Energiebranche warnt: Keine neuen Kraftwerke geplant
Weil der Strommarkt mit Energie geflutet wird, verfällt der Preis: Konzerne legen ihre Projekte auf Eis. Schuld haben nicht die Erneuerbaren.
FREIBURG taz | Mit Kraftwerken lässt sich immer weniger Geld verdienen: Am Terminmarkt sind die Strompreise in diesen Tagen auf ein neues Rekordtief gefallen. Kraftwerksbetreiber, die ihre Produktion des Jahres 2015 am Markt anbieten, erlösten dafür an der Leipziger Energiebörse EEX zeitweise weniger als 40 Euro pro Megawattstunde. Noch vor zwei Jahren lagen die Preise um 50 Prozent höher. Offenbar gehen die Marktakteure für die nächsten Jahre von einem üppigen Stromangebot aus.
Wann die Preise wieder steigen, weiß keiner. Hildegard Müller, Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), warnt deshalb: Beim Kraftwerksbau drohe eine Eiszeit. Insbesondere Planungen für Anlagen, die nach 2015 gebaut werden sollen, seien auf Eis gelegt worden, obwohl teilweise bereits Genehmigungen vorlägen. Den Investoren seien angesichts des Preisverfalls schlicht Zweifel gekommen, ob sie ihre Kosten wieder herausholen.
Auch die bestehenden Kohlekraftwerke können häufig nur noch laufen, weil das Ausland ihnen den Strom abnimmt. Und so jagt der deutsche Stromexport von einem Rekord zum nächsten: Allein im ersten Quartal 2013 erzielte Deutschland einen Exportüberschuss von 16 Milliarden Kilowattstunden.
Im gesamten Jahr 2012 hatte der Überschuss bei rund 23 Milliarden Kilowattstunden gelegen. Zeitweise liefen in den vergangenen Wochen Kraftwerke mit einer Leistung von 20 Gigawatt nur für das Ausland – das entspricht der Gesamtleistung aller deutschen Braunkohlekraftwerke.
Entgegen der gängigen Vermutung sind allerdings nicht primär die erneuerbaren Energien Auslöser des Exportbooms. Die Stromexporte der vergangenen Monate stammen hauptsächlich aus Braun- und Steinkohlekraftwerken, sagt Bruno Burger vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE). Selbst zu Zeiten mit geringer Stromerzeugung aus Wind und Sonne sei zuletzt sehr viel Strom exportiert worden.
4000 Megawatt Leistung allein 2013 neu
Jedes neue Kraftwerk in Deutschland wird den Stromüberschuss und folglich den Preisverfall vorantreiben. Fossile Kraftwerke mit zusammen mehr als 4000 Megawatt Leistung sollen 2013 in Deutschland ans Netz gehen. Der Branchenverband BDEW will nicht ausschließen, dass deshalb immer mehr Altanlagen stillgelegt werden.
Sollte der Preisverfall aber zu einer wahren Welle von Kraftwerksstilllegungen führen, könnte es in einzelnen Stunden des Jahres mal eng werden mit der Versorgung. Deswegen richtet sich der BDEW mit seiner Warnung vor der „Eiszeit“ an die kommende Bundesregierung. Die müsse vor allem die Frage klären: Wie können in Zukunft Kraftwerke wirtschaftlich werden, die man die meiste Zeit des Jahres nicht braucht?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren