Energieberg Georgswerder in Hamburg: Müll mit Ausblick
Vom Energieberg Georgswerder schaut man schön auf Hamburg. Manche nennen ihn auch Monte Mortale. Ein Hinweis, dass man auf giftiger Altlast steht.
Und die Großstadt liegt vor einem, und man weiß nicht, auf was man zuerst blicken soll: auf den wie hingegossen liegenden Hafen. Auf die Elbphilharmonie. Die Hauptkirchen, das Rathaus, die Bürotürme der Hamburger Straße. Auf all das Umland, wie es sanft ausläuft ins unendliche Grüne.
Der Müll der vielen Jahre
Dass man erhöht steht und geht, liegt daran, dass nur einige der unter einem liegenden Grasflächen überhaupt betreten werden dürfen. Denn man steht auf einer einstigen, zum Berg angewachsenen Deponie. Und was für einer!
Also zurück in die 1950er bis 1980er Jahre. Da wurde hier Müll verklappt und Schicht für Schicht aufgehäuft. Erst der solide Trümmer- und Bauschutt der Nachkriegszeit. Bald der übliche Hausmüll der Wirtschaftswunderjahre. Und schließlich Industriemüll, heftiges Zeug.
Immer wieder dabei: Dioxine. Konkret: 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin. Mancher wird sich erinnern: das berüchtigte Seveso-Gift. Bis beim benachbarten Chemieunternehmen Boehringer, bei dessen Insektizidproduktion dieses anfiel, die Hütte brannte und alles aufflog. Bis nicht nur die ortsansässigen Menschen von Georgswerder, vorneweg deren Kleingärtner, Sturm liefen und gehört werden wollten. Bis schließlich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss tagte und allmählich die Dimension deutlich wurde: Flotte 200.000 Tonnen Giftmüll verteilten sich auf 25 Hektar.
Da war die Deponie bereits geschlossen und wurde nach und nach umfänglich versiegelt. Von nun an für die nächsten Jahrzehnte, und das wird nicht reichen. 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin ist ein langlebiger, sehr giftiger Schadstoff.
Das Positive sehen
Dann kam ab 2006 die Internationale Bauausstellung (IBA), die Hamburgs eher hafenindustriellen Süden mit Wilhelmsburg und der Veddel an den wohlbürgerlichen Großstadtkern andocken sollte. Und die IBA sah den abgesperrten Berg und wusste, dass man daraus etwas machen könne.
Etwas sowohl Plakatives, Kreatives wie vor allem Positives; etwas mit Stadt und mit Natur, für dich, für mich und für alle. Auch fand man einen agenturgemäßen Namen: „Energieberg Georgswerder“. Was besser klang als Monte Mortale, wie die Anwohner spöttisch sagten. „Aus alten Lasten neue Energien machen“, so der dazu passende Slogan der damaligen Umweltbehörde.
Und der Berg: einerseits weiterhin eingezäunt, streng bewacht, mit Messstationen überzogen, falls etwas austritt, was nicht austreten soll. Und andererseits nun tagsüber bis 18 Uhr geöffnet, garniert mit Wanderwegen, einem Info-Point, zwei Toiletten und jeder Menge Erklärtafeln, weshalb immer wieder Schulklassen anzutreffen sind, die etwas lernen sollen.
Ist das hier schön
Die Bergkuppe ist nun mit einer Photovoltaikanlage besetzt, Windkrafträder drehen sich, und was an Organischem unter einem im Inneren noch vor sich hin gärt, wird als Deponiegas aufgefangen und in eine Kupferhütte weitergeleitet, die man von hier oben in vollendeter industrieller Schönheit vor sich liegen sieht. So wie die Autobahnen, die sich vor einem kreuzen und die in die Stadt hineinführen wie wegführen.
Das und noch viel mehr liegt vor einem, wie man da steht über dem Gift auf dem gestelzten Panoramarundweg und denkt: „Boah, ist das hier schön!“ Was ein Blick! Und die Augen schließen sollte man. Um ihn zu hören, den Sound der Stadt: ein nicht endendes Rauschen aus Verkehr und Arbeit und Wind und Geschichte.
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