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Endlich zu Fuß zur SchuleShowdown für die Elterntaxis

Friederike Gräff
Kommentar von Friederike Gräff

In Hamburg sollen sich Schulen besser gegen Eltern-Taxis wehren können: mit Schulstraßen, die zeitweise für Durchgangsverkehr gesperrt sind.

Auch die junge Generation findet sie blöd: der Widerstand gegen die Elterntaxis wächst Foto: Julian Stratenschulte/dpa

E r ist ganz geräuschlos über die Bühne gegangen: der fraktionsübergreifende Antrag von Grün-Rot. Titel: „Sichere Schulwege für unsere Kinder“. Wer würde da schon gegen stimmen wollen, und tatsächlich wurde der Antrag einstimmig verabschiedet. Nur die AfD enthielt sich, vielleicht war ihr „unsere Kinder“ ein zu weit gefasster Begriff.

Tatsächlich ist der Antrag spektakulärer als der Feelgood-Titel vermuten lässt: Künftig sollen Schulen, die besonders unter Elterntaxis leiden, die Möglichkeit haben, Schulstraßen einzurichten. In denen ist der Autoverkehr zu den Hol- und Bringzeiten der Kinder verboten.

Elterntaxis haben ein Polarisierungspotenzial ähnlich dem von SUVs – schließlich geht es um Kinder!

Elterntaxis sind die Autos der Eltern, die ihre Kinder zur Schule fahren. Der Kampf gegen sie galt bereits als verloren. Die Schulen selbst ­hatten wenig Mittel zur Verfügung: Zu Schuljahresbeginn standen gelegentlich Ver­kehrs­po­li­zis­t:in­nen vor den Schulen und schickten die anfahrende Elternschaft wieder davon; wenn man den Zeitungsberichten glaubt, waren die Reaktionen, milde formuliert, unfroh. Bemerkenswert ist, dass viele Elterntaxis ­direkt vor den Halteverbotsschildern halten und ebenfalls bemerkenswert ist, dass sie wieder da sind, kaum dass der letzte Polizist sich umgedreht hat.

Manche Schulen betreiben dann Umweltbildung mit kleinen Heften, in denen die Kinder eintragen, wenn sie zu Fuß in die Schule gekommen sind. Das ist ohnehin mehr als ­naheliegend, schließlich gilt in Hamburg das Prinzip der wohnortnahen Grundschule. ­Soweit die Theorie.

Beinahe das Polarisierungspotenzial von SUVs

In der Praxis erreicht das Thema nahezu das Polarisierungspotenzial von SUVs, es hat ähnlichen Symbolwert und dann geht es auch noch um Kinder: alles drin also. Das Standardargument der Taxi-Eltern ist, dass es ihnen darum ginge, dass ihre Kinder sicher die Schule erreichen.

Das verbindet sie mit dem Sicherheitsbedürfnis der SUV-Fahrer:innen, ebenso wie die Gefahr, die sie ohne Not für alle anderen sind. Gut möglich, dass der Streit nicht die Hitzigkeit der US-Debatte um das Recht auf die eigene Waffe erreicht, ans Eingemachte geht es im Au­to­fah­re­r:in­nen­land Deutschland aber ­allemal. Und zwar durch alle Schichten: Vor den Schulen sind alle Autoklassen zu sehen, vom SUV über den tiefer gelegten Mercedes bis zum VW-Kombi.

Dass nun die Hamburger Behörden in die Lage versetzt werden, den Schulweg tatsächlich sicherer für alle zu machen, ist großartig – auch wenn es zeigt, dass mit Einsicht und Freiwilligkeit kein größerer Blumentopf zu gewinnen war. Nebenbei zeigt es, dass der Hamburger Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) die Ausdauer und das Geschick hat, dicke Bretter zu bohren – in einer Zeit, in der die Nerven bei Themen, die irgendwie nach Ökobevormundung riechen, blank, sehr blank liegen. Und in einer Stadt, in der die Polizei, insofern sie mit Verkehrsfragen befasst ist, lange dem Autoverkehr Vorrang gegeben hat.

