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Energieexperte über Ende Gelände„Einige tausend Tonnen CO2 weniger“

Die Kraftwerksblockade im Rheinland hat die Stromversorgung nicht gefährdet, sagt Volker Quaschning. Aber einen Effekt hatte sie.

Braunkohle-Gegner blockieren am Samstag die Strecke, auf der die Kohle-Transporte fahren Foto: dpa
Christian Jakob
Interview von Christian Jakob

taz: Herr Quaschning, Kohlekraftgegner haben am Wochenende im Rheinland Versorgungsgleise der RWE-Kohlekraftwerke blockiert. Der Betreiber musste deshalb den Betrieb von vier Blöcken des Kraftwerks Neurath vorübergehend um 37 Prozent drosseln. Was bedeutet das?

Volker Quaschnig: Neurath ist eines der größten Braunkohlekraftwerke in Deutschland. Von den rund 250.000 Tonnen Braunkohle, die jeden Tag im Rheinland verstromt werden, entfallen etwa 90.000 Tonnen auf die sieben Kraftwerksblöcke in Neurath. Dort entstehen rund 4 Prozent aller deutschen Treibhausgasemissionen. Das gesamte Kraftwerk stößt 32 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr aus, über 3.600 Tonnen pro Stunde. Durch die Drosselung wurden also einige tausend Tonnen des Klimagases vermieden.

Kann RWE nicht einfach in den nächsten Tagen mehr Kohle verstromen, um den Verlust wieder auszugleichen?

Nein. Braunkohlekraftwerke in Deutschland laufen oft auf Vollast. Die Leistung darüber hinaus zu erhöhen, um Produktionsdefizite wieder auszugleichen, ist kaum möglich. Wenn RWE geschickt gewesen wäre, hätten sie ohnehin fällige Wartungen in den Zeitraum der Proteste verlegt.

Wenn eines der wichtigsten Kraftwerke im Land seinen Betrieb einschränken muss – gefährdet das die Stromversorgung?

Nein. Deutschland ist mit Strom überversorgt. Es produziert mehr, als im Land verbraucht wird – rechnerisch fast so viel, um ganz Österreich mitzuversorgen. Riesige Mengen gehen deshalb in den Export. Wenn Deutschland die Kohlekraftnutzung einschränkt, würde es erst mal seinen Export reduzieren.

Die Kohlekraftgegner begründen ihre Aktionen neben dem Klimaschutz auch mit der Gesundheitsgefährdung durch die Kohlekraft. Dazu kursieren verschiedene Zahlen. Ist seriös bezifferbar, welche Auswirkungen die Braunkohleverstromung hat?

Ja. Es gibt dazu unter anderem eine Studie der Universität Stuttgart. Grundsätzlich werden für diese Frage ähnliche Berechnungen angestellt wie bei der Diskussion um den Stickstoffausstoß von Dieselautos. Danach führen die Schadstoffemissionen deutscher Kohlekraftwerke jedes Jahr zum vorzeitigen Tod von über 3.000 Menschen.

Bild: privat
Im Interview: Volker Quaschning

Der 1969 geborene Elek­troingenieur ist Professor für regenerative Energiesysteme an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Technik und Autor von „Regene­rative Energie­systeme“ und „Müll­trenner, Müsli­esser und Klima­schützer“.

Deutschland hat dem Pariser Klimaabkommen zugestimmt. RWE will im Rheinland bis 2045 weiterbaggern. Ist eine so lange Nutzung der Kohlekraft mit den Klimaschutzzielen irgendwie vereinbar?

Nein, das ist totaler Unsinn. Das Klimaschutzabkommen sieht vor, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Die Menge an CO2, die noch in die Atmosphäre gleitet werden könnte, bevor dieser Wert überschritten ist, ist zwischen 2030 und 2040 erreicht. Es ist offensichtlich, dass man dann nicht bis 2045 weiterbaggern kann. Ein kompletter Ausstieg in der Zeit bis zum Jahr 2025 wäre in Deutschland technisch erreichbar. Ein Ende im Jahr 2030 wäre der absolut späteste Zeitpunkt, wenn man die Klimaschutzziele erreichen will. Dazu gehört auch ein forcierter Ausbau der Wind- und Solarenergienutzung, der jetzt weitergehen muss. Dem steht die Braunkohleverstromung im Weg.

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6 Kommentare

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  • Ist der CO2-Ausstoß, den die Blockierer bei der Organisation des Protestes, sowie der An- und Abfahrt verursacht haben, in die Gesamtbilanz mit eingerechnet ?

    • @Nikolai Nikitin:

      ok ich nehme das mal ernst und überschlage mal den klimaimpact des camps mit möglichst großzügigen annahmen.

       

      an und abreise

      3000 leute, im schnitt 1200 km wegstrecke (also z b alle kommen vom äussersten rand deutschlands, berlin oder münchen etwa. das stimmt bei weitem nicht, aber gleicht die wenigen teilnehmenden aus frankreich und polen aus, die ja noch weiter her kommen)

      anreise per bahn 50%, per auto mitfahrgelegenheit 50% (die interne mitfahrbörse und die geringe zahl der fahrzeuge vor ort legt nahe, dass die wirklichkeit deutlich klimaschonender ausssieht)

      1,8 mio km bahnpersonen-km a 40 g CO2/km (bahncardkunden zahlen zwar ökostrom für ihr ticket, dafür wäre also eigentlich 0 g/km korrekt)

      0,6 mio km auto-km a 150 g CO2/km (auf der auobahn eigentlich weniger)(annahme 3 personen je auto, gebündelte anreise und rege mitfahrzentrale)

      macht 72 tCO2 für die Bahn und 90 t fürs Auto. also 162t für alle zusammen.

       

      aufenthalt auf dem camp

      3000 leute * 1 Woche entspricht 60 personen für ein jahr.

      der emissionsrechner des umweltbundesamtes zeigt für durchschnittsdeutsche 11,6 tCO2 pro jahr.

      die lebensweise auf dem camp: vegane bio gemeinschaftsverpflegung, nur solarstrom aus mitgebrachten pannels, geringer konsum, keine flugreisen und autofahrten (die anreise soll ja nicht doppelt gezählt werden), keine heizung (alle zelten ja) ergibt 3,0 tCO2/person und jahr.

      mal 60 personenjahre = 180 t.

       

      aber in der selben zeit zu hause hätten die leute ja auch gegessen, strom verbraucht ect und zwar im schnitt in weniger umweltschonender weise. wenn unsere teilnehmenden zu hause einen immernoch öko-ambitionierten lebensstil hätten, der halb so viel co2 verursacht, wie durchschnittsdeutsch, (6t), wären 60pers*6t vermieden, also minus360t, falls es durchschnittsdeutsche waren, sorag 11,6*60= minus 696t.

       

      162t reise + 180t camp = 342t. und zu hause +360t gespart.

      trotz anreise ist die gesamtbilanz sogar negativ! wegen der klimaverträglichen lebensweise dort. bin selber überrascht.

      • @chn:

        Vielen Dank für Ihre Berechnung. Am nächsten Klimacamp werde ich ebenfalls teilnehmen, nicht zuletzt um Klimatonnen-Minuspunkte zu sammeln -;)

      • @chn:

        Danke für die Mühe.

    • @Nikolai Nikitin:

      Kommentar entfernt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

      Die Moderation

      • @Unvernunft:

        Die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche.