einige Stadtwerke starken Kundenzulauf, ohne sich bei Uniper oder anderswo abgesichert zu haben. Besonders in der Zeit, als pfiffigere Komkurrenten den Vertrieb schon eingestellt oder die Preise erhöht hatten. Bei der Umlage geh es somit auch darum, kommerzielle Fehler von SPD-Leuten in dern Stadtwerken zu vertuschen. Die ex-Grünen-Abgeordnete Andreae gibt im neuen Job im Verband der Energieunternehmen Schützenhilfe.

      • @meerwind7:

        Lieber Meerwind7,



        erstmal danke für die Antwort. Dass eine Klage gg. Gazprom im Moment vermutlich eher wenig Effekt zeigen würde ist schon klar. Meine Frage zielte da mehr auf 'langfristige Lieferverträge' und dem 'scheint' entnehme ich, dass Sie da auch keine gesicherten Information zu haben?

        Und falls das stimmt müsste doch auch mal die Frage diskutiert werden, wie kritische Infrastruktur krisensicher(er) gemacht werden kann. Scheinbar ist da auf den 'Markt' nicht soviel Verlass.

        BTW: Grünen- und SPD-Bashing ist hier komplett fehl am Platz, oder sitzen CDU/CSU/FDP nicht in den Stadtwerken?

      • @meerwind7:

        Eine gewisse Fristentransformation ist vermutlich auch nicht unüblich in der Branche. Nachdem Uniper ohnehin schon nicht so ganz gut dastand, sind sie vielleicht mehr ins Risiko gegangen als andere. Jetzt bewährt sich das ja auch, nach dem zeitgemäß interpretierten Motto "Einer nackten Person kann man nicht in die Tasche greifen".

  • Wieder einmal zeigt sich: Erst wird durch Privatisierung Privaten ermöglichst, am Lebensnotwendigen Profite zu generieren. An -vor allem SPD-Funktionäre, die sich persönlich bereichern wollten- scheiternden Genossenschaftsmodellen und Gemeinwohlunternehmen werden 'Marktmodelle' hochgejubelt, aber wenn es nicht mehr klappt, muss doch wieder die Allgemeinheit bluten. Es sind insbesondere FDP-Propagandisten, die immer wieder dafür sorgen, dass die Abhängigkeit von Geschäftemachern zu Lasten der Allgemeinheit erhalten bleibt. Sie sollte verboten werden, die Verbotspartei, die mit verantwortlich für die Klimakatstrophe ist und auch in der Corona-Krise Geschäftemacherei wichtiger findet, als der Schutz der Menschen.

  • 9G
    99397 (Profil gelöscht)

    „Das ist nicht vermittelbar.“ Tja, das ist wohl deren größte Sorge, ich hätte mir gewünscht, man beschäftigte sich mit der Frage "was ist für wen zumutbar" - aber wenn man mit der FDP koaliert, verzichtet man wohl ganz schnell auf diese Sicht. Klar ist : weniger soziale Gerechtigkeit hätte es mit keiner anderen Regierung gegeben.

  • Diese Gasumlage ist das Allerletzte.



    Auf Gasheizung für ihre Wohnung zwingend angewiesenen Menschen sollen nun noch den Habeck-Zuschlag zur Entlastung des Ex-EON Großkonzerns Uniper zahlen.



    Wieso muss ich als Mieter mit meiner Gasrechnung schwedische und finnische AKWs und russische Kohlekraftwerke finanzieren?



    Wieso bezuschusst die Ampel in der Krise Autobenzin und erhöht aber die Heizkosten für Wohnungsmieter?



    Ob darauf nun MwSt anfällt ist eine Marginalie, zumal die Höhe des Zuschlags der ja selbst eine Quasi-Steuer ist noch offen ist.



    Die Frage der MwSt ändert am unsozialen Konzept und den dadurch geförderten Extraprofiten der Großkonzerne garnichts.

    • @stadtlandmensch:

      Die Zeit für eine Übergewinnsteuer ist mehr als reif.