Die Schulstraßen werden nicht alle verkehrspolitischen Fragen lösen. Aber sie sind ein Anfang in mehrfacher Hinsicht: weil sie ganz praktisch den Schulweg für eine Menge Kinder und diejenigen, die sie begleiten, verändern. Es macht einen Unterschied, ob man fluchend versucht, eine unübersichtliche Masse stehender und anfahrender Autos mit einem Kind im Schlepptau zu durchqueren oder ob man gelassen einfach zur Schultür geht. Es macht einen Unterschied, wenn Kinder erfahren, und zwar jeden Tag neu, dass es Orte gibt, an denen Autos nicht die erste Geige spielen.

In Paris werden Schulstraßen komplett verkehrsberuhigt und Menschen, die sie gesehen haben, schwärmen von Grünflächen und Plätzen, an denen sich die Anwohnerschaft trifft. Aber man muss ja nicht gleich nach den Sternen greifen. Erst einmal kommen in Hamburg die Mühen der Niederungen. Die Frage, wie viele Anträge überhaupt gestellt werden – und wie viele von der letztlich entscheidenden Innenbehörde genehmigt werden. Aber ein Anfang ist ein Anfang.

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Friederike Gräff
Redakteurin taz nord
Ausgebildet an der Deutschen Journalistenschule. Interessiert sich dafür, was Menschen antreibt, sei es in Gerichtsprozessen oder in langen Interviews. Hat ein Sachbuch übers Warten geschrieben, "Warten. Erkundungen eines ungeliebten Zustands", Chr.Links Verlag und eines übers Schlafen "Schlaf. 100 Seiten", Reclam. Im Februar 2025 erscheint ihr Erzählband "Frau Zilius legte ihr erstes Ei an einem Donnerstag" bei Schöffling.
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3 Kommentare

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  • Bei uns (Kleinstadt) kommt man (abgesehen von Ferientagen) kurz vor acht und gegen 13 Uhr 30 kaum auf die Hauptstraße, weil sich dort die Elterntaxis stauen. Ein Kind, oft bereits im Teenageralter, ein Erwachsener, pro Auto. Und obwohl es untersagt ist, und selbst, wo ein Parkplatz vorhanden ist, halten viele Fahrzeuge auf den Straßen vor den Schulen. Nicht selten mit laufenden Motoren. Oftmals verdecken sie die Sicht auf Gehwege und Zebrastreifen und gefährden damit die Sicherheit anderer.

  • Das Thema ist nicht nur eines des Straßenverkehrs.

    Es hat viel mit den Rahmenbedingungen von Schule zu tun.

    In Berlin war gut zu beobachten, dass der Taxidienst der Eltern zunahm, als das Einschulungsalter auf fünfeinhalb vorgezogen wurde.

    Fünfjährige schaffen es oft nicht, gleich allein zur Schule zugehen.



    Später findet man den Absprung ganz schlecht.



    Die Kinder mögen es nämlich gebracht zu werden oder fühlen sich nur mit Eltern sicher.

    Zudem hört es sich moralisch toll an, wenn man fordert, dass beide Eltern im Sinne der Gleichstellung voll arbeiten gehen sollen.

    Das heißt aber auch, dass derjenige, der bringt, morgens zwei hochstressige Stunden hat, wo jede Minute zählt.

    Außerdem wählt man heute oft nicht die Grundschule, in deren Einzugsbereich man wohnt.



    Die Auswahl an unterschiedlichen pädagogischen Konzepten ist enorm geworden.



    Auch der Migrantenanteil spielt oft bei der Wahl eine Rolle.

    Würde die Politik hier für mehr zuverlässige Qualität sorgen, würden sich die Taxis erledigen.

    Für die Eltern ist das ja ein riesiger Stressfaktor.

    • @rero:

      Kein Kind muss in Hanburg mit unter 6 Jahren in die Schule gehen, fünfeinhalb geht eh nicht und die paar "Kann-Kinder" werden wohl nicht das Gros der Elterntxis ausmachen. Man kann Kinder übrigens auch zu Fuß, mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Fahrrad zur Schule bringen.



      Bei den Elterntaxis dürfte der Migranten-Anteil ziemlich niedrig sein, viele migrantische Familen haben in der Stadt gar kein Auto. Das sind eher die weißen, "biodeutschen" Helikoptermuttis.