      Außerdem: wieso sollen wir es weiter hinnehmen, daß die Energieversorgung privatisiert bleibt?

      "RWE & Co enteignen - ❗27.8. Großdemo❗



      Und dafür demonstrieren wir am 27.08. in Köln!



      Gemeinsam mit @Ende__Gelaende,



      @FridayForFuture



      und @LuetziBleibt zeigen wir:



      #EnteignenstattKrise"



      mobile.twitter.com...554118494463074311

      • RS
        Ria Sauter
        @Brot&Rosen:

        Danke für die Info!

    • @stadtlandmensch:

      "Diese Gasumlage ist das Allerletzte. "



      Keine Sorge, sie ist nicht das Allerletzte. Da kommen noch viel Grausamere "Taten" dieser Regierung auf uns Bürger zu.

      • RS
        Ria Sauter
        @Rudi Hamm:

        Das befürchten viele.



        Die Wut ist sehr gross.



        Besser könnte man die braune Brühe nicht fördern

    • @stadtlandmensch:

      Ohne entsprechende Umlage wäre der Spread zwischen Neu- und Altverträgen halt sehr hoch. Manche "Mieter" (wieso eigentlich nur Mieter?) müssten dann richtig tief in die Tasche greifen.

      Und wenn Uniper den Bach runter geht, dann müssten sämtliche Gaslieferverträge neu ausgehandelt werden.

      Und welche Großkonzern profitiert momentan von der Gaspreisentwicklung?

  • RS
    Ria Sauter

    Wirklich eine geniale Lösung, die Menschen noch mehr zur Kasse zu bitten.



    Bitten ist wohl das falsche Wort.



    Die Zukunft wird merzig oder braun.

    • @Ria Sauter:

      ... oder herzig, woll'n mal schau'n ...

    • @Ria Sauter:

      Bis jetzt ist sie rot/grün/gelb und schlimm genug.

    • @Ria Sauter:

      ja, das wird wohl leider passieren. Genau wie in Frankreich.



      Wollen die Grünen das eigentlich wirklich?

      • RS
        Ria Sauter
        @neu_mann:

        Deutet doch alles darauf hin oder?



        So naiv können die beiden Figuren doch nicht sein!



        Ein grüner! Wirtschaftsminister, der die Industrie unglaublich unterstützt auf Kosten vieler Menschen. Eine grüne! Aussenministerin die einfach mal öfter über die Wirkung ihrer Worte nachdenken sollte.



        Sie haben es ja damals schon geschafft mit rot zusammen den Niedriglohnsektor zu etablieren und das Rentenniveau extrem zu senken.



        Entweder sind ihre Wähler/innen nicht davon betroffen oder zu gutgläubig.( um höflich zu bleiben)

  • Auch bei Festpreisverträgen kann die Umlage weiter gegeben werden (Preisanpassungsanspruch wegen sogenannter Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB). Die Energieverbände sollten sich doch erst mal mit ihren Juristen absprechen.

    • @DiMa:

      Die meisten "Festpreisverträge" enthalten eine ausdrückliche Regelung, dass höhere Abgaben weitergegeben werden können.

      Wenn ein Energieunternehmen in Abweichung von dieser üblichen Praxis Kunden damit geködert hatte, dass ihr Festpreisvertrag einen wirklich festen Preis bedeutet, werden sie mit § 313 BGB wohl nicht weit kommen.

      • @meerwind7:

        Vermutlich liegen Sie falsch. Die Störung der Geschäftsgrundlage resultiert aus der Ukrainekrise und der damit zusammenhängenden gedrosselten Gaslieferung. Diese Gründe müssten für 313 BGB vollkommen ausreichen. Entscheiden müsste die der BGH, was jedoch im Umkehrschluss bedeuten würde, dass Verbraucher, Unternehmen und Politik auf Jahre in Unsicherheit leben würden. Das wäre momentan Gift für die Gesellschaft.